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19. Oktober 2010, 22:50 Kolumnen International

Wild, Wild West # 2: In Deckung!

Samuel Schumacher - Ein Mord, und wie es soweit kommen konnte….Spätestens seit Michael Moores Grosserfolg „Bowling for Columbine“ wissen auch Amerika-Banausen um die Waffenverliebtheit und Schiessfreude des an sich so freundlichen Volkes am anderen Ende des Atlantik. Ich wirble also nicht wir...

Ein Mord, und wie es soweit kommen konnte….

Spätestens seit Michael Moores Grosserfolg „Bowling for Columbine“ wissen auch Amerika-Banausen um die Waffenverliebtheit und Schiessfreude des an sich so freundlichen Volkes am anderen Ende des Atlantik. Ich wirble also nicht wirklich viel Staub auf, wenn ich behaupte, dass den Amerikanern ihre Schusswaffen auf gefährliche Weise in den Kopf gestiegen sind. Und trotzdem, wenn man dann live mit dem US-Selbst-Protektionismus in Form übersteigerter Angstzustände und voreiligen Kurzschlusshandlungen konfrontiert wird, dann präsentiert sich einem das Kapitel „Amerika und die Schusswaffe“ von ganz anderer, viel stählerner und irgendwie ungemütlicherer Seite, als wenn Michael Moore in tobender Leibesfülle von der Kinowand herunter Kritiktiraden auf stupid-verblendete Waffennarren schmettert.

Seit der Ermordung meines Nachbarn vergangene Woche mache ich mir mehr Gedanken als auch schon über die Gefahr, die der hierzulande weit verbreitete Waffenkult mit sich bringt. Mein Nachbar wurde vor unserem Wohnhaus erschossen. Weshalb weiss ich nicht. Ich weiss auch nicht von wem. Und auch nicht genau mit was. Tatsache ist, dass er der Zweite innerhalb weniger Tage war, der in diesem hübschen Arizona-Town durch Waffengewalt ins ungeliebte Six Feet Under befördert wurde. Kurz zuvor hatte die hiesige Polizei einen Familienvater erschossen, der sich in seiner Wohnung verbarrikadiert und damit gedroht hatte, seine Frau und seine Kinder umzubringen.

Dass solche Taten in diesem wunderschönen Land alles andere als eine Seltenheit sind, ist bedauerlich. Eigentlich aber keinesfalls verwunderlich. Keine Meile von meinem Apartment entfernt steht der lokale Walmart, in dem es – ausser Gemüse, Früchte und Brot – alles zu kaufen gibt, was man sich erdenken kann. Auf einem Regal im hinteren Teil der riesigen Ladenfläche liegen rund 20 verschiedene Schusswaffen, die jeder über 18 ohne Waffenschein und ohne grosses Nachfragen für verhältnismässig wenig Geld ersteigern kann. Scharfe Munition findet man im Gestell gleich daneben. Es würde mich keine 30 Minuten kosten, mit meinem bereits etwas klappernden 90-Dollar Bike zu Walmart zu trampen, mich bis auf die Zähne zu bewaffnen, um auf dem Heimweg wild um mich zu ballern. Dass es unter diesen so ungesicherten Zuständen schon mal vorkommt, dass einer austickt und abdrückt, ist nichts als die logische Konsequenz eines Systems, das seine Bürgerinnen und Bürger zu deren Selbstschutz mit hochgefährlichem Spielzeug ausrüstet, ohne auch nur die geringste moralische Verpflichtung einzufordern.

Spätestens seit Buffalo Bill Cody im späten 19. Jahrhundert mit seiner Wild West Show auf Tournee ging und in Tausenden Amerikanern die Lust auf die Büffeljagd in den Great Plains weckte, ist die Schusswaffe fester Bestandteil des amerikanischen Freiheitsgedankens. Die wenigen Büffel, die heute noch auf den Weiten Nordamerikas grasen, müssen in Nationalparks geschützt werden. Apaches gibt es auch keine mehr, die man hoch zu Pferd aus ihren Tippis plustern könnte. Und der schwarze Mann darf nicht mehr mit Waffengewalt und gegen seinen Willen gezüchtigt werden. Amerika hat seine historisch gewachsenen Zielscheiben verloren. Neue Schreckszenarien müssen geschaffen werden, um den Glauben des Volkes an die notwendige Selbstverteidigung mit immer besser werdenden Schiesseisen hochzuhalten. Und wenns dann mal einen aus den eigenen Reihen trifft, dann ist das ein geringer Preis für ein sicheres, stolzes und freies Land!

... weiter gehts auf www.insideusa.ch

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