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21. November 2011, 13:15 Konzert Music

Jean Michel Jarre: Meister der richtigen Dosierung

Patrick Holenstein - Seine Stadiontournee führte Jean Michel Jarre wieder einmal ins Hallenstadion. Wer den Klangkünstler kennt, wurde keineswegs enttäuscht, allerdings fanden nur 5100 Menschen den Weg ins Hallenstadion. Diese wurden dafür belohnt, jedenfalls liess die sehr gute Stimmung diesen Schluss zu.

Jean Michel Jarre betritt die Halle von hinten, flaniert durch die überraschten Menschen, schüttelt Hände und lässt sich feiern. Der französische Elektropionier geniesst diese Auftritte jeweils sichtlich und so langsam entwickeln sie sich zu Jarres Markenzeichen. Man kann ihm jetzt ankreiden, dies diene nur seinem Ego, aber an diesem Abend in Zürich vermittelt Jarre eher das Gegenteil: aufrichtige Freude, fast schon Bescheidenheit. Der Perfektionist schafft nämlich ein über zwei Stunden dauerndes, in sich funktionierendes Gesamtkunstwerk und stellt dabei nicht seine Person ins Zentrum, sondern unterwirft sich der Sache. Seiner Kunst, die ihn vor Jahrzehnten zum Star machte und die bis heute dann am hellsten strahlt, wenn Jarre auf zu viele Effekte verzichtet.

 Der Tanz der Regler.
Der Tanz der Regler.

Bei seinem letzten Halt im Hallenstadion wollte Jean Michel Jarre zu viel, klotzte mit Effekten und erreichte das Gegenteil, nämlich eine Übersättigung. Davon kann im Bezug auf das gestrige Konzert nicht die Rede sein. Jarre inszeniert seine dichten Soundstrukturen als dezentes Spektakel. Etwa, wenn er bei «Souvenir de chine» statische gelbe Scheinwerfer nutzt, um die Stahlträger an der Decke zu bestrahlen und mit den so entstehenden Zeichnungen einen feinen Kontrast zum blutrot leuchtenden Screen zu kreieren. Oder wenn er bei «Equinox 7» die Synthese von Technik und Mensch, die seiner Musik zugrunde liegt, versinnbildlicht, indem er hunderte Regler eines Mischpultes auf dem Screen tanzen lässt. Und selbstverständlich bleibt die berühmte Laserorgel nicht im Handgepäck verstaut.

Jarre hat zwei Seiten. Einerseits suhlt er sich minutenlang in sperrigen, knarrenden und auch mal holprig klingenden Soli und andererseits ist er der Soundkünstler, der mit Songs wie «Oxygene 4» oder «Chronology 2» ganze Hallen zu begeistern vermag. So auch in Zürich. Jarre erweist sich als Meister der Farben, Klänge und Effekte. Laser sind da, Videoclips flimmern hinter ihm, Rauch wabert im Stadion, Strobos flackern gelegentlich und seine Apparate fiepen und piepsen, schreien und heulen. Aber jeder Bestandteil seiner Show kommt in der richtigen Menge zum Einsatz. Jarre ist im Endeffekt auch der Meister der richtigen Dosierung.

 Jean Michel Jarre spielt seine Laserorgel.
Jean Michel Jarre spielt seine Laserorgel.

Im Hallenstadion gelingt ihm dies – bis auf einen unverschuldeten, aber nur kurzen Ausfall der Technik – sehr gut. Er schichtet entspannte Collagen übereinander und untermalt sie mit visuellen Aspekten. Mal ruhig und hypnotisch, dann wieder wild, verschachtelt und ausufernd. Dabei pflegt er eine beneidenswerte Gelassenheit und Entspannung, hüpft wie ein Kind über die Bühne, klatscht vergnügt in die Hände und strahlt viel Freude aus. Jarre zaubert ein brillant klingendes Sammelsurium aus Stücken und Sounds, die ihn schon sehr lange begleiten und bietet ein Konzert, dass wie gemacht ist, um einen Sonntagabend entspannt ausklingen zu lassen.


Bilder von usgang.ch

Kommentare
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Zwerg-Fugu 22.11.2011 um 01:20
Für jene, die gerne noch ein paar Bilder mehr sehen würden, gibt es auf Negative White noch einen Bericht dazu inklusive Fotos. Einfach diesem Link folgen: http://www.negativewhite.ch/?p=1529