8. August 2011, 11:29
Festivals
International
Soundwave Croatia!
students Redaktion - Soundwave Croatia oder der wahr gewordene Festivaltraum! Wo kann man den ganzen Tag mit Flipflops und Badehose rumtigern, mit den Füssen im adriatischen Meer und einem Bierchen in der Hand zu erlesenen Tunes von der Crème de la Crème der englischen DJ-Szene tanzen?
(nahaufnahmen.ch berichtet schamlos unkritisch vom wohl besten Festival der Welt)
An welchem Festival sitzt Headliner Andreya Triana gemütlich mit einer Zeitung unter einer Pinie und geniesst die Aussicht ohne dabei gestört zu werden? Wo sonst sieht man Headliner Bonobo mit seiner Freundin wie ein Tourist durchs Fischerdörfchen schlendern? Am Soundwave Festival, Petrcane, Kroatien.
Wer sich auf der Website des Soundwave Festivals umsieht, der bekommt schnell das Gefühl, dass dies entweder das mit Abstand beste Festival werden könnte, welches man je besucht hat oder aber, dass irgendwo ein Haken dran sein muss. Mit turmhohen Erwartungen steigt man ins Auto, kommt nach 12 Stunden Fahrt in Petrcane an und nach drei Tagen Soundwave weiss man: Es ist mit Abstand das BESTE FESTIVAL, das man je besucht hat.
Aber von vorne. Da wäre fürs Erste die Festival-Location. Unschlagbar gelegen an der Spitze einer kleinen Halbinsel, umgeben vom adriatischen Meer und mit schattenspendenden Pinien bewachsen, ist das eigentliche Gelände eher klein und überschaubar. Neben der Openair Bühne für die Konzerte hat es die Beach Terrace und die kleinere Forest Stage im Pinienwald. Die Beach Terrace ist ein Tanzdeck, das direkt ans Meer gebaut wurde und vor welchem sich eine kleine Steinterrasse erstreckt, von der man wahlweise direkt ins Meer springen oder aber sich die Füsse beim Tanzen von den ankommenden Wellen abkühlen lassen kann. Tönt übertrieben gut? Genauso so fühlt es sich auch an. Die ganze Terrasse ist so ausgerichtet, dass die tanzfreudigen Gäste natürlich auch einen unverstellten Blick auf die untergehende Sonne haben, welche, man ahnt es schon, natürlich direkt vor einem im Meer versinkt. Man möchte sein Glück rausschreien ob der Schönheit dieses Ortes. Und ist dabei noch nicht einmal bei der Musik angelangt.
Andreya zum Sonnenuntergang, Bonobo unterm Sternenhimmel
Während am Nachmittag verschiedene DJs für einen perfekten Einstieg auf der Beach Terrace und der Openair Bühne sorgen, betritt mit Submotion Orchestra bald das erste grosse Highlight die Bühne. Die siebenköpfige Truppe aus Leeds hat sich innert knapp 2 Jahren eine stetig wachsende Fanbasis erspielt, so dass es nun das erste Mal eng und laut wird vor der Bühne. Die bezaubernde Ruby Wood legt ihre Stimme über den Soundteppich der Band, welcher tief in Soul, Funk und Jazz wurzelt, aber angereichert durch eine Prise Dubstep und Electronica den Schritt ins 21. Jahrhundert ebenso spielend vollzieht. Wunderschön ist das Ganze. Verschnaufpausen gibt es am Soundwave keine, denn danach steht mit Andreya Triana schon das nächste Schmuckstück auf der Bühne. Umhüllt vom goldenen Abendlicht, mit dem glitzernden Meer hinter sich, glaubt man sich mehr in einem Traum denn an einem Openair. Dieses weisse Kleid, die wehenden dunklen Locken, diese Stimme! Sie steht zum dritten Mal in Petrcane auf der Bühne und verzaubert das Publikum auch heuer wieder mit dem ersten Ton. Egal ob sie die souligen Stücke von ihrem Debütalbum „Lost where I belong“ spielt (produziert von niemand geringerem als Bonobo) oder eine Coverversion von Eurythmics „Sweet Dreams“ anstimmt, diese Frau hat Charisma und Stil. Und das Beste war, dass man sie im Doppelpack haben konnte. Denn kaum war ihr eigenes Konzert vorbei, stand sie schon wieder auf der Bühne um Bonobos Songperlen „The Keeper“, „Stay the same“ und „Eyesdown“ den letzten Glanz zu verleihen. Und welch grossartige Momente schenkte uns Simon Green. Es war nun Nacht geworden, die Szenerie mit Hauptbühne, Pinien, Meer und Sternenhimmel war an sich schon schwer zu toppen, da wollte sich auch Bonobo mit Band keine Blösse geben. Es ist schlicht ein Privileg diesem Mann und seinen fantastischen Mitmusikern bei ihrem Handwerk zuzuschauen. Das neue Album „Black Sands“ steht klar im Mittelpunkt des Auftritts, hin und wieder angereichert durch älteres Material. Musik zum Träumen, zum Tanzen, zum Sich-treiben-lassen. Man wünscht sich, dass sie ewig weiter spielen. Als Bonobo für den letzten Song „In between lines“ neben Andreya Triana auch noch Ruby Wood von Submotion Orchestra auf die Bühne bittet und die beiden Damen ein hinreissendes Duett aufs Parkett legen, gibt’s im Publikum kein Halten mehr. Die Ovationen branden Richtung Bühne und hinaus in die sternenklare Nacht.
Bonobo zum Zweiten und ein grossartiger kleiner Drachen
Zeit zum Erholen bleibt am nächsten Tag nicht viel, denn Nachmittags um 13:30 steht schon das Partyboot bereit. Eine simple aber bestechende Idee, (allerdings für einen Zusatzpreis von 15 £ für Nichtjournis) die sich grosser Beliebtheit erfreut. Ein alter Holzkahn wird dabei flugs mit 2 Plattenspielern, monströsen Boxen, diversen DJs und einer Bar ausgerüstet und los geht’s. So tuckert das Boot während vier Stunden gemütlich der malerischen kroatischen Küste entlang, es wird auf dem Sonnendeck relaxt oder ausgelassen getanzt und die Grenze zwischen Artist, Veranstalter und Festivalbesucher ist aufgrund der Enge bald nicht mehr vorhanden. Bonobo gibt sich erneut die Ehre und beweist wie gut er auch als DJ eine Crowd zu rocken vermag. Mit ihm sorgen DOP, Kutmah und Cheeba für eine aufregende Reise ohne Scheuklappen vor den Genregrenzen. HipHop, Dubstep, D’n’B, Reggae, Funk und Soul vom Feinsten wird häppchenweise von den Zeremonienmeistern serviert und tanzend, lachend und springend vom dankbaren Partyvolk aufgenommen. Rechtzeitig zum Sonnenuntergang lädt die Crew der Argonaut („Croatian Pirates. The Fear of the Adriatic Sea“) seine Fracht aus und leicht schwankend macht man sich auf zur Beach Terrace. Ein Mojito zur Erfrischung, die Füsse im Wasser und Bill Withers „lovely day“ aus den Lautsprechern während langsam die Sonne im Meer versinkt? So enden hier die Tage und beginnen die langen Nächte. Die schwedischen High School Freunde Little Dragon sorgen für den Einstieg in die Nacht und den unbestrittenen Live-Höhepunkts des Samstags. Angeführt von der betörenden Sängerin und Perkussionistin Yukumi Nagano präsentieren die Electro-Souler aus dem hohen Norden ihre neue Scheibe „Ritual Union“. „Dirtier and more direct“ wie sie selber sagen, geht das neue Album mehr in die Beine als seine Vorgänger, dennoch bleibt genug Zeit für träumerische und sphärische Momente, besonders schön „Feather“ aus dem Vorgängeralbum „Machine Dreams“. Die beleuchteten Baumkronen vor und hinter der Bühne und der Sternenhimmel darüber sorgen erneut für die perfekte Hintergrundkulisse. Ein weiteres magisches Konzert in einer lauen kroatischen Sommernacht. Nach eineinviertel Stunden reiht man sich gerne in der langen Reihe von verliebten Bewunderern der asiatischen Schönheit ein, die von Gilles Peterson über Flying Lotus und Raphael Saadiq bis hin zu Roots Drummer ?uestlove reicht.
Barbarella Disco vs. Magic Forest
Aus Respekt vor den Anwohnern von Petrcane und wohl auch den Hotelgästen auf der Halbinsel wird um Punkt 01:00 die Openair Party von draussen in die Barbarella Disco verschoben. Im kleinen Schmuckstück, offensichtlich in den 70er Jahren stehen geblieben, wird jede Nacht zum finalen Tanz geladen. Leider haben von den 3000 Festivalbesuchern nur 600 Platz in der Disco, so dass nur die Frühaufsteher (oder jene, die gar nicht erst zu Bett gingen), welche am Infostand den Gratiseintritt holten, Einlass finden. Dubstep oder Oldschool HipHop, Jimi Hendrix oder ein Schuss Disco, D’n’B oder doch lieber Funk? Auch hier gibt’s Tanzmusik jeglicher Couleur und sie sorgt für euphorisch ausgelassene Stimmung. Leider aber wird es im vollen Club bald unerträglich heiss. Doch auch hierfür gibt es eine Lösung. Nicht weit vom Festivalgelände entfernt befindet sich nämlich der „Magic Forest“. Von den gastfreundliches Locals so genannt, lockt der magische Wald zum illegalen Tanz unter freiem Himmel. Der Clubsauna kann man so elegant ausweichen. Ein kurzer, abenteuerlicher Spaziergang dem felsigen Ufer entlang, und schon erreicht man ein alternative Outdoor-Disco wie es schöner nicht sein könnte. Während in Zürich unter Autobahnbrücken illegal gefeiert wird, haben sich hier ein paar Kroaten aus Zadar ihr kleines Waldparadies erschaffen. Bar, Soundsystem (wenn denn der Generator funktioniert) und Holzterrassen zum Tanzen über dem Wasser, so feiert man die Feste in Kroatien. Eine willkommene Alternative für all diejenigen, welche sich nicht daran stören, das eine oder andere amüsante Gespräch mit englischen oder kroatischen Druffis zu führen.
Sturmwarnung und fulminanter Schlusspunkt
Schon am frühen Nachmittag lauern dunkle Wolken am Horizont, kräftiger Wind zieht auf, das Meer zischt und schäumt, man bereitet sich auf einen stürmischen letzten Festivaltag vor. Unbeirrt ob dieser Widrigkeiten spielt überraschend Zero 7 auf der Beach Terrace sein zweites und ungeplantes Festivalset und haut den stetig tanzwilligen Festivalgängern ein DJ-Set um die Ohren, das es in sich hat. Die nächste aufregende Reise durch diverse Musikstile, immer schön verwurzelt in der englischen Bassmusik. Leider vermag auch dies den ankommenden Sturm nicht aufzuhalten. Bald regnet es in Strömen und an weitere DJ-Sets oder gar Live-Musik im Freien ist aus Sicherheitsgründen nicht mehr zu denken. Gegen Abend beruhigt sich das Wetter wieder, das Publikum aber bleibt alles andere als ruhig, als das englische HipHop Urgestein Roots Manuva gegen Mitternacht die Bühne entert. Wie sehr britische Musikfans auf Bässe und ausgeflippte Beats stehen, wird auch hier wieder schnell klar. Schon bei den ersten verzerrten Tönen von „Witness“ geht ein Jubelschrei durchs Publikum, als dann der Beat einsetzt, dreht die Menge vollends durch. Trotz langen Tagen und Nächten brodelt es noch einmal gewaltig vor der Bühne und Roots Manuva setzen einen energetischen und würdigen Schlusspunkt des Festivals.
Made in UK
Am Anfang stand eine Idee: „[…] to create a small, boutique festival based around the music that we love. In the most beautiful place possible.“ Diese Idee wurde brillant verwirklicht und nach der dritten ausverkauften Ausgabe von Soundwave Croatia denken die beiden Festivalväter Noah Ball und Rob Waller bereits an einen sanften Ausbau ihrer Festivalperle. Die beiden Konzertpromoter von Soundcrash (Rob Waller, London) und New Bohemia (Noah Ball, Leeds) nutzen ihre exzellenten Kontakte in Englands blühender unabhängiger Musikszene von Ninja Tunes bis Warp, um ihren Traum vom sponsorenunabhängigen Festival zu verwirklichen. Wie Noah in einem kurzen Gespräch während der Boatparty erzählt, ist dies jedoch nur möglich, weil die Artists erheblich tiefere Gagen als üblich akzeptieren. Artists und Promoter kennen sich, man fühlt sich ein bisschen wie eine grosse Familie und es herrscht tatsächlich eine sehr entspannte, ja familiäre Stimmung in Petrcane. Interviewanfragen werden von der höflichen Pressedame freundlich abgelehnt, („nobody really wants to work here, you know? Go grab a beer and have some fun“) und die Reihenfolge der Bands und DJs gibt’s erst am ersten Festivaltag. Zuverlässig ist der Zeitplan ohnehin nicht, was aber wirklich keine Rolle spielt, denn egal wem man zuhört, die gebotene Musik ist stets ein Genuss. Britische Organisation (sogar die für den Anlass gemietete Halbinsel „The Garden“ gehört einem Briten), britische Künstler und für hiesige Verhältnisse britische Eintrittspreise (89 £) sorgen denn auch dafür, dass gefühlte 95% der Besucher von der Insel stammen. Doch keine Angst, es sind nicht die glatzköpfigen, bierbäuchigen Hooligans aus Mallorca, welche ans Soundwave pilgern. Hierher kommen die jungen, musikinteressierten Menschen, die sonst in den Clubs von London, Bristol oder Manchester ihren Lieblingen lauschen. Keine Schlägereien, keine Aggression, man ist lieb zueinander hier. Ist ja auch ein schöner Ort. Klar, auch hier gibt die eine oder andere, die sich vor lauter Trunkenheit nicht mehr selber auf den Beinen halten kann, oder den einen oder anderen Möchtegernrockstar, der mal eben kurz das Bewusstsein verliert. Doch die gibt es an jedem Festival und meist sind ja tatkräftige Freunde zur Stelle um sich darum zu kümmern. Was nach drei intensiven Festivaltagen neben der Schönheit des Ortes am meisten in Erinnerung bleibt, ist zweifelsohne das stetige Berieseln mit ausgezeichneter Musik. Egal welcher Stil, egal ob live auf der Konzertbühne, oder vom DJ auf der Beach Terrace, es wird durchgehend gute Musik gespielt. Ein Festival, das kreative, unabhängige, eigenwillige Musik unterstützt und fördert, fernab von riesigen Sponsoren Logos und Plattenmultis und Lady Gagas. Ein kleines Paradies für den Musikliebhaber. Könnte sein, dass Thomas D vom Soundwave spricht wenn er sagt: „Es gibt nichts zu verbessern, nichts was noch besser wär, außer dir im Jetzt und Hier und dem Tag am Meer.“
Autor: Rico Steinemann
Fotograf: Luka Beluhan
An welchem Festival sitzt Headliner Andreya Triana gemütlich mit einer Zeitung unter einer Pinie und geniesst die Aussicht ohne dabei gestört zu werden? Wo sonst sieht man Headliner Bonobo mit seiner Freundin wie ein Tourist durchs Fischerdörfchen schlendern? Am Soundwave Festival, Petrcane, Kroatien.
Wer sich auf der Website des Soundwave Festivals umsieht, der bekommt schnell das Gefühl, dass dies entweder das mit Abstand beste Festival werden könnte, welches man je besucht hat oder aber, dass irgendwo ein Haken dran sein muss. Mit turmhohen Erwartungen steigt man ins Auto, kommt nach 12 Stunden Fahrt in Petrcane an und nach drei Tagen Soundwave weiss man: Es ist mit Abstand das BESTE FESTIVAL, das man je besucht hat.
Aber von vorne. Da wäre fürs Erste die Festival-Location. Unschlagbar gelegen an der Spitze einer kleinen Halbinsel, umgeben vom adriatischen Meer und mit schattenspendenden Pinien bewachsen, ist das eigentliche Gelände eher klein und überschaubar. Neben der Openair Bühne für die Konzerte hat es die Beach Terrace und die kleinere Forest Stage im Pinienwald. Die Beach Terrace ist ein Tanzdeck, das direkt ans Meer gebaut wurde und vor welchem sich eine kleine Steinterrasse erstreckt, von der man wahlweise direkt ins Meer springen oder aber sich die Füsse beim Tanzen von den ankommenden Wellen abkühlen lassen kann. Tönt übertrieben gut? Genauso so fühlt es sich auch an. Die ganze Terrasse ist so ausgerichtet, dass die tanzfreudigen Gäste natürlich auch einen unverstellten Blick auf die untergehende Sonne haben, welche, man ahnt es schon, natürlich direkt vor einem im Meer versinkt. Man möchte sein Glück rausschreien ob der Schönheit dieses Ortes. Und ist dabei noch nicht einmal bei der Musik angelangt.
Andreya zum Sonnenuntergang, Bonobo unterm Sternenhimmel
Während am Nachmittag verschiedene DJs für einen perfekten Einstieg auf der Beach Terrace und der Openair Bühne sorgen, betritt mit Submotion Orchestra bald das erste grosse Highlight die Bühne. Die siebenköpfige Truppe aus Leeds hat sich innert knapp 2 Jahren eine stetig wachsende Fanbasis erspielt, so dass es nun das erste Mal eng und laut wird vor der Bühne. Die bezaubernde Ruby Wood legt ihre Stimme über den Soundteppich der Band, welcher tief in Soul, Funk und Jazz wurzelt, aber angereichert durch eine Prise Dubstep und Electronica den Schritt ins 21. Jahrhundert ebenso spielend vollzieht. Wunderschön ist das Ganze. Verschnaufpausen gibt es am Soundwave keine, denn danach steht mit Andreya Triana schon das nächste Schmuckstück auf der Bühne. Umhüllt vom goldenen Abendlicht, mit dem glitzernden Meer hinter sich, glaubt man sich mehr in einem Traum denn an einem Openair. Dieses weisse Kleid, die wehenden dunklen Locken, diese Stimme! Sie steht zum dritten Mal in Petrcane auf der Bühne und verzaubert das Publikum auch heuer wieder mit dem ersten Ton. Egal ob sie die souligen Stücke von ihrem Debütalbum „Lost where I belong“ spielt (produziert von niemand geringerem als Bonobo) oder eine Coverversion von Eurythmics „Sweet Dreams“ anstimmt, diese Frau hat Charisma und Stil. Und das Beste war, dass man sie im Doppelpack haben konnte. Denn kaum war ihr eigenes Konzert vorbei, stand sie schon wieder auf der Bühne um Bonobos Songperlen „The Keeper“, „Stay the same“ und „Eyesdown“ den letzten Glanz zu verleihen. Und welch grossartige Momente schenkte uns Simon Green. Es war nun Nacht geworden, die Szenerie mit Hauptbühne, Pinien, Meer und Sternenhimmel war an sich schon schwer zu toppen, da wollte sich auch Bonobo mit Band keine Blösse geben. Es ist schlicht ein Privileg diesem Mann und seinen fantastischen Mitmusikern bei ihrem Handwerk zuzuschauen. Das neue Album „Black Sands“ steht klar im Mittelpunkt des Auftritts, hin und wieder angereichert durch älteres Material. Musik zum Träumen, zum Tanzen, zum Sich-treiben-lassen. Man wünscht sich, dass sie ewig weiter spielen. Als Bonobo für den letzten Song „In between lines“ neben Andreya Triana auch noch Ruby Wood von Submotion Orchestra auf die Bühne bittet und die beiden Damen ein hinreissendes Duett aufs Parkett legen, gibt’s im Publikum kein Halten mehr. Die Ovationen branden Richtung Bühne und hinaus in die sternenklare Nacht.
Bonobo zum Zweiten und ein grossartiger kleiner Drachen
Zeit zum Erholen bleibt am nächsten Tag nicht viel, denn Nachmittags um 13:30 steht schon das Partyboot bereit. Eine simple aber bestechende Idee, (allerdings für einen Zusatzpreis von 15 £ für Nichtjournis) die sich grosser Beliebtheit erfreut. Ein alter Holzkahn wird dabei flugs mit 2 Plattenspielern, monströsen Boxen, diversen DJs und einer Bar ausgerüstet und los geht’s. So tuckert das Boot während vier Stunden gemütlich der malerischen kroatischen Küste entlang, es wird auf dem Sonnendeck relaxt oder ausgelassen getanzt und die Grenze zwischen Artist, Veranstalter und Festivalbesucher ist aufgrund der Enge bald nicht mehr vorhanden. Bonobo gibt sich erneut die Ehre und beweist wie gut er auch als DJ eine Crowd zu rocken vermag. Mit ihm sorgen DOP, Kutmah und Cheeba für eine aufregende Reise ohne Scheuklappen vor den Genregrenzen. HipHop, Dubstep, D’n’B, Reggae, Funk und Soul vom Feinsten wird häppchenweise von den Zeremonienmeistern serviert und tanzend, lachend und springend vom dankbaren Partyvolk aufgenommen. Rechtzeitig zum Sonnenuntergang lädt die Crew der Argonaut („Croatian Pirates. The Fear of the Adriatic Sea“) seine Fracht aus und leicht schwankend macht man sich auf zur Beach Terrace. Ein Mojito zur Erfrischung, die Füsse im Wasser und Bill Withers „lovely day“ aus den Lautsprechern während langsam die Sonne im Meer versinkt? So enden hier die Tage und beginnen die langen Nächte. Die schwedischen High School Freunde Little Dragon sorgen für den Einstieg in die Nacht und den unbestrittenen Live-Höhepunkts des Samstags. Angeführt von der betörenden Sängerin und Perkussionistin Yukumi Nagano präsentieren die Electro-Souler aus dem hohen Norden ihre neue Scheibe „Ritual Union“. „Dirtier and more direct“ wie sie selber sagen, geht das neue Album mehr in die Beine als seine Vorgänger, dennoch bleibt genug Zeit für träumerische und sphärische Momente, besonders schön „Feather“ aus dem Vorgängeralbum „Machine Dreams“. Die beleuchteten Baumkronen vor und hinter der Bühne und der Sternenhimmel darüber sorgen erneut für die perfekte Hintergrundkulisse. Ein weiteres magisches Konzert in einer lauen kroatischen Sommernacht. Nach eineinviertel Stunden reiht man sich gerne in der langen Reihe von verliebten Bewunderern der asiatischen Schönheit ein, die von Gilles Peterson über Flying Lotus und Raphael Saadiq bis hin zu Roots Drummer ?uestlove reicht.
Barbarella Disco vs. Magic Forest
Aus Respekt vor den Anwohnern von Petrcane und wohl auch den Hotelgästen auf der Halbinsel wird um Punkt 01:00 die Openair Party von draussen in die Barbarella Disco verschoben. Im kleinen Schmuckstück, offensichtlich in den 70er Jahren stehen geblieben, wird jede Nacht zum finalen Tanz geladen. Leider haben von den 3000 Festivalbesuchern nur 600 Platz in der Disco, so dass nur die Frühaufsteher (oder jene, die gar nicht erst zu Bett gingen), welche am Infostand den Gratiseintritt holten, Einlass finden. Dubstep oder Oldschool HipHop, Jimi Hendrix oder ein Schuss Disco, D’n’B oder doch lieber Funk? Auch hier gibt’s Tanzmusik jeglicher Couleur und sie sorgt für euphorisch ausgelassene Stimmung. Leider aber wird es im vollen Club bald unerträglich heiss. Doch auch hierfür gibt es eine Lösung. Nicht weit vom Festivalgelände entfernt befindet sich nämlich der „Magic Forest“. Von den gastfreundliches Locals so genannt, lockt der magische Wald zum illegalen Tanz unter freiem Himmel. Der Clubsauna kann man so elegant ausweichen. Ein kurzer, abenteuerlicher Spaziergang dem felsigen Ufer entlang, und schon erreicht man ein alternative Outdoor-Disco wie es schöner nicht sein könnte. Während in Zürich unter Autobahnbrücken illegal gefeiert wird, haben sich hier ein paar Kroaten aus Zadar ihr kleines Waldparadies erschaffen. Bar, Soundsystem (wenn denn der Generator funktioniert) und Holzterrassen zum Tanzen über dem Wasser, so feiert man die Feste in Kroatien. Eine willkommene Alternative für all diejenigen, welche sich nicht daran stören, das eine oder andere amüsante Gespräch mit englischen oder kroatischen Druffis zu führen.
Sturmwarnung und fulminanter Schlusspunkt
Schon am frühen Nachmittag lauern dunkle Wolken am Horizont, kräftiger Wind zieht auf, das Meer zischt und schäumt, man bereitet sich auf einen stürmischen letzten Festivaltag vor. Unbeirrt ob dieser Widrigkeiten spielt überraschend Zero 7 auf der Beach Terrace sein zweites und ungeplantes Festivalset und haut den stetig tanzwilligen Festivalgängern ein DJ-Set um die Ohren, das es in sich hat. Die nächste aufregende Reise durch diverse Musikstile, immer schön verwurzelt in der englischen Bassmusik. Leider vermag auch dies den ankommenden Sturm nicht aufzuhalten. Bald regnet es in Strömen und an weitere DJ-Sets oder gar Live-Musik im Freien ist aus Sicherheitsgründen nicht mehr zu denken. Gegen Abend beruhigt sich das Wetter wieder, das Publikum aber bleibt alles andere als ruhig, als das englische HipHop Urgestein Roots Manuva gegen Mitternacht die Bühne entert. Wie sehr britische Musikfans auf Bässe und ausgeflippte Beats stehen, wird auch hier wieder schnell klar. Schon bei den ersten verzerrten Tönen von „Witness“ geht ein Jubelschrei durchs Publikum, als dann der Beat einsetzt, dreht die Menge vollends durch. Trotz langen Tagen und Nächten brodelt es noch einmal gewaltig vor der Bühne und Roots Manuva setzen einen energetischen und würdigen Schlusspunkt des Festivals.
Made in UK
Am Anfang stand eine Idee: „[…] to create a small, boutique festival based around the music that we love. In the most beautiful place possible.“ Diese Idee wurde brillant verwirklicht und nach der dritten ausverkauften Ausgabe von Soundwave Croatia denken die beiden Festivalväter Noah Ball und Rob Waller bereits an einen sanften Ausbau ihrer Festivalperle. Die beiden Konzertpromoter von Soundcrash (Rob Waller, London) und New Bohemia (Noah Ball, Leeds) nutzen ihre exzellenten Kontakte in Englands blühender unabhängiger Musikszene von Ninja Tunes bis Warp, um ihren Traum vom sponsorenunabhängigen Festival zu verwirklichen. Wie Noah in einem kurzen Gespräch während der Boatparty erzählt, ist dies jedoch nur möglich, weil die Artists erheblich tiefere Gagen als üblich akzeptieren. Artists und Promoter kennen sich, man fühlt sich ein bisschen wie eine grosse Familie und es herrscht tatsächlich eine sehr entspannte, ja familiäre Stimmung in Petrcane. Interviewanfragen werden von der höflichen Pressedame freundlich abgelehnt, („nobody really wants to work here, you know? Go grab a beer and have some fun“) und die Reihenfolge der Bands und DJs gibt’s erst am ersten Festivaltag. Zuverlässig ist der Zeitplan ohnehin nicht, was aber wirklich keine Rolle spielt, denn egal wem man zuhört, die gebotene Musik ist stets ein Genuss. Britische Organisation (sogar die für den Anlass gemietete Halbinsel „The Garden“ gehört einem Briten), britische Künstler und für hiesige Verhältnisse britische Eintrittspreise (89 £) sorgen denn auch dafür, dass gefühlte 95% der Besucher von der Insel stammen. Doch keine Angst, es sind nicht die glatzköpfigen, bierbäuchigen Hooligans aus Mallorca, welche ans Soundwave pilgern. Hierher kommen die jungen, musikinteressierten Menschen, die sonst in den Clubs von London, Bristol oder Manchester ihren Lieblingen lauschen. Keine Schlägereien, keine Aggression, man ist lieb zueinander hier. Ist ja auch ein schöner Ort. Klar, auch hier gibt die eine oder andere, die sich vor lauter Trunkenheit nicht mehr selber auf den Beinen halten kann, oder den einen oder anderen Möchtegernrockstar, der mal eben kurz das Bewusstsein verliert. Doch die gibt es an jedem Festival und meist sind ja tatkräftige Freunde zur Stelle um sich darum zu kümmern. Was nach drei intensiven Festivaltagen neben der Schönheit des Ortes am meisten in Erinnerung bleibt, ist zweifelsohne das stetige Berieseln mit ausgezeichneter Musik. Egal welcher Stil, egal ob live auf der Konzertbühne, oder vom DJ auf der Beach Terrace, es wird durchgehend gute Musik gespielt. Ein Festival, das kreative, unabhängige, eigenwillige Musik unterstützt und fördert, fernab von riesigen Sponsoren Logos und Plattenmultis und Lady Gagas. Ein kleines Paradies für den Musikliebhaber. Könnte sein, dass Thomas D vom Soundwave spricht wenn er sagt: „Es gibt nichts zu verbessern, nichts was noch besser wär, außer dir im Jetzt und Hier und dem Tag am Meer.“
Autor: Rico Steinemann
Fotograf: Luka Beluhan
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