Kino: Glauser
Gregor Schenker - Friedrich Glauser gehört zu den grossen Schweizer Autoren des 20. Jahrhunderts. Christoph Kühns neuer Dokumentarfilm bereitet sein Leben auf, wird aber dem Werk des Schriftstellers nicht gerecht.
Kühn erzählt das bewegte Leben des Schriftstellers nach. Dazu lässt er ihn selbst aus Briefen und autobiographisch en Texten zu Wort kommen, befragt aber auch Bekannte und Experten (teils in Archivaufnahmen), unter anderen Glausers Lebensgefährtin Berthe Bendel, seinen ehemaligen Psychiater Max Müller oder den zeitgenössischen Krimiautor Hansjörg Schneider, dessen Hunkeler-Krimis merklich von Glauser geprägt sind. Diese Erzählungen werden ergänzt von nachgestellten Szenen, Archivfotos und den düsteren Bildern von Hannes Binder, die extra für diesen Dokumentarfilm entstanden.
Bei all der Konzentration auf die Person Glauser gerät sein Werk leider völlig aus dem Blickwinkel, es wird zum blossen Hintergrundrauschen seiner Biographie. So zum Beispiel, wenn Kommissär Studer zu einer Vaterfigur erklärt wird, die sich Glauser geschaffen habe, um den realen, aber lieblosen Vater zu ersetzen. Über solche Waschküchenpsychologie hinaus erfährt man so gut wie nichts über die Studer-Romane. Das restliche Schaffen von Glauser wird schlicht verschwiegen.
Das passt aber zu der boulevardesken Emotionalisierung des Themas, die Kühn betreibt, und die zum Teil zu groben Einseitigkeiten führt. So wird die schweizerische Psychiatrie der 20er und 30er als Draculas Horrorkabinett inszeniert, obwohl doch gerade Glauser selbst diese nicht verteufelt, sondern ihre ambivalente Natur erkannt hat. Solche Differenzierungen sind Kühn fremd, er macht aus der Tragik von Glausers Leben billiges Melodrama.
Bewertung: 2 von 5
- Titel: Glauser
- Laufzeit: 75 Min.
- Land: Schweiz
- Regie: Christoph Kühn
- Interviewpartner: Hansjörg Schneider, Max Müller, Berthe Bendel
- Verleih: Filmcoopi
- Start: 5. Januar 2012