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10. März 2012, 16:19 Bücher Kultur

Heilige Scheisse

Claudia Maag - Die Autoren des SPIEGEL-Bestsellers «Generation Doof» stellen sich die Frage, ob wir ohne Religion wirklich besser dran wären. Sie nähern sich ihr hemmungslos, erfrischend unmoralisch, spielerisch und mit viel Humor.

Religion scheint wieder in zu sein. Rom feiert den Weltjugendtag, 2011 mit dem wenig hippen Thema: «In ihm verwurzelt und auf ihn gegründet, fest im Glauben», nach der Papstwahl des Deutschen Joseph Ratzinger titelte die Bild: «Wir sind Papst» und der nun unter Papst Benedikt XVI Bekannte wurde in Köln von einer Pilgerheerschar gefeiert wie ein Popstar.

Die Autoren Anne Weiss und Stefan Bonner sinnieren über die christliche Leere in unseren Köpfen, warum uns der Allmächtige schnuppe und was an der Bibel noch glaubwürdig ist, ob die Kirche über die Klippe springen soll und finden, Heidenkinder haben Heidenspass. Um Antworten zu erhalten mischen sie sich unter das Predigtpublikum im Kölner Dom, befragen eine junge Pilgerin, die sich am Jakobsweg verirrt, kämpfen sich durch eine Esoterik-Messe, sprechen mit einem Trekkie und erstellen ein Psychogramm von Gott. In einem Gedankenexperiment nähern sie sich der Frage, was Jesus Christus bei seiner Rückkehr von unserer Welt halten würde. Jesus steigt in einer billigen Absteige ab, probiert einen Passion Fruit Tea in einem Coffeeshop und surft im Web. Nach dem ersten Porno-Popup stellt er allerdings entsetzt fest, wie verdorben das Internet ist.

Wir erfahren von Spassreligionen wie den «Pastafari», deren Jünger ein Spaghettimonster anbeten, den Anhängern eines rosafarbenen, unsichtbaren Einhorns oder der Satirereligion «Intelligent Falling», welche behauptet, es gebe keine Gravitationskraft sondern alle Dinge würden von einer höheren Instanz auf den Boden gedrückt. Weiss und Bonner sprechen mit befreundeten Eltern, die zur Taufparty in der Kirche laden, Pfarrern, Werteforschern, der Evangelischen Zentrale für Weltanschauungen (EZW) und kommen zum gleichen Schluss wie zuvor schon kluge Köpfe wie Platon, Sokrates und Nietzsche: Wer sich mit der Frage nach Gott auseinandersetzt erhält kein befriedigendes Ergebnis, ohne die Logik zu opfern.

Der Textstrang mit Fragen, Theorien und Beispielen wird mit vielen Zitaten, literarischen Elementen wie Ausschnitte aus Songtexten und persönlichen Geschichten der Autoren in «Stefan/Anne erzählt» ergänzt, was dem Buch sehr zugutekommt. Lesenswert sind auch jene kästchenartigen Stellen, die sich kreativ mit der Bibel auseinandersetzen. Da stehen sich widersprüchliche Ausschnitte aus der Bibel gegenüber, Buchtitel unterhalten sich über den Allmächtigen («Ist die Kirche noch zu retten?» (Hans Küng). «Der liebe Gott ist auch schon ausgetreten» (Jochen Jülicher)), Jesus wird einem Rating mit ’unseren’ Helden wie Hulk, James Bond und John McClane unterzogen und im Sinne der Zeitungsrubrik «Was macht eigentlich…» erfahren wir, was die beliebtesten Götter der Menschheitsgeschichte heute so machen.

Theisten schmoren vermutlich in der Hölle, wenn sie dieses Buch lesen und Atheisten werden es nicht extrem und konsequent genug finden. Heilige Scheisse richtet sich hauptsächlich an die Agnostiker, also etwas überspitzt gesagt, an die Unentschiedenen. Das Buch regt zum Nachdenken an, gibt uns aber natürlich auch nicht die grossen Antworten. Dem Fazit hätte etwas mehr Konsequenz nicht geschadet. Doch wie unter «Haftungsausschluss» erwähnt, wollten die Autoren weder ein Gebetsbuch noch eine Predigt herausgeben, sondern Fragen aufstellen. Dies ist auf sehr unterhaltsame und witzige Weise gelungen.

Info
Anne Weiss und Stefan Bonner, Heilige Scheisse, Taschenbuch, Bastei Lübbe Verlag, 256 Seiten, Herbst 2011

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