15. Dezember 2010, 16:13 Movie

Elise, eine schöne und überaus elegante Frau (Angelina Jolie) steht in Paris unter ständiger Beobachtung von Scotland Yard und Interpol. Sie soll sie zu ihrem untergetauchten Geliebten Alexander Pearce führen, der einen Gangster um mehr als eine Milliarde erleichtert hat - und nun ausgerechnet wegen Steuerhinterziehung gesucht wird. Er hat also seinen Diebstahl nicht standesgemäss versteuert? Das ist nur das erste Fragezeichen in diesem als Thriller angekündigten Starvehikel, dem ersten Hollywoodfilm von Florian Henckel von Donnersmarck, der vor einigen Jahren den wunderbaren Film Das Leben der Anderen abgeliefert hatte. Aber weiter im Plot: Elise erhält eine Nachricht von Alexander, in der sie aufgefordert wird, den nächsten Zug nach Venedig zu besteigen und dort einen Mann, der Alexander ähnelt auszuwählen, um seine Verfolger auf eine falsche Spur zu führen. (Pearce selbst hat sich einer Gesichtsoperation unterzogen...). Sie nimmt kurzerhand die nächste Métro (und man denkt, was, in einem Couture-Kleid fährt sie Métro, aber das exquisite Kleid übersteht auch die folgende Zugfahrt nach Venedig problemlos). Im Zug setzt sie sich zu dem darob ziemlich verdatterten Touristen Frank (Johnny Depp), einen amerikanischen Mathelehrer, den sie dann auch gleich mit auf ihr luxuriöses Hotelzimmer im Danieli nimmt. Nun sind das zwei sehr grosse Stars, nur entsteht dummerweise so gar keine Chemie zwischen den beiden. Das liegt aber in erster Linie an Depp, der hier ziemlich gedrungen und bieder rüberkommt (obwohl er auch hier eyeliner zu tragen scheint), und nicht als typischer Held. (Cary Grant hat einen ähnlichen Charakter im Hitchcock-Klassiker North by Northwest ungleich aufregender und interessanter gegeben.) Sogar Rufus Sewell hat in seiner Minirolle mehr Leinwandpräsenz. Depp sorgt aber wenigstens für die Lacher im Film, der eher eine Agentenkomödie im Stil von Stanley Donen’s Charade ist. Und es gibt dank ihm wirklich viel zu lachen. (Er scheint übrigens insgeheim Werbung für elektronische Zigaretten zu machen.) Geradezu lahm sind die Actionszenen geraten: Eine Jagd über die Dächer ist alles andere als spannend inszeniert und eine Verfolgungsjagd per Boot wirkt wie ein Bootsausflug; obwohl Jolie immer wieder mal Vollgas gibt, tuckert das Boot eher gemütlich dahin.
Was bei einer derart grossen Hollywood-Kiste auch verwundert, ist wie nachlässig Venedig in Szene gesetzt wird. Unscharfe, uninteressante Luftaufnahmen werden gezeigt. Bei einer Szene tritt Depp auf den Balkon und blickt zur Rialtobrücke rüber, die aber einfach unscharf bleibt. Bei jeder Donna Leon –Verfilmung wird das besser gemacht.
Eigentlich würde man bei den namhaften Drehbuchautoren Christopher McQuarrie (The Usual Suspects) und Julian Fellowes (gerade erst das wunderbare Downton Abbey auf BBC) mehr Klasse erwarten. Schade.

Bewertung: 3,5 von 5

* Titel: The Tourist* Land: USA* Dauer: 103 Min.* Drehbuch: Florian Henckel von Donnersmarck , Christopher McQuarrie, Julian Fellowes* Regie: Florian Henckel von Donnersmarck * Darsteller: : Johnny Depp, Angelina Jolie, Paul Bettany, Timothy Dalton, Steven Berkoff and Rufus Sewell* Verleih: Frenetic Films* Filmstart: 16. Dezember 2010