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13. Dezember 2011, 13:14 Bücher Kultur

Na und, ich tanze

Annekatrin Kaps - So heisst die Autobiografie von Ben Becker. Wo andere einen Punkt setzen würden, fängt er einfach an zu erzählen. Und steigt gleich mit seiner letzten Rolle, der des „Todes“ im „Jedermann“ von Hugo von Hofmannsthal ein, den er diesen Sommer das zweite Mal in Salzburg verkörperte.

Beschreibt detailliert das aufwändige Schminkprocedere und das Lampenfieber, das ihn vor seinen achtzehn Einsätzen befällt, aber auch seine Gedanken zur Rolle. Dann geht es zurück in die Kindheit, die bei seinem strengen Vater und die sich in Abwesenheit flüchtenden Mutter (Rolf Becker und Monika Hansen sind bekannte deutsche Schauspieler) nicht gerade einfach war.

Mit Otto Sanders, der als Mime legendär ist und sich als sein Vater, aber nicht sein Erzeuger versteht, hatte er dann deutlich mehr Möglichkeiten, sich auszuprobieren. Mehrere Kapitel lesen sich wie eine Hommage an diesen grandiosen Schauspieler.

Trotz dem leidenschaftlichen Erzählstil, den man sich wie einen über die Ufer tretenden Fluss zur Schneeschmelze vorstellen kann und der sich auch Fred Sellin verdankt, der Becker diese Lebensgeschichte sinnig gebündelt und mitreissend aufgeschrieben hat, stellt sich doch schon am Anfang eine recht entscheidende Frage: Braucht es wirklich eine Autobiographie von einem fast Siebenundvierzigjährigen?

Doch mit dem Weiterlesen verblasst dieser Punkt zunehmend. Becker schildert nach seiner Kindheit seine Zeit als Punk, das Jahr als Bühnenarbeiter, welches ihn total euphorisierte und das nächste, dass ihn in eine tiefe Depression stürzte. Daraus riss ihn der Masterplan seines leiblichen Vaters mit Schauspiel, Reit- und Fechtstunden und vielem anderen mehr. Auch Ausnahmetalente brauchen eben eine solide Ausbildung als Fundament.

Ob als Franz in „Berlin Alexanderplatz“, Peter in „Schlafes Bruder“ oder „Biberti“ in den Comedien Harmonists, mit seiner Band mit „Wir heben ab“, als Vorleser von „Die Bibel“, Hörspielautor, Buchautor oder Kneipier der „Trompete“ in Berlin, das Enfant Terrible des deutschen Theaters hat genug zu berichten.

Nur das Rüpel-Image, bei Journalisten in Pressekonferenzen ist er verschrien, während andere Schreibende in Interviews seine grosse Sensibilität erwähnen, wird er nicht los. Das bekommt auch mal das Publikum zu spüren, wenn nur einer vergessen hat, sein Telefon abzuschalten. Da kann er richtig los wüten; in Basel hing im Stadtcasino während der Lesung seines „Seewolfes“ nach einer solchen Szene bleiernes Schweigen im Saal.

Becker lebt aus dem Vollen, so liest sich auch sein Buch. Wer schon immer wissen wollte, wie es ist die eigene Schwester zu küssen, warum er in längst vergangen Tagen eine Tür in Berlin eintreten wollte oder was ihm Lilith, seine Tochter, bedeutet, dem ist dieses Buch zu empfehlen. Zwischendurch erfährt man natürlich auch, wie er seine Rollen anlegt und wie weit er dabei geht. Fazit – solid gemachte Unterhaltung, jenseits von boulevardhaften Enthüllungen, süffig geschrieben, wenn auch keine grosse Literatur. Aber das sind Autobiografien ja selten.

Ben Becker „Na und, ich tanze“ Droemer-Verlag, CHF30.50

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