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30. April 2008, 19:42 Music Kultur

Hier und Jetzt @ Schauspielhaus

Robert Salzer - Mit einem Kissen ausgerüstet betritt man die grosse Schiffbauhalle, die gänzlich mit Erde ausgelegt ist. Auf einigen Treppenabsätzen kann sich der Zuschauer mit seinem Polster plazieren, während schon vor Beginn der Vorstellung die Schauspieler an einer festlich gedeckten Taf...

Mit einem Kissen ausgerüstet betritt man die grosse Schiffbauhalle, die gänzlich mit Erde ausgelegt ist. Auf einigen Treppenabsätzen kann sich der Zuschauer mit seinem Polster plazieren, während schon vor Beginn der Vorstellung die Schauspieler an einer festlich gedeckten Tafel sitzen und fröhlich ein Festmahl zu sich nehmen. Wir befinden uns an der Hochzeit von Katja und Georg, die so gar nicht der schönste Tag im Leben sein soll, denn erstens erscheint der Bräutigam betrunken zur Feier und zweitens sitzt Martin, Katjas Affäre, am Hochzeitstisch. Die weiteren Gäste unterhalten sich aneinander vorbei und jeder einzelne erzählt den ganzen Abend von ein und demselben Thema. Auch die ständige Wiederholung wird thematisiert: „Das hast Du uns schon erzählt!“ hört man mehr als einmal und die darauf folgende Antwort: „Das macht doch nichts, dass wir die Geschichte schon kennen“ wird von Ilse, der alten Dame am Tisch, gegeben.

Hier ist noch alles in Ordnung: Die Hochzeitsgesellschaft beim Essen

Zwischen diesen Gesprächen wird den Schauspielern von Regisseur Jürgen Gosch alles abverlangt. Fabian Krüger muss sich beispielsweise knappe zwei Minuten nach Vorstellungsbeginn ausziehen, um den ebenfalls nackten Gottfried Breitfuss quer durch die Halle zu tragen und man weiss nicht wirklich, warum er dies tut. Oder Charly Hübner als Nebenbuhler Martin, der mehrmals von Georg, dem Bräutigam (Wolfgang Michael) zusammengeschlagen wird, dass das Theaterblut nur so strömt. Auch der sich ständig wiederholende und ineinandergreifende Text bringt die Darstellenden an ihre Leistungsgrenze. Als negativer Punkt sei hier erwähnt, dass das Stück, welches gedruckt auf einem Poster Platz hat, vom Regisseur teilweise künstlich aufgebläht wird und deshalb auch seine Längen aufweist.

Es fliesst das Blut, es spritzt das Wasser, es fällt der Schnee.

Am Besten lässt sich das Theatererlebnis mit den Reaktionen einer Zuschauerin beschreiben, die neben mir sass. Als sich zwei Schauspieler vor einem Schwertkampf gegenseitig anspucken, sagt sie entsetzt zu ihrer Nachbarin: „Isch doch gruusig. Dass das muess sii…“. Einige Minuten später allerdings singt sie fröhlich mit, als Katja, die Braut, „Aux champs Elysees“ anstimmt. Wieder einige Zeit später ruft sie ein „Nöd scho wieder“ in die grosse Halle als sich einmal mehr ein Schauspieler auf der Bühne übergibt und hält sich die Augen zu als Blut spritzt mit einem entsetzten „Haiaiai“.

Nach zwei einviertel Stunden tut einem zwar der Hintern und der Rücken weh, trotzdem aber hat sich der Besuch gelohnt, nur schon um die eigene Belastbarkeit auf ein zeitgenössisches Stück zu testen - denn das kann nur Theater!

  • „Hier und Jetzt“ von Roland Schimmelpfennig, Uraufführung
  • Regie: Jürgen Gosch
  • Ort: Schiffbau Halle 1
  • weitere Vorstellungen: 2./6./7./10./12./15./16./20./21. Mai
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