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10. November 2010, 23:31 Konzert Music

Wir sind Berlin

Patrick Holenstein - Beim „Berlin in Basel“ Konzert der schon legendären AVO-Session wurde es spannend. Kann der Elektropop von 2raumwohnung live bestehen? Ist ein Jubiläumskonzert, auch wenn es von „Element of Crime“ ist, aufregend? Und hatte Klaus Wowereit, Berlins Bürgermeister, liebev...

Beim „Berlin in Basel“ Konzert der schon legendären AVO-Session wurde es spannend. Kann der Elektropop von 2raumwohnung live bestehen? Ist ein Jubiläumskonzert, auch wenn es von „Element of Crime“ ist, aufregend? Und hatte Klaus Wowereit, Berlins Bürgermeister, liebevoll Wowi genannt, mit seinem Bonmot „Berlin ist arm, aber sexy.“ Recht?

Von Annekatrin Kaps

Die Antworten lauten ja, ja und ja. Aber schön der Reihe nach. In den festlichen, im lila Shobiz dekorierten Raum, der trotzdem etwas Intimes hat, strömt das Publikum. Blond gefärbte Teenager mit langen, seidigen Haaren, Typen mit Baseballkappe, deutlich Ältere und Vierzigjährige mit Uelibier in der Hand. Mit 2raumwohnung geht’s endlich los, hämmernde Beats, rockige Gitarren und darüber die immer etwas gelangweilt wirkende Stimme von Inga Humpe. Mit der langen, blonden Mähne, dem ärmellosen Top, den Röhrlijeans, die in Overkneesstiefeln stecken, wirkt sie genauso cool wie ihre Musik.

Die vier Gitarristen, unterstützt von Keyboard und Schlagzeug rocken derweil den Saal. Leider versteht man von den Texten nur die Hälfte, doch es wird sanfter, ein Hauch von Blues scheint durch die Musik. Bei Cowboy, halt Dich fest ist der Durchbruch geschafft und der Saal endgültig im Wohlfühlpop angekommen. Nett zu hören, tut aber auch nicht wirklich weh.Doch Inga Humpe ist nicht umsonst mit vierundfünfzig (die man ihr übrigens nicht ansieht) noch im Geschäft, ihre Texte habe durchaus Tiefgang. Der erschliesst sich mit besserer Technik immer mehr. „Rette mich nicht jetzt, ich will noch bleiben.“ ist so ein Satz, den man gern immer wieder hört. Ihre ständigen Refrains, ein Markenzeichen von 2raumwohnung, entfalten auf der Bühne eine berechtigte Präsenz. „Du schaust mich an wie Himbeeren mit Sahne“ hat eine beiläufige Poesie, die synthisierten Elektrobeats passen perfekt dazu.

Sympathisch wirkt es, als die blonde Powerfrau die Frauen auf die Bühne bittet und mit ihnen tanzt, eine Hommage an die Weiblichkeit. Richtig heiss wird es mit dem letztjährigen Sommerhit 36 Grad, dann versteht man, wieso diese Musik süchtig machen kann.

Eine ganz andere Art von Suchtgefahr besteht bei Element of Crime seit nunmehr fünfundzwanzig Jahren. Damit sind sie gleichalt wie die AVO-Session, wie der Moderator mitteilt. Aber das interessiert nun wirklich niemanden, der Saal tobt schon, bevor sie anfangen. Mit gefühligen Gitarren und Herr Regener singt auf Englisch. Überraschend kraftvoll und gar nicht verstaubt klingt das, die Stimme hart, die Bässe vibrieren, Melancholie schwingt dazwischen durch.

Mit Kopf aus dem Fenster kommt der Blues dazu, den sie als deutschsprachige Band perfektionieren, wie keine anderen. Auch sie haben Cowboys im Gepäck, fröhliche allerdings, die mit liebenswürdiger Depression „Nimm den Fuss von der Bremse, ich muss ins Bett“ sich einfordern. Auch „ganz egal, woran ich denke, am Ende denk ich immer nur an Dich.“ kann man immer wieder hören, den fabulierenden Unsinn davor inbegriffen, und wird es nie leid.

Die Präsenz Sven Regener ist überragend, ein Kerl wie ein Baum. Auch die anderen Musiker wirken so, der Schlagzeuger hat ein Glas Orangensaft neben sich stehen, dass bei allem Körpereinsatz nicht ins schwanken kommt. Gern hört man auch den kernigen Ansagen des Sängers zu, alle zwei Sätze kommt ein „Guten Abend, wir sind Element of Crime aus Berlin“ mit dem berühmten süffisanten Grinsen. „Das ist hier so ne Fernsehsache, dann fragen sich die Leute, wer ist das eigentlich, nee, nicht mit uns!“ Das Publikum amüsiert sich wie Bolle und singt dann wieder leise mit. Bei „Der liebe Gott liebt Dich und wenn nicht, dann bin ich noch da.“ mit fröhlich depressivenTrompetensoli, einem melancholischeren „Ich hab nicht darum gebeten, dich wiederzusehen.“ Regeners rauchigen „Death kills“, dem verzweifelt düsteren Teenagersong „Jetzt musst Du Springen!“

Als Zugaben gab es unter anderem das traurig schöne Weisses Papier und die nachdenkliche Kritik von Michaela sagt. Bevor mit dem wunderbar melancholischen Über Nacht kamen die Wolken das Publikum in die kühle Herbstnacht entlassen wurde.

Eins steht fest, Wowi ist ein kluger Mann.

Die AVO-Session dauern noch bis zum 14. November.

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