The Tree
Raphaël Rück - „Ich dachte, Menschen werden als Tiere wiedergeboren, nicht als Pflanzen“ – meint Simone’s Nachbarin verdutzt, „du hast die Geschichte gerade erfunden!
Auf höchst eigenartiger Weise entwickeln Dawn (Charlotte Gainsbourg) und vor allem ihre Kinder Simone (Morgana Davies) und Lou (Tom Russell) eine spirituelle Hinwendung zum Feigenbaum.
Ohne sich wirklich darüber auszutauschen finden sie im Baum eine Art Trost. Der kleine Bub Lou giesst ihn auch heimlich, obwohl das wegen der Dürre und dem rationierten Wasser verboten ist. Der älteste Sohn Tim (Christian Byers), schöpft aus seiner Trauer neue Kraft und ist beflissen wie nie zuvor, während der Jüngste, Charlie, sich mit dem Reden unnatürlich lange Zeit lässt.
Acht Monate nach dem erschütternden Tod sucht Dawn einen Klempner (Marton Csokas) auf, um die von den Baumwurzeln beschädigten Wasserleitungen reparieren zu lassen. Bei ihm findet sie zufällig auch einen Job als Sekretärin und bald – weniger zufällig diesmal – kommt es zum ersten Flirt. Simone leidet unter der Situation bis ihr eines Tages der Baum zu Hilfe kommt: Seine Wurzeln reichen tief in die Erde und drohen das Haus zusammenstürzen zu lassen. Um dem entgegenzuwirken, schlägt Dawns neuer Liebhaber vor ihn zu fällen. Doch wie es scheint, ist die Familie noch nicht soweit und Dawn entscheidet sich für ihre Tochter und gegen ihren neuen Lover.
Julie Bertuccelli schreckt nicht vor dem Unbekannten zurück. Schon in ihrer ersten Fiktion, SINCE OTAR LEFT, wagte sich die Französin auf fremdes Terrain. Und das scheint ihr zu gelingen: In THE TREE wird die überwältigende Macht der australischen Natur auf grandiose Weise wiedergeben. Noch nie hat man einen Baum derart schön gefilmt gesehen!
Im Film entwickelt sich ein wahrer Kult der Natur, der sich in diesem Land der Naturwunder fast von selbst ergibt, möchte man Sagen. Der mächtige Baum wird schliesslich auch von Mutter Natur höchstpersönlich niedergerissen...
Die Besetzung kann man nur loben. Charlotte Gainsbourg beweist ein besonderes Gespür für tiefgründiges Arthouse-Kino. Man erinnere sich an ANTICHRIST von Lars von Triers indem sie die anspruchsvolle Rolle einer trauernden Mutter spielte. Schon damals überzeugte sie durch ihre Melancholie und Zerbrechlichkeit auf der einen Seite und auf der anderen durch die ungeheuren Kräfte, die sie entfesseln kann. Das Spiel der Kinder ist makellos und Simone wird von der Schauspielerdebütantin Morgana Davies verblüffend glaubwürdig interpretiert.
Bewertung: 4.5 von 5
- Dauer: 92 Minuten
- Regie: Julie Bertuccelli
- Darsteller: Charlotte Gainsbourg
- Kinostart: 10. März 2011