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17. April 2012, 00:00 Kultur Movie

Kino: Oslo, August 31st

Gregor Schenker - Deprimierendes aus dem hohen Norden: Im norwegischen "Oslo, August 31st" versucht ein Ex-Junkie, zurück ins Leben zu finden. Er merkt schnell, dass ihm das nicht möglich ist.

Im Jahre 1931 veröffentlichte Pierre Drieu La Rochelle seinen Roman Das Irrlicht. Hauptfigur ist ein ehemaliger Soldat und Bohemien, der in einer Nervenheilanstalt landet. Nach der Entlassung stellt er fest, dass er mit den Bekannten von einst und deren Lebensentwürfen nicht wirklich zurechtkommt.

Joachim Trier (nur ganz am Rande mit Lars von Trier verwandt) versetzt die Handlung in die Gegenwart und macht einen Ex-Junkie mit suizidalen Tendenzen zum Protagonisten seines Filmes. Wir lernen Anders (Anders Danielsen Lie) kennen, als er nach einer Nacht mit einer jungen Frau versucht Selbstmord zu begehen. Er füllt die Taschen seiner Jacke mit Steinen und stürzt sich ins Wasser eines Fjords. Der Versuch misslingt, also kehrt er unverrichteter Dinge in die Entzugsklinik zurück. In zwei Wochen soll er entlassen werden.

Als er einen Tag frei bekommt, um sich in Oslo um einen Job zu bewerben, nutzt er die Gelegenheit, den Kontakt mit alten Freunden und Bekannten wiederherzustellen. Die Aussprache mit seinem guten Kumpel Thomas (Hans Olav Brenner), inzwischen ein mehr oder weniger glücklicher Ehemann und Vater, läuft noch ganz gut, aber nach dem harzigen Vorstellungsgespräch geht zunehmend alles den Bach runter. Die Schwester weigert sich, ihn zu sehen, die Ex-Freundin reagiert nicht auf seine Anrufe, auf einer Party verfällt er wieder dem Alkohol, er klaut Geld, um sich Heroin zu besorgen. Die Einsicht, mit 34 Jahren vor dem Nichts zu stehen, Entzug hin oder her, ist überwältigend. Er kommt weder gegen das Milieu in Oslo an, noch kann er sich wirklich vorstellen, einer geregelten Arbeit nachzugehen oder eine Familie zu gründen. Lieber tot als bürgerlich.

Oslo, August 31st bewegt sich in der Tradition von Drogendramen wie Trainspotting oder Requiem for a Dream, hält sich aber mit Knalleffekten zurück: Trier zeigt eigentlich nur, wie Anders mit Leuten quatscht, auf Partys herumhängt und sich die Stadt ansieht. Der Film ist dort am besten, wo sich Zeitebenen gegeneinander verschieben, sich Realität und Tagtraum vermischen oder Bild und Ton Anders' subjektiven Blick auf seine Umwelt reflektieren.

Aber das sind nur kurze Momente. Ansonsten herrschen die Klischees des dokumentarisch angehauchten, betont stillen Arthouse-Dramas. Kaum Musik, dafür eine nervös wackelnde Kameraführung. Wahnsinnig authentisch, mit unterkühlten Schauspielleistungen. Filmisch nicht besonders spannend und inhaltlich nie wirklich tiefschürfend: Die Banalität des bürgerlichen Lebens auf der einen, der Nihilismus des Totalversagers auf der anderen Seite. Auf einen Rave gehen, um die innerliche Leere zu füllen, natürlich ohne Erfolg. Billiger Nihilismus. Die Abwärtsspirale führt überraschungsfrei in die Katastrophe.

Anders spricht einmal davon, dass er einfach nichts mehr fühlt. Irgendwie lässt einen auch der Film kalt.


Bewertung: 2.5 von 5


  • Titel: Oslo, August 31st
  • Land: Norwegen
  • Regie: Joachim Trier
  • Darsteller: Anders Danielsen Lie, Hans Olav Brenner, Kjærsti Odden Skjeldal
  • Verleih: Look Now!
  • Start: 19. April 2012
Fotos von Look Now!
Kommentare
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dollarhyde 06.05.2012 um 21:49
"Zabriskie Point" ist ein sehr seltsamer Film. Sicher seeehr viel interessanter als fantasieloses Durchschnitts-Arthouse à la "Oslo, August 31st" (nicht zuletzt ästhetisch, stimmt), aber bei Gott, das Ding hat mir einiges an Geduld abverlangt.
raphaelrueck89 06.05.2012 um 15:46
Immer eine Freude deine Reviews zu lesen. Gerade gestern Antonionis "Zabriskie Point" gesehen. Der lässt am Schluss alles "Bürgerliche" in die Luft springen. Ist doch eine ästhetischere Lösung als depri-0815-arthouse