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11. November 2010, 09:15 Politik

Grundrechte für Dummies

students Redaktion - Raser, Dealer, Vergewaltiger, Sozialschmarotzer – alles Ausländer! Alle kriminell! Es ist beängstigend wie in den letzten Jahren in der Schweiz eine Stimmung gefördert wurde, welche immer mehr Keile in die Gesellschaft treibt. Die Eidgenössische Volksinitiative „Für die...

Raser, Dealer, Vergewaltiger, Sozialschmarotzer – alles Ausländer! Alle kriminell! Es ist beängstigend wie in den letzten Jahren in der Schweiz eine Stimmung gefördert wurde, welche immer mehr Keile in die Gesellschaft treibt. Die Eidgenössische Volksinitiative „Für die Ausschaffung krimineller Ausländer“ über die am 28. November zur Abstimmung kommt ist bestes Beispiel für diese Symbolpolitik welche mit Vorurteilen und Scheinlösungen Probleme zu lösen versucht.

Während bestimmte schwere Verbrechen in der Initiative unerwähnt bleiben (Steuerbetrug ist ja ein Kavaliersdelikt…), sollen auch kleine Drogenvergehen, Einbrüche und der schwer definierbare „Missbrauch“ von Sozialleistungen zur Ausweisung führen. Es braucht schon Fantasie, um Sozialhilfemissbrauch im gleichen Atemzug zu nennen wie Mord und Vergewaltigung. Mit dem dazukommenden Automatismus wollen die Initianten eine Einzelfallprüfung durch den Richter verhindern. Entscheidend für eine Ausweisung gemäss Initiative ist alleine, ob ein Ausländer ein bestimmtes Delikt begangen hat. Wie schwer seine Schuld wiegt spielt keine Rolle. Ebenso wenig, ob er hier geboren wurde und wie gut er integriert ist. Damit wird die Verhältnismässigkeit, grundlegendes Gebot rechtsstaatlichen Handelns, mit Füssen getreten.

Die Initiative missachtet zudem Grundsätze unserer Verfassung sowie zwingende völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz: So soll eine Person gemäss Wortlaut der Initiative auch dann ausgewiesen werden, wenn ihr im Herkunftsland Folter oder Verfolgung drohen. Das sog. Non-Refoulement-Gebot, welches in der Bundesverfassung und in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert ist würde so verletzt.

Aber auch das Personenfreizügigkeitsabkommen mit der EU, auf Zweidrittel der in der Schweiz lebenden Ausländerinnen und Ausländer anwendbar, könnte nicht mehr eingehalten werden. Förderlich für unsere Verhandlungsposition gegenüber der EU wäre dies sicherlich nicht.

Die Schweiz befindet sich also keineswegs auf einer juristischen Insel, wie dies die Initianten zu glauben scheinen. Fundamentale Regeln und Grundprinzipien bestimmen die internationale Ordnung und die rechtsstaatlichen Strukturen der Schweiz. Diese bilden auch für die direkte Demokratie eine zwingende Grenze der Gestaltungsfreiheit.

Die Ausschaffungsinitiative ist eine einfach präsentierte Lösung, welche in keiner Art und Weise Probleme löst, sondern neue schafft, welche für die Schweiz gravierende politische Konsequenzen mit sich bringen kann. Wer meint, man könne mit Annahme der Ausschaffungsinitiative ein Zeichen gegen Kriminalität setzen, verkennt die Komplexität gesellschaftlicher Probleme und vergisst, dass hinter dieser gefährlichen Initiative nunmehr keine Türme stehen, sondern Menschen.

Wer trotz gut funktionierender aktueller Rechtslage ein Zeichen setzen will, dann bitte mit Annahme des Gegenvorschlages. Denn nur dieser berücksichtigt die fundamentalen Grund- und Freiheitsrechte, welche unseren Rechtsstaat ausmachen.

Diego Bigger (23) studiert im 9. Semester Rechtswissenschaften an der Universität Fribourg. Von 2005 – 2009 engagierte er sich in der Eidg. Jugendsession. Seit Mai 2010 präsidiert er die JUSO Kanton Bern.

www.juso.ch
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