5. November 2007, 16:45 Movie Music

Die Zugfahrt durch Mexikos Wüste in den Norden endet abrupt, als ein Hindernis auf den Bahngeleisen die Durchfahrt verunmöglicht: Ein Hauptmann ist an ein Holzkreuz gebunden, das wiederum an die Gleise gekettet ist. Der Zug hält und die Soldaten, die den Zug bewachen, versuchen den Hauptmann aus der entsetzlichen Lage zu befreien – vergeblich. Die Revolutionäre, die sich in den Bergen verschanzt und den Überfall inszeniert haben, erschiessen die Soldaten, einen nach dem anderen, als wären sie Fliegen. Verwundete, Sich-Ergebende, sogar ein Priester, alle werden aus unmittelbarer Nähe gnadenlos abgeknallt. Gnadenlos, mit Jubel und Freudeschreien. Der Zug versucht zu entkommen, überrollt den angeketteten Hauptmann, doch die Flucht gelingt nicht. Ein Amerikaner erschiesst den Zugführer, stoppt den Zug und schliesst sich den Revolutionären an... doch nicht aus idealistischen Gründen, sondern weil der sogenannte Gringo sehr eigene Ziele verfolgt.

Sie verfolgen alle eigene Ziele in Damiano Damianis Klassiker Töte Amigo und die Ziele sind nie sonderlich moralisch oder gar edel: Die vermeintlichen Revolutionäre – in Wahrheit gewöhnliche, skrupellose Banditen – stehlen Waffen, um diese den Berufsrevolutionären teuer zu verkaufen. Sie lassen sich von der unterprivilegierten und von den Grossgrundbesitzern ausgebeuteten Landbevölkerung euphorisch feiern, überlassen die wehrlosen Menschen jedoch den Gewehrslaven der Regierungstruppen und damit ihrem sicheren Tod.

Gian Maria Volontè gibt den Gauner El Chuncho.

Damiani hat – wie er im ausgezeichneten Bonusmaterial betont – keinen Western, sondern einen ausgesprochen politischen Film gemacht, aus dem einerseits deutlich der revolutionäre Zeitgeist der 68er spricht: Die Banditen um El Chuncho (charismatisch gegeben von Sergio Leone - Veteran Gian Maria Volontè) und seinen Bruder El Santo (grossartig irrsinnig wie eh und je: Klaus Kinski) wissen zumindest theoretisch um Gut und Böse; der amerikanische Kopfgeldjäger interessiert sich hingegen nur für Rendite und Gewinn; alle anderen Argumente existieren für ihn gar nicht erst. Andererseits zeigt Töte Amigo wie wenige andere Filme die Unmöglichkeit die eigenen, entsetzlichen Handlungen zu reflektieren oder gar zu begründen. Der Mensch handelt, vom Moment hingerissen, meist irrational.

Koch Media hat Damianis eindrückliches Meisterwerk vorbildlich aufgearbeitet: Der Film ist endlich in der ungeschnittenen, authentischen Fassung vorhanden, die die ganze politische Sprengkraft zu entfalten vermag. Zudem gibt es ein Interview mit dem Altmeister Damiano Damiani und langes Gespräch mit Lou Castel, der den Gringo gibt.

Lou Castel mimt den amerikanischen Kopfgeldjäger.

• Originaltitel: Quién sabe?
• Genre: Italo-Western
• Dauer: 113 Minuten
• Regie: Damiano Damiani
• Darsteller: Gian Maria Volontè, Lou Castel, Klaus Kinski

Bei Koch Media sind in der vorbildlichen Western Collection erschienen:

• Yankee
• Der Tod sagt Amen
• Denn sie kennen kein Erbarmen (Dokumentarfilm)