Schweizer Videokunst der 70er und 80er Jahre. Eine Rekonstruktion
Flachbildschirme, DVD und Beamer – dagegen wirken Videobänder, die in einem dunklen Winkel im Schrank lagernd den Jahrtausendwechsel überstanden haben, wie Relikte aus längst vergangenen Zeiten und warten nur darauf, endgültig von der immer umfangreicher werdenden DVD-Sammlung verdrängt zu werden. Trotz aller Euphorie um die ständigen Weiterentwicklungen im Bereich der Medientechnologien, die zu immer fantastischeren Unterhaltungserlebnissen beitragen, tauchen die Probleme an ganz anderen Orten auf.
Titelbild: Silvie & Chérif Defraoui, La traverse du siècle II, 1988, Videoinstallation.
Wollen Museen ältere Videoarbeiten von Künstlern zeigen, sehen sie sich mit erheblichen Problemen konfrontiert. Nicht nur schlecht gelagertes und gealtertes Videomaterial macht zu schaffen, sondern auch die fehlenden Präsentationsapparate und die immer schwerer zu beschaffenden Ersatzteile dafür. Dabei wird hier über künstlerische Umsetzungen gesprochen, die keine 50 Jahre alt sind. Die aus kunsthistorischer Sicht junge Gattung der Videokunst musste sich erst etablieren. Vielfach wurden in den Anfängen Videos für kurze Zeit installiert und interessierten nach dem Abbau der Ausstellung nicht mehr weiter. Das damals fehlende Interesse am bewegten Bild in der Kunst erklärt auch die – wenn überhaupt vorhandene – spärliche Dokumentation früher Werke.
Eric Lanz, Videostill aus G/Gorgones, 1985.
Um dieser Problematik entgegenzuwirken, haben AktiveArchive (ein Kooperationsprojekt der Hochschule der Künste Bern, des Schweizerischen Instituts für Kunstwissenschaft Zürich und des Bundesamts für Kultur zur dokumentarischen Erfassung, Aufbewahrung und Erhaltung von Medienkunst) Anstrengungen unternommen, das bislang nicht untersuchte Feld der Anfänge der Schweizer Videokunst aufzubereiten. Im interdisziplinären Projektteam wurden Schlüsselwerke restauratorisch wie kunsthistorisch bearbeitet. Die alten Bänder wurden restauriert und digital auf DVD archiviert, womit die Daten zumindest bis in unsere Tage herübergerettet sind. In aufwendigen Einzelrecherchen wurden zu den Werken Informationen zusammengesucht und mit den Künstlern Gespräche geführt. Obwohl die Auswertung noch nicht abgeschlossen ist, werden die bisherigen Ergebnisse als Sammlung historisch wichtiger Werke der Schweizer Videokunst zwischen 1970 und 1990 in den Räumlichkeiten des Kunstmuseums Luzern präsentiert.
Hannes Vogel, Lichthof, 1984, Videoinstallation.
Ein Rundgang durch die von Johannes Gfeller (HKB) und Irene Schubiger (SIK) kuratierte Ausstellung ist nicht nur aus der Perspektive der Kunst interessant, sondern bietet zugleich eine Ansammlung historischer Apparate. Oftmals haben die Künstler das Zeigegerät als festen Bestandteil in ihr Kunstwerk integriert. Mit dem Video im Kasten war der kreative Umgang des Künstlers mit dem Medium also nicht beendet. Ebenso zum Arbeitsprozess gehörte die Konzeption der Präsentation, wodurch richtiggehende Installationen entstanden sind. Würden diese Videos bedenkenlos auf heutigen Fernsehapparaten abgespielt werden, wäre die Wirkung dieser Kunstwerke verloren oder zumindest eine ganz andere. Gerade die Bemühungen, möglichst die ursprüngliche Präsentationsform wiederherzustellen, sorgen für die Lebendigkeit der Ausstellung. Zum Erlebnis wird die Ausstellung nicht nur aufgrund der vielfältigen Präsentationsformen und der altertümlichen Geräte – Witziges oder Paradoxes in den Werken bringt die Besucher zum Schmunzeln. So filmt Gérald Minkoffs Kamera im Spiegel die Rückseite eines Fernsehapparates, was wiederum auf dem Bildschirm desselben Apparates angezeigt wird oder ein Ventilator vor der Mattscheibe bringt Fransen dahinter in Bewegung. Wer sich auf die Suche macht, findet in den Ausstellungsräumlichkeiten zu den Überwachungsmonitoren aus Karton die zugehörigen Kameras aus demselben Material.