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18. Oktober 2011, 22:57 Kultur Movie

Kino: Bruegel – The Mill and the Cross

Gregor Schenker - Der polnische Regisseur Lech Majewski drehte ein Essay über Pieter Bruegels Gemälde "Die Kreuztragung Christi". Action sucht man hier vergebens, faszinierend ist der Film trotzdem. Und das nicht nur wegen Rutger Hauer.

Am Anfang stand ein Buch des Kunstwissenschaftlers Michael Francis Gibson, der eine ausführliche Studie zum Gemälde Die Kreuztragung Christi von Pieter Bruegel dem Älteren veröffentlichte. Nach der Sichtung des Filmes Angelus schickte er dem Regisseur Lech Majewski ein Exemplar seines Buches. Majewski, der unter anderem auch Maler ist und sich schon zuvor filmisch mit Gemälden auseinandersetzte, fertigte aus der Studie ein Essay in Form eines Spielfilmes.

Die Entstehung des Gemäldes dient als Rahmen für die Handlung: Im Auftrag des Kaufmanns und Kunstsammlers Nicolaes Jonghelinck (Michael York) entwirft und malt Bruegel (Rutger Hauer) sein Werk. Der Künstler erklärt seinem Auftraggeber – und damit dem Zuschauer – die kompositorische Anlage des Bildes. Aber auch der politische Hintergrund der Kreuztragung Christi wird nach und nach klar: Indem er die biblische Szene in die Gegenwart des 17. Jahrhunderts verlegt, spricht Bruegel die religiösen Spannungen in Antwerpen an, das vom spanischen König besetzt ist. Die Milizen des katholischen Monarchen terrorisieren die Bevölkerung und verfolgen die Reformierten. Eines ihrer Opfer wird gefoltert und gekreuzigt. Die Parallele zur Passion Christi ist offensichtlich. Indem Bruegel die unterdrückte Minderheit mit Jesus gleichsetzt, wirft er den Katholiken vor, sich wie dazumal die Römer zu verhalten – und stellt damit die berechtigte Frage nach ihrer Christlichkeit.

Diese Ebene lässt sich natürlich problemlos bis heute weiterziehen und parallel zu den heutigen religiösen Konflikten setzen. Hätte Jesus das Minarettverbot unterstützt?

Der legendäre Rutger Hauer (Blade Runner, Hobo with a Shotgun) in der Hauptrolle ist ein Glücksgriff. Zwar hat er hier weniger eine schauspielerisch herausfordernde Aufgabe zu absolvieren, als dass er einfach sein Charaktergesicht zur Verfügung stellt. Aber das ist mehr als genug.

In Majewskis Film vermischen sich alle Ebenen – Kunstanalyse und Spielfilm, reale Kulissen und gemalte Hintergründe, naturalistische Darstellungen und Momente von extremer Theatralik; aus langen, fast völlig ereignislosen Alltagsszenen entwickelt sich plötzlich eine Geschichte. Man erfährt Tiefgehendes und immer wieder Verblüffendes über Bruegels Gemälde. Und man lernt die politischen Hintergründe der Zeit kennen. Die Filmmusik von Majewski und Józef Skrzek, die so minimalistisch wie ergreifend ist, festigt den Eindruck eines zutiefst faszinierenden Filmessays. Allerdings muss ich zugeben, dass der äusserst gemächlich inszenierte Film die Geduld manch eines Zuschauers auf eine harte Probe stellen dürfte.


Bewertung: 4 von 5


  • Titel: Bruegel – The Mill & The Cross
  • Land: Schweden/Polen
  • Regie: Lech Majewski
  • Darsteller: Rutger Hauer, Michael York, Charlotte Rampling
  • Verleih: Xenix Filmdistribution
  • Start: 20. Oktober 2011
Fotos von Xenix Filmdistribution
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