Interview mit Baby Genius: „Durcheinander hat zum Album gepasst“
Patrick Holenstein - Das Debüt des Luzerners Ivo Amarilli, alias Baby Genius, hat vor zwei Jahren für Furore gesorgt. Jetzt folgt mit Razzmatazz das zweite Album. Students hat Ivo zum Interview getroffen und ihn gefragt, wie man denn zum Internet-Hype wird und wie gross der Druck, den Erfolg des Er...
Laut Suisa warst du 2008 der erste Internet-Hype der Schweiz. Was war damals los?
Ich wurde damals von 78s.ch, einem Schweizer Musikblog, angefragt, ob ich etwas mit ihnen machen möchte. Sie haben mein erstes Album gehört, bevor es erschienen ist, fanden es cool und wollten daraus einen Internet-Hype machen. Es sollte quasi ein Experiment sein. Sie hatten dann die Idee, dass ich Covers von Chartsongs einspielen soll. Zum Beispiel war Rihanna dabei. Also habe ich diese Songs in meinem Stil aufgenommen und Videos dazu gedreht, die wir dann ins Netz gestellt haben. Daraufhin hat die Sache eine gewisse Eigendynamik angenommen, ich wurde plötzlich ein Thema in den Medien und als später das Album herauskam, haben alle darüber geschrieben. Man sagt jetzt, dass dies aufgrund der Videos passiert ist. So etwas hat zuvor offenbar noch nie jemand gemacht und so ist das entstanden.
Ähnliches habt ihr auch jetzt wieder gemacht. Du hast den Bonustrack von Razzmatazz, Everybody Knows, vorgängig im Netz veröffentlicht und die User mit dem Elektrobeat etwas verschreckt.
Ich hatte diesen Song fertig. Entstanden ist er, als ich bei mir zuhause im Schlafzimmer ein neues Programm ausprobiert habe. Alle anderen Songs wurden im Studio aufgenommen, aber diesen habe ich nur aus Spass zuhause gemacht. Irgendwann dachte ich mir, dass der Song ja gar nicht so „Scheisse“ sei. Also haben wir entschieden, dass er auf das Album kommt. Dann kam die Idee, dass wir wieder eine ähnliche Videoaktion starten könnten wie beim ersten Album. Wir haben also das Video gedreht und wollten tatsächlich die Leute ein wenig verwirren.
Everybody Knows hast du zuhause aufgenommen. Wie schreibst du denn generell deine Songs?
Das passiert meist spontan. Dann schnappe ich mir die Gitarre und spiele ein bisschen darauf. Plötzlich merke ich meist, dass eine Idee gut klingt und dann arbeite ich sie so weit aus, dass ich zumindest eine Strophe und den Refrain habe. Dann nehme ich das Ganze mit dem Computer zuhause auf, lass die Rohfassung danach aber eine Weile stehen. Später bastle ich meist noch ein sehr primitives Schlagzeug ein. Wenn ich finde, dass es gut genug ist, dann bringe ich das Material in den Proberaum und wir arbeiten den Song dann als Band fertig aus.
Dein erstes Album war sehr erfolgreich. Wie gross war der Druck, diesen Erfolg zu bestätigen?
Ich sage mal so, schlafen konnte ich noch, weil ich mir selbst nicht einen zu grossen Druck gemacht habe. Beim ersten Album habe ich einfach mal drauf los gearbeitet und jetzt, mit der Erfahrung, mit den vielen Konzerten, die wir gespielt haben, habe ich erst begriffen, was gut, was vielleicht nicht so gut war, und was man noch besser machen könnte. Logischerweise habe ich sehr schnell das Business und auch das Musikmachen besser kennengelernt und wusste, was ich beim zweiten Album anders machen wollte. Das sind sehr viele Dinge, aber dadurch war ich mir irgendwie sicher, dass es kein Problem werden würde, das erste Album zu toppen.
Wieso hast du Razzmatazz als Albumtitel gewählt?
Das heisst übersetzt Durcheinander. Es ist ein Song auf dem Album, der so heisst, weil der Titel für das Stück gepasst hat. Aber ich fand das Wort auch lustig, es sieht cool aus, wie oft hat man schon viermal das Z in einem Wort? Aber das Durcheinander hat irgendwie auch zum Rest des Albums gepasst. Also habe ich das Wort als Albumtitel gewählt.
Heute stand in einer Kritik, dass dein Song „Next Stop: Life“, eine Hymne sei, die die Kraft hätte, Interpol-Fans mit Keane-Anhängern zu vereinen. Der gleiche Journalist bezeichnet dein erstes Album als voller Melodien, wie sie die Beatles schreiben würden. Was sind für dich wichtige Bands? Natürlich sind die Beatles wichtig. Ich glaube, zum einen haben sie mich beeinflusst, andererseits aber auch all die Bands, die mich später beeinflusst haben. Bei ihnen ist irgendwie der Ursprung. Aber ich könnte dir nicht zwei Bands nennen, die mich besonders geprägt haben. Es ist doch normal, dass man die Musik, die man hört, in sich aufnimmt und dass man davon automatisch beeinflusst wird, wenn man selbst Musik macht. Sicherlich bin ich geprägt von der Britpop-Phase, Ende der 90er, anfangs 2000 und dort natürlich besonders von Blur und Oasis. Also kann ich dir offenbar doch zwei Bands nennen, die mich beeinflusst haben.
Du hast im Vorprogramm von Robert Francis gespielt. Wie hat das Publikum denn auf das neue Material reagiert?
Sehr gut. Wir haben ja seit zwei Jahren keine Konzerte mehr gespielt und waren nur schon nervös, weil wir wieder einmal auf der Bühne stehen konnten. Es hat aber sehr grossen Spass gemacht. Wir sind live, als Band, viel besser parat als beim ersten Album, wo wir einfach drauf los gespielt haben. Dieses Mal waren wir schon abgeklärter. Ich denke, den Leuten hat es gefallen. Irgendwie ist es uns gelungen, dass die Menschen, die wegen Robert Francis in die Härterei gekommen sind, auch unser Konzert gehört haben.
Das Album Razzmatazz ist im Handel bei CEDE oder im iTunes-Store erhältlich.
Baby Genius live:
- 09.12.10 Longstreet Zürich (Eintritt frei!!)
- 10.12.10 Schüür Luzern (Plattentaufe)
- 23.12.10 Primetimeshow Basel
- 15.01.11 Fabriggli Buchs
- 05.02.11 KIFF Aarau
- 12.02.11 Cafe de la fonderie Fribourg
- 19.02.11 Chrämerhuus Langenthal
- 12.03.11 Merkker Baden
Weitere Infos zu Baby Genius gibt es auf der Homepage.
Fotos von Herbert Zimmermann