DVD der Woche: High Noon
Christina Ruloff - Wenn man vom Western spricht, denkt man automatisch an Fred Zinnemanns grossen Klassiker High Noon, obwohl dieser Film für das Genre eher atypisch ist. Der Film stammt aus dem Jahr 1952, einer Zeit, wo das klassische Hollywood, und somit auch der Western, schon im Abstieg begrif...
Die Handlung – ein Sheriff muss einem Verbrecher das Handwerk legen – ist relativ durchschnittlich und doch laufen die Dinge in High Noon anders, als sie es unserer Erwartungshaltung entsprechend tun sollten: Bill Kane, der altgediente Sheriff einer Kleinstadt heiratet die Quäkerin Amy; die beiden planen die Stadt zu verlassen und irgendwo eine friedliche Existenz, einen kleinen Laden und eine Familie aufzubauen. Kane hat sich eben von seinem Stern getrennt, da trifft die Nachricht ein, dass Frank Miller, ein berüchtigter Mörder, begnadigt worden sei. Er wird von drei Banditen mit dem Zug erwartet, der 12 Uhr Mittags eintrifft...Anstatt dass sich die Männer der Gemeinde hinter Kane stellen, bewegen sie ihn hastig zur Flucht. Kane kehrt jedoch gegen den Willen seiner Frau zurück, weil er weiss, dass es vor Miller kein Entkommen gibt – und weil es unanständig, ja falsch wäre, vor dem Verbrecher davonzurennen. Die Menschen, die er jahrelang geschützt hat, weigern sich jedoch ihm beizustehen, lassen sich von ihren Ehefrauen verleugnen, gehen ihm aus dem Weg, verstecken sich feige hinter ihren Pflichten als Familienväter oder wollen (wie der Sargmacher oder der Salonbesitzer) gar an Kanes Tod verdienen. Kane, der bislang glaubte, viele und gute Freunde zu haben, muss sich alleine den Verbrechern stellen.
Die Freunde verlassen ihn, seine Frau (Grace Kelley) lässt ihn sitzen und die Uhr tickt: Gary Cooper läuft die Zeit davon.
Gary Coopers Held ist nicht strahlend, sondern hat Angst und leidet unter der Enttäuschung und unter Schmerzen (er wird zu allem Überfluss von einem jüngeren Aspiranten auf den Sheriffposten verprügelt und gewinnt den Kampf nur mit grosser Mühe). Seine stoische nüchterne und grundanständige Haltung – „A man’s gotta do what a man’s gotta do“ – wird nicht belohnt, sondern treibt ihn in einer Gesellschaft von Feiglingen, Nutzniessern und Egoisten in den Tod. Drehbuchautor Carl Foreman hat erklärt, dass sein Script hauptsächlich auf seinen Erfahrungen beruht, die er mit vermeintlichen Freunden machen musste, als er während der Zeit McCarthys wegen „unamerikansicher Umtriebe“ angeklagt wurde. Zinnemann verstand es aber, die schnörkellose Geschichte um einen verlassenen Mann musikalische und filmisch zu veredeln. Die Bilder sind klar strukturiert und in hartem Schwarzweiss gehalten; sie unterstreichen die Vorgänge und führen in grandioser Parallelmontage die verschiedenen Handlungsstränge zusammen, verdeutlichen Zusammenhänge, Gegensätze und die Gleichzeitigkeit der Handlung. Abschliessend sei noch auf die dramatische Musik Dimitri Tiomkins hingewiesen, die den ohnehin spärlichen Dialog fast überflüssig macht und zugleich das Geschehen kommentiert. Alles wäre aber nur halb so schön, ohne die Ballade „Do not forsake me, oh my Darling“ (gesungen von Tex Ritter) die die Handlung vorwegnimmt und sich leitmotivisch durch den Film zieht.
High Noon gehört zu den ganz grossen Filmen der Filmgeschichte. Formal und inhaltlich ist der Film schlicht umwerfend, und zeigt, was Film sein kann, wenn er in einem ganzheitlichen Konzept entsteht: Kunst.
High Noon ist neu auf DVD erschienen!
Alle gegen einen und der eine kann sich kaum zur Wehr setzen. High Noon klagt die McCarthy-Ära an.
- Titel: High Noon
- Jahr: 1953
- Dauer: 85 Minuten
- Regie: Fred Zinnemann
- Darsteller: Gary Cooper, Grace Kelly
- Bonus: Trailer, Dokumentation über die Filmmusik und über den Regisseur Fred Zinnemann