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21. Mai 2010, 10:33 Kolumnen International

no. 3 - big apples from the Big Apple

meng tian - New York – the Big Apple. Schon im Übername ist eine entscheidende Qualität dieser Metropole versteckt: der Hang zu Grössen, wenn nicht sogar Superlativen. Wenn hier Wind und Sturm herrscht, dann gerät nicht nur die Frisur auseinander, auch Schirme oder Einkaufssäcke zerre...

New York – the Big Apple. Schon im Übername ist eine entscheidende Qualität dieser Metropole versteckt: der Hang zu Grössen, wenn nicht sogar Superlativen. Wenn hier Wind und Sturm herrscht, dann gerät nicht nur die Frisur auseinander, auch Schirme oder Einkaufssäcke zerreissen schon mal in den Händen – egal wie fest man sie zusammenhält. Wenn aber die Sonne scheint, dann strahlen ganze Strassen, Parks und auch Menschen in vollen Zügen: farbenfroh glänzend, gefüllt von Leben, Freude und Energie.

Im Bereich Musik, insbesondere Live-Konzerte, trifft man ebenfalls auf reichlich Superlativen, wenn man möchte. Madison Square Garden, Radio City Music Hall, Carnegie Hall... Grosse Künstlernamen in Aktion tauchen hier täglich auf wie French Fries zum Burger. Speziell im Sommer verwandelt sich die Stadt in ein einziges Paradies mit täglich gratis Konzerten in jedem Stadtteil. Letzte Woche fing es an mit Sting samt klassischem Orchester am Plaza vom Rockefeller Center. In ein paar Wochen lädt Norah Jones zum Parkbesuch in Prospect Park Brooklyn ein. Gepaart mit herrlichem Wetter verspricht der Sommer hier fantastisch zu werden.

Aber was ist, wenn es einem nicht immer nach Burger ist? Wenn ich meine persönlichen bisherigen Konzertbesuche durchchecke, fallen zugegeben nur die wenigsten in die Kategorie Big-Name-Burger. Ein paar waren mittelgrosse, mit Zürcher Volkshaus vergleichbare Clubgigs von Musician’s Musicians wie Me’shell Ndegeocello in Joe’s Pub, Kaki King in Music Hall of Williamsburg oder der Grenzfall Indiegrösse-auf-dem-Sprung-zum-Durchbruch Sia in Terminal 5. Der einzige Big-Name war wohl gestern Abend im Carnegie Hall der gefeierte chinesische Jungpianist Yundi Li, der ein komplettes Chopin-Programm darbot.

Und der Rest der Liste meiner Konzertbesuche waren alle unbekannten Bands oder Einzelkünstler – die es hier wie Sand am Meer gibt –, die in kleinen, intimen Venues grosse, stimmungsvolle Juwelen an Live-Musik geschaffen haben. Manche waren Musikerkollegen von der Schweiz oder allgemein Europa; manche neue Bekanntschaften, die man hier an Openmics oder durch Freundes Freunde macht; und andere, zu denen man überhaupt keinen Bezug hatte und einfach per Zufall entdeckt bei einem Besuch in der Lieblingsbar.

Manchmal ist es einschüchternd und ernüchternd, wenn man einen Abend lang an einem Ort wie Rockwood sitzt und jede Stunde eine neue Band reinkommt, in kürzester Zeit aufstellt, voller Einsatz auf hohem Niveau spielt und dann wieder in Rekordzeit abbaut, weil die nächste Band schon vor der Bühne mit ihrem Equipment auf ihre Stunde warten – all das, während sich auch das Publikum in Stundentakt auswechselt. Man hinterfragt sich, was man selbst hier eigentlich sucht und tut, ob man dem ganzen Wettbewerb gewachsen ist und oft auch, was der Sinn hinter dem Ganzen ist.

Aber nur so lang, bis im nächsten Moment wieder etwas überraschend Gutes passiert oder entdeckt wird. Wenn man nach einem langen Tag die Tür zur Lieblingsbar aufmacht und die Lieblings-Singersongwriterin grad unter einem anderen Künstlernamen spielt; oder wenn man selbst überraschenderweise zum Spielen angefragt wird. Für solche Momente weilt man eigentlich in diesem grossen Apfel. Darauf hoffend, dass bald die grossen Erkenntnisäpfel für einen selber erreichbar werden.


big apples from the Big Apple Reihe: Übersicht
Meng Tian im Web: Meng-tian.com
Popkredit der Stadt Zürich: Musikeratelier in New York

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