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10. Juli 2010, 01:03 Kolumnen International

no. 10: big apples from the Big Apple

meng tian - Beim Reisen ist diese Tätigkeit so gang und gäbe wie das Auswärtsessen oder Glacéschlecken: das Ins-Museum-Gehen. Vor allem beim aktuell schweisstreibenden Wetter in New York, ist ein Museumsbesuch nicht nur eine Horizonterweiterung, sondern auch eine rationale Wahl, der Hitz...

Beim Reisen ist diese Tätigkeit so gang und gäbe wie das Auswärtsessen oder Glacéschlecken: das Ins-Museum-Gehen. Vor allem beim aktuell schweisstreibenden Wetter in New York, ist ein Museumsbesuch nicht nur eine Horizonterweiterung, sondern auch eine rationale Wahl, der Hitze stilvoll zu umgehen. Glücklicherweise hat der Big Apple jede Menge spannende Häuser zu bieten, so dass ich nach bald 4.5 Monate Aufenthalt noch immer nicht jedes Museum abgeklappert hab.

Aber besser ein paar als gar keine. Die Must-Dos auf jedem Reiseführer sind auf jeden Fall schon mal abgehackt: MET (Metropolitan Museum of Art), American Museum of Natural History, MoMa (Museum of Modern Art) und Solomon R. Guggenheim Museum. Die ersten zwei davon sind absolut empfehlenswert, die letzten zwei Geschmacksache. Begründung? Nun, bei moderner Kunst ist das immer so ne Sache, wo Kunst aufhört und Künstlichkeit anfängt. Bei jedem liegt die Grenze woanders. Für mich wurde die Grenze überschritten. Denn wenn man sich bei jeder Lichtinstallation fragen muss, was genau die Intention der Sache war und bei jedem Soundzusammenschnitt wundern muss, warum das Ganze entweder nicht hörbar oder zu gut hörbar ist, dann ist die Kunst hier zu gewollt, zu bemüht.

Was zu einer allgemeinen Frage führt: Was genau soll Kunst? In einer Stadt wie diese, wo jeder ungefähr acht kreative Projekte neben dem täglichen Job bestreitet, ist das schon beinahe eine Alltagsfrage. Wenn man sich die Szenenviertel des East Village oder Greenwich Village anschaut, oder sich in Chelsea mal umsieht, merkt man schnell, dass die Erregung von Aufmerksamkeit eine grosse Komponente bildet bei der Schaffung von Kunst – oder auch schon bei der alltäglichen Bekleidung der Menschen. Es ist verständlich: die Konkurrenz ist immens, die Anzahl der Talente auf dieser Insel ist unverächtlich. Wenn man also nicht versucht, anders zu sein, besser zu sein, interessanter zu sein, oder zumindest all das gegen aussen zu wirken, wie wird man überhaupt wahrgenommen? Und wenn man nicht wahrgenommen wird, wie will man sich ein Leben hier finanzieren und „seinen Traum verwirklichen“?

So sieht man vor allem bei zeitgenössischer Kunst oft Arbeiten, die politische Aussagen oder technologische Vielfalt beinhalten, oder äusserst komische Gestalten und Formen annehmen. Eine kreative Haltung also, die vor allem nach „Zeigen“ schreit. Zeigen, was man kann, was man (heraus-)gefunden hat, was man zustandebringt.

Und inmitten von diesem Chaos entdeckte ich etwas Kostbares: dass ein „Wiederspiegeln“ oder „Verinnerlichen-Von-Bereits-Existierenden“ viel mehr imponiert. Ich hatte meine besten Momente in den Museumsbesuchen in beispielsweise dem naturhistorischen Museum, dem Museum of Chinese in America oder dem New York Hall of Science, wo man nicht etwas Konstruiertes zu zeigen bekommt, sondern sich durch die Kunst oder die präsentierten Gegenstände an etwas erinnert oder eine Erkenntnis wiederfindet, die man im stressigen Alltag aus dem Auge verliert. Es ist eine Art von Sachlichkeit, die sich wegbewegt vom Kunst- oder Künstlertum, aber näher kommt an der eigentlichen Materie der Sache – sei es nun ein zusammengestelltes Gedichtbuch aus historischen Artikeln oder eine Rekonstruktion der Galaxie oder die visuelle Umsetzung des weissen Lichts.

Gute Kunst braucht keine Erklärung. Sie inspiriert, einfach.


big apples from the Big Apple Reihe: Übersicht
Meng Tian im Web: Meng-tian.com
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