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15. April 2010, 16:40 Movie

DVD der Woche: Giulias Verschwinden

Christina Ruloff - „Es gibt keinen Anlass, bei dem eine Frau wie Sie nicht zu spät kommen dürfte!“ Bruno Ganz macht in Giulias Verschwinden Giulia wieder sichtbar und bezaubert zugleich das ganze Publikum. Deshalb hat dieser Schweizer Streifen das Zeug zum Lieblingsfilm und gehört in jede ...

„Es gibt keinen Anlass, bei dem eine Frau wie Sie nicht zu spät kommen dürfte!“ Bruno Ganz macht in Giulias Verschwinden Giulia wieder sichtbar und bezaubert zugleich das ganze Publikum. Deshalb hat dieser Schweizer Streifen das Zeug zum Lieblingsfilm und gehört in jede DVD-Sammlung.

Manchmal ist man unsichtbar; natürlich ist man nicht wirklich unsichtbar, man wird einfach von der Umwelt ignoriert. Manche Menschen werden ihr ganze Leben übersehen, links liegen gelassen, von Passanten, Taxifahrern, Mitarbeitern. Leuten wie Giulia geht es nur so, wenn sie sich mies fühlen. Giulia wird 50 und kommt sich von dieser magischen Zahl überrumpelt plötzlich uralt vor. Da hilft nicht einmal Frustshopping, weil die Verkäuferinnen sie einfach schneiden... wer will schon eine alte Schachtel bedienen. Wahrscheinlich müsste sie sich den ganzen Abend von ihrem Freundeskreis bemitleiden lassen, würde nicht plötzlich ein Ritter in Schwarz auftauchen, ihr eine schicke Sonnenbrille schenken und sie aus ihrer Altersstarre erlösen.

Retter in Schwarz: Bruno Ganz macht Corinna Harfouch wieder sichtbar - und schenkt ihr zuerst einmal ein Accessoire aus einem nicht unbekannten Brillengeschäft!

Giulia schwänzt ihre Geburtstagsparty, und die Sitzengelassenen beginnen nun ohne das Geburtstagskind über das zu reden, was sie wirklich beschäftig: Das Alter! Die liebe Gesundheit macht sich schmerzlich bemerkbar: Man hält an Silvester nur noch mit einer Willensleistung bis Mitternacht durch, achtet auf den Cholesterinspiegel, probiert es mit Bachblüten (die schliesslich bei Tieren nützen, also kann man nicht vom Placeboeffekt reden!), und zückt zum Studieren des Speisekarte ganz automatisch die Lesebrille. Aber jung sein, die vielen Enttäuschungen nochmals erleben – das möchten sie alle nicht mehr...

Christoph Schaubs neuer Film dreht sich nicht so sehr um das Alter oder Altern, als darum, wie Menschen in jeder Altersstufe das Alter wahrnehmen. Die vierzehnjährige Göre kann nicht warten, endlich 18 zu sein; ihre Eltern möchten jung (und damit cool) bleiben, indem sie sich als ihre Freunde aufspielen und nicht als Eltern. Die Pfleger im Altersheim bevormunden ihre sogenannten „Bewohner“ schlimmer als jedes Kleinkind und erleben ihr blaues Wunder, als eine Dame diesen Altenzirkus partout nicht mehr mitmachen will. Nur Bruno Ganz’ John behauptet, dem Alter auf eine irrsinnige Art ein Schnippchen zu schlagen... und treibt damit den gesamten Alterswahn ad absurdum.

"Und wer wischt mir den Po, wenn ich alt bin?" Alessia (Sunnyi Melles) findet zufälligerweise den Mann fürs Alter.

Giulias Verschwinden ist zwar handlungsarm, dafür aber mit derart vielen intelligenten, amüsanten, dreisten und doch wieder liebenswürdigen Dialogen angereichert, dass man völlig erstaunt ist, wenn der Spass nach gut 80 Minuten vorbei ist. Was Martin Suter so pointiert geschrieben hat, ist nämlich schreiend wahr – dem Publikum werden daher zwangsläufig viele Zitate oder Situationen bekannt vorkommen und so lacht man nicht über die etwas klischierten Charaktere, sondern mit ihnen. Abgefilmt wurde Suters Drehbuch ohne unnötigen Schnickschnack als Edel-Kammerspiel mit unzähligen Spiegeln und Spiegelungen. Die Stadt Zürich (insbesondere ein Restaurant und ein Brillengeschäft, die hier natürlich nicht namentlich erwähnt werden!) geben eine schöne und stilvolle Kulisse - Giulias Verschwinden ist auch eine Hommage an die Limmatstadt. Das Ensemble spielt perfekt und dass Bruno Ganz endlich einmal wieder in einer komödiantischen Rolle zu sehen ist (und erst noch als Liebhaber!) setzt der Sache die Krone auf!

Schluss mit Altenzirkus: Eine reife "Bewohnerin" benimmt sich plötzlich sehr unreif und hat Spass.

Giulias Verschwinden ist neu auf DVD erschienen!

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