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27. Februar 2007, 00:00 Interview

Fiva & Radrum

Daniel Gremli - Kopfhörer-Musik statt Gangsta-Rap: Students.ch unterhielt sich mit Fiva und Radrum über ihre musikalische Mission. Und über Milchkaffee, Bienenzucht und Sido. „Momentan ist die Musik, die wir machen und mögen, nicht sehr angesagt.“ sagt DJ Radrum. Zusammen mit Fiva MC ha...

Kopfhörer-Musik statt Gangsta-Rap: Students.ch unterhielt sich mit Fiva und Radrum über ihre musikalische Mission. Und über Milchkaffee, Bienenzucht und Sido.

„Momentan ist die Musik, die wir machen und mögen, nicht sehr angesagt.“ sagt DJ Radrum. Zusammen mit Fiva MC hat er ein Album produziert und versuchte über ein Jahr lang, ein Label dafür zu gewinnen – erfolglos. Schliesslich fällten die beiden Münchner eine mutige Entscheidung: Sie gründeten ihr eigenes Label Kopfhörer Recordings. Im November 2006 veröffentlichten sie ihr Album Kopfhörer (Students.ch Review), am letzten Freitag stellten sie das Werk in der Berner Dampfzentrale vor (Konzert-Review). Mit ihrer Musik wollen sie eine Alternative anbieten, erklärten die beiden im Gespräch mit Students.ch: „Es kann nicht sein, dass im gesamten deutschsprachigen Raum alle Leute, die sich für Hiphop interessieren, Sido, Fler und Bushido hören wollen.“

Eure Meinung zu den aktuellen Entwicklungen in der deutschen Rapszene ist also ziemlich negativ?

Radrum: Das tönt jetzt vielleicht so. Aber ich finde auch viele Sachen gut, die gerade passieren. Allein, dass das Rap-Teil so stark in die Öffentlichkeit gerät, dass die Bravo – das Jugendmagazin schlechthin in Deutschland – mit „Bravo Hiphop“ ein Sondermagazin herausbringt, wo nur diese Musikrichtung thematisiert wird – natürlich mit den Ikonen, die gerade angesagt sind –, allein diese Präsenz ist eine gute Sache.

Fiva: Es gibt ja die Bravo und die Präsenz des Themas „Rap“, so wie mans in allen Klischees gerne sehen möchte. Aber Rap ist so facettenreich, Rap ist Sprechgesang auf Beats, das kannst du auch über Kochbücher machen oder was auch immer. Ich lieb Rapmusik, ich kann nicht besonders viel mit Gitarrenmusik anfangen, auch wenn ich mir Mühe gebe. Und wir bieten einfach Leuten, die Bock haben solche Musik zu hören, eine Alternative, dass man sich auch den Text mit anhören kann. Wir haben überhaupt kein Problem mit Gangsta-Rap in Deutschland, ich muss es mir ja nicht anhören. Wir machen Köpfhörer-Musik, weil wir beide – oder ich vor allem – auch Kopf-Hörer sind. Wenn ich einen Rap-Text höre, wo in den ersten 20 Sekunden 17 mal „Bitch“ vorkommt – ich fühl mich da nicht als Frau gedisst, aber es gibt mir nichts. Deshalb haben wir uns vorgenommen, unsere Musik als Alternative anzubieten.

Zum Beispiel mit eurem aktuellen Album „Kopfhörer“. Wie läuft euer Arbeitsprozess ab?

Fiva: Also ich mach die Beats erst...

Radrum: ...dann schreib ich die Texte und rappe sie ein. Dann pitchen wir meine Stimme...

Fiva: ...und ich bring ihm das auflegen bei für die Show. Nein, im Ernst: Der Radrum macht Beat-Skizzen und gibt mir die mit. Ich such mir die Beats aus, die mich mitreissen, und schreib dann dazu. Es ist also nicht so, dass ich mitproduziere oder dass er mitschreibt. Wir sind ein DJ-MC-Team; ich komm mit dem Text, und er hat den Beat. Dann rappe ich meine Texte ein, und er macht dann den Scheiss fertig.

Radrum: Ich mach den Shit tight.

Fiva: Genau, schreibt bitte „den Shit tight“. Sehr wichtig für uns, damit wir ein bisschen Realness kicken. Das müsst ihr als Zitat kenntlich machen, so mit Fussnoten, wir sind da ja studentisch-akademisch verbunden. (Fiva hat Soziologie studiert, d. Red.)

Woher kommen deine Texte, Fiva?

Fiva: Die schreib ich aus Büchern ab. Nein, die Texte kommen aus dem eigenen Leben. Was ich sehe, schreibe ich auf. Sehr alltägliche Dinge. Ich erfinde keine Geschichten. Aber ich glaube, es zu schaffen, eine Distanz in die Texte reinzubringen, dass es nicht nur meine persönlichen Texte sind, so im Stil von „gestern um 17 Uhr war ich bei meiner Freundin“. Ich mach Egoisten-Texte, ich mach Texte, die ich selber gerne hören würde, denn ich finds geil, wenn man einen Text hört und sich damit identifizieren kann. Heute kam zum Beispiel jemand nach dem Konzert zu mir und sagte: „Du kannst das ausdrücken, was ich mir denke“. Das ist das grösste Kompliment für mich.

Was ist deine Meinung von der Generation X/Golf/2000, über die du im Lied „Hallo“ schreibst?

Fiva: Sehr viele Leute, die wir treffen, sagen: „es gibt immer nur dasselbe, immer nur derselbe Scheiss, alle haben dasselbe an, ...“. Und dann schaust du die Menschen an und denkst: „Bist du ein Unterschied?“. Die Leute sagen immer zu uns: „Ist so geil was ihr macht, super, das Beste!“. Aber manchmal vergessen sie, dass man das supporten muss. Man muss ja nicht Hardcore Fan sein, aber vielleicht muss man wieder Liebhaber werden. Die Plattenindustrie in Deutschland ist ja ziemlich kaputt, es gibt nur noch zwei grosse Labels. Kopfhörer Recordings ist nicht das einzige neue, kleine Label. Du musst halt wieder mehr in Plattenläden gehen, oder halt heute mehr im Internet suchen. Du musst die Bands unterstützen. Es funktioniert nicht mehr anders. Und es geht nicht mehr einfach mit „alles Scheisse finden“. Das funktioniert einfach nicht.

Wieso ist eigentlich Milchkaffee das Feindbild so vieler Rapper?

Fiva: Also ich trinke ja wie eine Sau Milchkaffee. Ich wohne im Milchkaffee. Für mich bedeutet Milchkaffee folgendes: Du setzt dich hin und hast auch Zeit, die ganze Zeit Milchkaffee zu trinken. In den Cafés sitzen alle mit ihren Laptops, trinken Milchkaffee und schreiben irgendwas. Ich bin immer gespannt was die so tun. Ich mach das ja auch und versuch damit über die Runden zu kommen. Aber ich überlege jeweils: was machen die vielen anderen noch? Milchkaffee ist schon so ein generationsprägendes Bild. Viele versuchen, Milchkaffee trinkend selbständig zu werden.

Du sagtest mal in einem Interview, dass du über folgende Themen nie schreiben würdest: Flugzeugbau, Bienenzucht und Arschficken. Warum nicht Bienenzucht?

Fiva: Warum nicht Bienenzucht? Wahrscheinlich wollte ich wieder mal wahnsinnig lustig sein. Ich glaube, es sollte die Absurdität der Frage verdeutlichen, denn es gibt wirklich wenig Dinge, worüber man keinen Text schreiben kann. Vom Flugzeugbau hab ich wenig Ahnung, Bienenzucht interessiert mich einen Scheissdreck und Arschficken ist auch nicht das, wo ich sage: „Hey, heute mal wieder Arschficken!“ Deswegen habe ich da auch wenig zu erzählen darüber. Und wahrscheinlich war das auch ein gemeiner Berlin-Diss, den ich da noch reinbringen wollte, so unterschwellig und subtil. (Aggro-Berlin-Rapper Sido machte vor einigen Jahren einen „Arschficksong“, d.Red.)

Was würdest du sagen, wenn Sido kommen und sagen würde: „Fiva, ich will dich featuren“?

Fiva: Ich find Sido ja nicht Scheisse. Aber ich glaube nicht, dass mich Sido jemals featuren würde. Ich finde das, was Sido macht, manchmal lustig, ich muss mir das nur nicht anhören die ganze Zeit. Wenn Sido und ich ein Thema finden würden, über das wir rappen könnten gemeinsam, würde ich wahrscheinlich schon mit Sido ein Feature machen. Aber zuerst müssen wir uns thematisch näher kommen. Vielleicht wäre dann doch die Bienenzucht der gemeinsame Nenner.

Das Interview führten Urs Langenegger und Daniel Gremli.

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Quelle: Bild: fiva-radrum.de (Link)
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