Reisen (2): Auf Tessiner Pfaden
christian zweifel - Endlich, geschafft: Die letzten Häuser liegen hinter mir, jetzt ist da keine Menschenseele mehr. Unten im Tal summen melancholisch die Kirchenglocken, sonst ist es still. Sanft umspielt der Südföhn die Kastanienbäume, deren Äste im Wind auf und ab schaukeln...
Mitten im Wald treffe ich auf ein Gerippe zusammengewürfelter Steinbauten. Einsam und verlassen stehen die Grundmauern da, die heute nur noch von Eidechsen, Salamandern oder kleinen Schlangen bewohnt werden. Weiss Gott, wozu diese Siedlungen fernab der Zivilisation einst einmal gedient haben, ihre Existenz ist längst vergessen gegangen. Nur in den Geschichtsbüchern findet sich hie und da noch eine Erwähnung, aber man darf zweifeln, ob sich das wirklich so zugetragen hat. Die historischen Eigenheiten des Südkantons sind bislang leider wenig erforscht worden, aber dass soll sich ja nun ändern.
Nach zwei Stunden ist die Corona dei Pinci erreicht. Trotz ihrer geringen Höhe von knapp tausend Metern werden die körperlichen Anstrengungen mit einer wundervollen Sicht auf den Langensee belohnt, in dessen kühles Nass ich jetzt am liebsten eintauchen würde. Sonst aber ist da nicht viel, ein hölzernes Kreuz und Ziegenkot, von den Ziegen selbst ist ausser ihren Hinterlassenschaften nichts zu sehen.
Es fällt mir schwer, mich von diesem Ort der Einkehr zu verabschieden und tröste mich mit Kurt Tucholsky: “Wenns am schönsten ist, soll man aufhören“.