The Magic Flute
Christina Ruloff - Grosse Kunst für den kleinen Mann: Kenneth Branagh adaptiert Mozarts Zauberflöte fürs Kino. Das Unternehmen ist gut gemeint, aber ziemlich misslungen. Die Liebe siegt und überwindet alle Hindernisse: Tamino und PaminaKenneth Branagh ist schon lange nicht mehr in einem einige...
Die Liebe siegt und überwindet alle Hindernisse: Tamino und Pamina
Kenneth Branagh ist schon lange nicht mehr in einem einigermassen vernünftigen Film aufgetreten. Der Mann, dem das „Time Magazine“ zu Beginn der 90er wegen seiner bedeutenden Taten ein Cover gewidmet hat, hat anderes zu tun; er hat es sich zum hehren Ziel gemacht, dem kleinen Mann grosse Kunst nahe zu bringen. Für Branagh bedeutete Kunst bislang immer Shakespeare. 1989 drehte er Henry V, 1993 gelang es ihm mit dem einfach wunderbaren Much Ado About Nothing das Unmögliche – Shakespeare für Normalsterbliche attraktiv und verdaubar zu machen. Vor gut zehn Jahren stand er auf dem absoluten Höhepunkt: Als Autor/Regisseur und Hamlet in Personalunion überzeugte er die Welt mit seiner 242 Minuten langen Interpretation vom wahrscheinlich anspruchsvollsten Theaterstück überhaupt. Nun hat sich Branagh Mozarts Zauberflöte angenommen.
Das beste und zugleich vernichtendste Verdikt lautet: Es war gut gemeint. Stephen Fry hat die Oper ins Englische übersetzt, was dem albernen Spass nicht gut bekommen ist, da alles viel ernsthafter und bemühter wirkt. Zudem spielt die Handlung im Ersten Weltkrieg.
Geheimnis.
Die grundsätzliche Frage lautet aber: Gehört eine Oper ins Kino? Es spricht eigentlich nichts dagegen, es gibt hervorragende Musicals wie West Side Story, in denen auch ständig gesungen wird. Das Problem liegt viel mehr an Branagh selber, der offenbar kein Vertrauen in Mozarts Oper und Musik hatte und die Sache umzukrempeln sucht. Die Botschaft der Aufklärung – der Sieg des Lichts, der Vernunft über das Dunkel – und alle Hinweise auf die Freimaurer sind verloren gegangen. Stattdessen setzt sich Sarastro für den Weltfrieden ein, marschiert mit einem mulikulturellen und vielsprachigen Volk über ein Meer von Gräbern und singt für die Völkerverständigung. Die Königin der Nacht ist eine eifersüchtige Spinnerin, die von dem Gutmenschen sitzengelassen worden ist und sich daher rächen will. Man traut seinen Augen und Ohren nicht.
Papageno fliegt vor Freude durch die Luft. Und was würde Mozart sagen? Wir wagen gar nicht, daran zu denken...
Schlimmer als die Verhunzung des zugegebenermassen seltsamen und arg moralisierenden Stücks ist die Kameraführung. Anstatt dem Publikum Zeit für die Musik und ihre ganz eigene grossartige Wirkung zu lassen, lässt sich der Regisseur ständig zu absurden Einfällen hinreissen. Die Kamera ist ununterbrochen in Bewegung, dreht sich mit irrwitziger Geschwindigkeit oder fliegt durch die Luft. Und wenn das nicht reicht, dann fliegen die Figuren dank billigen Special Effects in der Luft herum, was äusserst albern ist. Entweder musste Branagh seine Genialität unter Beweis stellen (eine sechsminütige Plansequenz zu Beginn schreit direkt nach Robert Altman) oder er hatte panische Angst, dass sich das Publikum langweilen würde.
Es gibt vieles an Branaghs Zauberflöte auszusetzen. Eines muss man dem Mann aber lassen: Seine Oper ist allen zugänglich, jederzeit und zu einem fairen Preis. Mit einem Ticket sitzen wir alle im Parkett und die Musik – von absoluten Profis gesungen – ist wunderbar. Im Opernhaus in Zürich kriegt man für dasselbe Geld nicht mal einen Platz in der Besenkammer. Und wer 100 Franken anlegen will, sieht dort vom zweiten Rang aus ja dennoch nur die Hälfe der Bühne. Insofern hat Kenneth Branagh sein Ziel erreicht: Er hat grosse Kunst dem kleinen Manne zugänglich gemacht. Die Oper hat aber unter Adaption stark gelitten. Man kann zwar auch mit geschlossenen Augen im Saal sitzen und geniessen...
Bewertung: 2 von 5
Die letzte Prüfung ist dank der Flöte bestanden! Herrje, was tut denn die Flöte eigentlich?
Originaltitel: The Magic Flute
Land: UK, F
Genre: Oper
Dauer: 120 Minuten
Regie: Kenneth Branagh
Darsteller: Joseph Kaiser, Amy Carson, René Pape, Lyubov Petrova, Benjamin Jay Davis, Silvia Moi
Verleih: Filmcoopi
Kinostart: 5.4.2007