Shots no. 25: Englisch ist Klasse
Dominik Mösching - Ob man in der Schweiz denn nicht Englisch spreche, wollte die Vermieterin wissen, als ich die Wohnung besichtigte und ihr partout nur auf Spanisch antwortete. Sie hatte sich schon gefreut, ihr Sprachschulenglisch auch einmal im Alltag anzuwenden.
„Doch, doch“, erwiderte ich schulterzuckend, Englisch sei halt die funktionale Sprache globaler Verständigung, zu der manchmal auch gegriffen werde, wenn sich Romands und Deutschschweizer unterhalten möchten. In Argentinien hingegen bedeutet Englisch mehr. Wie wohl überall in Lateinamerika verweist die Sprache zunächst automatisch auf die USA und steht damit stellvertretend für das schreiend ambivalente Verhältnis zwischen dem Big Brother im Norden und seinen südlichen Hermanos. Schlendert ein breitbeiniger Trupp lautsprecherischer Gringos durch die Strassen, ist das kollektive Nasenrümpfen programmiert. Deren Selbstbezeichnung als American ist im Restkontinent, der ja dann offensichtlich nicht zu Amerika gehört, eine Garantie für unfreundlichste Bedienung und böse Blicke.
Doch besonders für Mitglieder der wohlhabenderen Schichten wie meine Vermieterin, die wie viele ihrer Freundinnen einige Apartments besitzt und die Mieten im (hier noch) harten Dollar einkassiert, verheissen die USA eben auch Wohlstand und Freiheit. Wer schon einmal dort war, erwähnt dies überaus gern – und natürlich am liebsten in Englisch. Doch bei 50 Millionen Latinos in den Vereinigten Staaten ist Spanisch dort längst Zweitsprache geworden. Die Hispanisierung der USA bewirkt gleichzeitig einen noch stärkeren Einfluss Nordamerikas im Süden: Mit Miami, 70 Prozent spanischsprachig, befindet sich eine der kulturellen und medialen Hauptstädte Lateinamerikas in den USA. CNN Español sendet aus Atlanta und bringt das US-Weltbild in die Stuben von Ciudad de México, Bogotá und Buenos Aires.
Momentan steht der Sender ganz im Zeichen der Vermählung von „Guillermo“ und Kate in London und reflektiert die kindliche Freude der US-Amerikaner an ihren schrulligen Cousins von der Insel ganz trefflich. Dem CNN-Kitsch über La Boda Real („adelige Hochzeit“) stehen die Reportagen auf Telesur diametral entgegen. Unter dem Motto La Cobertura Real („die reale Berichterstattung“) berichtet der Chávez-nahe Kanal über die hohe Jugendarbeitslosigkeit und die wirtschaftlichen Probleme im Königreich – durchaus informativ und nicht so verzerrt wie des Senders tendenziöse Beiträge zum Krieg von Hugos Freund Gaddafi. Doch wie die Briten in den Medien auch immer dargestellt werden, in Argentinien sind sie seit der Guerra de las Malvinas sowieso total unten durch. Die südatlantische Inselgruppe, um die sich 1982 Argentinien und Thatchers Grossbritannien bekriegten, wird in Europa übrigens meist als Falkland Islands bezeichnet.
Falkland. Das ist hier noch um Längen schlimmer als I’m American. Klassenübergreifend. Da kannst du nicht einmal mehr auf Ambivalenzen hoffen.
Maradona-Wandbild in La Boca: Die Hand Gottes im denkwürdigen WM-Viertelfinal 1986 gegen England war so etwas wie die späte Revanche für die Malvinas.
Gigantisches Werbeplakat in der Sprache der Wünsche.
Bisherige Shots From the Road findest du hier.