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24. November 2010, 02:00 Kultur

„Dornröschen oder Das Märchen vom Erwachen“ im Schauspielhaus

Gregor Schenker -

Zauberhaftes spielt sich ab auf der Bühne des Schauspielhauses Zürich: Philippe Besson inszeniert mit viel Schwung eines der schönsten Märchen der Gebrüder Grimm, nach einer clever modernisierten Fassung von Katharina Schlender – und so überrascht uns ein „Dornröschen“, das ganz ungewohnte Themen aufgreift und nicht nur die Kleinen zu begeistern vermag. Students.ch, bereits bei den Proben dabei gewesen, besuchte die Premiere.

Schlimme Krise im Märchenreich: Das Königspaar ist immer noch kinderlos! Die beiden stellen sich aber auch zu blöd an. Edna, die dunkle Fee, kann es nicht mehr mit ansehen, lässt ihren Zauber wirken und tatsächlich: Die Königin bringt eine Tochter zur Welt. Zur grossen Feier sollen auch die dreizehn Feen eingeladen werden – aber es sind nur zwölf goldene Teller da. Übergangen wird ausgerechnet Edna. Ihr Zorn ist also verständlich, allerdings übertreibt sie es etwas, als sie das Kind verflucht: An seinem fünfzehnten Geburtstag soll sich das Mädchen an einer Spindel stechen und daran sterben. Die gute Fee Mabel kann den Fluch jedoch umbiegen und macht aus dem Tod einen hundertjährigen Schlaf.

Fünfzehn Jahre vergehen und Rose, so der Name des Kindes, wächst zu einem unbeschwerten Mädchen heran, das am liebsten mit Martin, dem Sohn des Kochs, herumalbert (sehr zum Missfallen der Eltern). Sie freut sich auf ihren Geburtstag, wundert sich allerdings über das seltsam ängstliche Verhalten ihrer Eltern. Und hat keine Ahnung davon, dass im Verborgenen Edna ihre Ränke schmiedet …

Schlenders Bearbeitung gewinnt dem alten Stoff geschickt neue Seiten ab und macht daraus eine Geschichte übers Erwachsenwerden: Rose (liebenswert staksig: Judith Cuénod) regt sich über ihre unreifen Eltern auf, die vor allem mit sich selbst beschäftigt sind, und ärgert sich über die ungerechten Verbote: Was interessieren sie denn irgendwelche Standesschranken, wenn sie halt den Küchenjungen mag? Als sie dann am Schluss den Prinzen heiraten soll, diesen eitlen Fatzke, ist sie alles andere als begeistert. Das nicht sonderlich feministische Originalmärchen wird gebrochen: Die Prinzessin muss den Prinzen eben nicht heiraten, bloss weil der sie wachgeküsst hat. Das Schönste ist bei alledem das Spiel mit der Sprache: Das Königspaar spricht Hochdeutsch, die bediensteten reden im Dialekt – Rose fühlt sich aber in beiden Klangwelten wohl. Eine tolle Konstellation.
Diese Themen mögen für die kleineren Zuschauer mitunter etwas sehr erwachsen sein (und es gibt definitiv Scherze, die nur die Grossen verstehen werden), aber das schnelle Tempo von Bessons Inszenierung und die vielen kleinen skurrilen Einfälle halten selbst das ungeduldigste Gör bei Laune.

Und dann ist da natürlich noch die 13. Fee: Carolin Conrad (Calvinismus Klein) im Goth-Look ist der heimliche Star des Abends, obwohl (oder gerade weil) sie in ihrer Rolle ziemlich böse sein kann und es bisweilen ganz schön gruselig wird, wenn sie so richtig aufdreht. Dennoch greift sie am Schluss rettend ein, als die Ungerechtigkeit überhand zu nehmen droht. Sie ist nicht einfach eine Bösewichtin, sondern eine faszinierend ambivalente Figur. (Cooler war höchstens noch der riesige Zauberfrosch.)

Das Stück sprüht nicht nur vor Spielfreude, sondern verzückt auch mit visueller Pracht, seien es nur schon der wallende Vorhang, die aufwendigen Kostüme, die knalligen Farben der Beleuchtung, oder das beeindruckende Bühnenbild, das einem Märchenschloss mehr als gerecht wird. Die musikalische Untermalung, Videoprojektionen und bewegliche Kulissen sorgen für eine unheimliche Lebendigkeit. So erlebt man schlussendlich ein „Dornröschen“, das nicht einfach nur ungeheuer unterhaltsam, sondern auch inhaltlich und inszenatorisch erfrischend einfallsreich ist. Ein Stück, das nun wirklich nicht nur für kleine Kinder interessant ist.

Weitere Informationen und die Spieldaten gibt es hier: Dornröschen im Schauspielhaus Zürich

Fotos: Tanja Dorendorf/T+T Fotografie

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