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13. Juni 2010, 14:40 Movie

DVD der Woche: Der Teufel mit der weissen Weste

Christina Ruloff - Sterben… oder lügen: Der Gangsterfilm verlief immer in ähnlichen Mustern, bis Jean-Pierre Melville das Genre revolutionierte und zeigte, worum es bei Verbrechern und Polizei wirklich geht – um das Verschwinden der eigenen Persönlichkeit hinter einer Maske, hinter vermeintl...

Sterben… oder lügen: Der Gangsterfilm verlief immer in ähnlichen Mustern, bis Jean-Pierre Melville das Genre revolutionierte und zeigte, worum es bei Verbrechern und Polizei wirklich geht – um das Verschwinden der eigenen Persönlichkeit hinter einer Maske, hinter vermeintlichen Notwendigkeiten, hinter der Lüge.

In Amerika wird zwischen Gut und Böse unterschieden. Und das war schon vor siebzig Jahren im Film Noir eigentlich nicht gross anders. Die Grenzen waren zwar etwas verschwommen, es gab natürlich üble Polizisten und anständige Gauner. Und meist hatten alle Beteiligten gute Gründe, so zu handeln wie sie eben handelten. Alles ist psychologisch motiviert und wenn der Held Zweifel hat und sich schon mal betrinkt und prügelt, dann zeugt das umso mehr von Charakter. Nicht einmal der grosse Michael Mann traute sich in „Heat“ ohne die üblichen Verdächtigen des amerikanischen Genrekinos auszukommen. Das Böse, Egoismus, Hass und Brutalität gibt es nicht in Reinform, sondern nur nach einem zuschauerkonformen Mass dosiert. Der einzige, der sich nie um Konventionen scherte, ist Quentin Tarantino. Und der ist nicht umsonst einer der grössten Fans von Jean-Pierre Melville und insbesondere von Der Teufel mit der weissen Weste!

Der einzigen Zeugin wird eine neue Wahrheit aufgezwungen... sonst müsste sie wohl auch sterben. Jean-Paul Belmondo als Silien in Aktion!

Hier agiert nämlich keiner rational, niemand nimmt Rücksicht und schon nicht hat man Zeit für Reue, Trauer oder tiefsinnige Dialoge. Maurice bringt einen alten Freund um, weil er dringend Geld braucht. Am selben Abend steigt er mit einem Kumpel in eine Villa ein. Als die Polizei ihn schnappt, verdächtigt er sofort seinen Freund Silien. Sofort setzt er auf diesen einen Killer an. Dass Silien ihn gar nicht verraten hat, sondern ein raffiniertes Doppel- oder sogar Vierfachspiel treibt, spielt keine Rolle mehr. Zu spät erfährt er von den Plänen Siliens und kann den Freund nicht mehr retten. Am Ende sind alle tot: Maurice, Silien und der Killer (neben einer Vielzahl anderer Toter, die in diesem Milieu zwangsläufig sterben) Die Katastrophe ist der Unfähigkeit aller Beteiligten geschuldet, miteinander zu kommunizieren. Das Lügen, Betrügen und Töten ist bereits so sehr zur eigenen Identität aller geworden, dass sie gar nicht mehr anders können – und wenn die Reise in den Tod führt. Die Wahrheit, so es denn eine gibt, hat sich aufgelöst.

Kann man sich überhaupt noch im Spiegel sehen? Und was sieht man dort? Serge Reggiani ist zu real, um tragisch sein.

Jean-Pierre Melville inszeniert das Drama, das eigentlich keines ist, als artifizielle Milieustudie in Grau. Lange, langsame Einstellungen dominieren den Film und geben Charakteren und Umwelt Zeit, sich zu entfalten. Dabei geht nicht so sehr um das echte Pariser Gangstermilieu: Die Protagonisten tragen Trench Coats, sausen in amerikanischen Schlitten durch die Strassen und benehmen sich auch sonst nicht sehr französisch. Die Geschichte dreht sich um die Lüge, um die Doppeldeutigkeit. Am Ende hat man zwar alles gesehen, alle Versionen gehört – doch ist dem Zuschauer damit geholfen?

Arthaus hat einen Klassiker des französischen Genrekinos endlich und in ganzer Länge auf DVD veröffentlicht!

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