Kino: The Avengers
Gregor Schenker - Endlich ein Film, der hält, was er verspricht. "The Avengers" ist Hollywood-Action vom Feinsten, die jede Menge Spass macht. Da verzeiht man sogar den grassierenden Militarismus.
Für die Bedrohung ist hier Loki (Tom Hiddleston) zuständig: Nach den Ereignissen in Thor im Exil, sinnt der böse Halbgott auf Rache und verbündet sich mit einer ausserirdischen Rasse, um die Erde und anschliessend das Universum zu erobern.
Zunächst verschafft er sich den Tesserakt, einen "kosmischen Würfel" mit gewaltigen Kräften, der sich in den Händen von S.H.I.E.L.D. befindet (siehe Captain America). Der Leiter dieses Geheimdienstes, Nick Fury (Samuel L. Jackson), mobilisiert daraufhin fünf Superhelden: Den Platzhirschen Iron Man, Thor, Hulk und Captain America gesellen sich die russische Kampfamazone Black Widow und schliesslich der Pfeil-und-Bogen-Spezialist Hawkeye hinzu.
Was folgt, ist eines der grössenwahnsinnigsten Actionspektakel seit Anbeginn der Filmgeschichte. Nachdem Loki zu Beginn eine ganze Regierungsanlage platt macht, prügeln sich die Superhelden nicht nur mit ihm und seinen Spiessgesellen, sondern in wechselnden Konstellationen auch untereinander. Ein Drittel des Filmes spielt sich auf einem fliegenden Flugzeugträger (!) ab und wenn im Finale die ausserirdischen Invasoren mitmischen, nimmt die Materialschlacht Dimensionen an, die man nicht für möglich gehalten hätte. The Avengers ist Überwältigungskino der Extraklasse, ein orgastischer Effekte-Exzess für Auge und Ohr.
Dennoch verkommt der Film zu keiner Sekunde zu herz- und hirnlosem CGI-Gewichse. Regisseur und Drehbuchautor Joss Whedon hat schon vor Jahren mit den Serien Buffy – Im Bann der Dämonen und Firefly eindrücklich bewiesen, dass er rasante Action mit glaubwürdigen Figuren und beschwingtem Humor zu verbinden weiss. Diese Mischung hat er auch in seinem ersten grossen Kinofilm hingekriegt: Das dynamische Zusammenspiel (oder Gegeneinanderspiel) der Protagonisten mit ihren klar definierten Schwächen, Stärken und Eigenheiten ist ein Meisterstück der Charakterführung, und der Humor, der sich aus dem Aufeinanderprallen von Gegensätzen oder gegenseitigen Foppereien ergibt, zum Brüllen komisch.
Erneut brilliert Robert Downey Jr. in der Rolle des Tony Stark/Iron Man als exzentrischer Egomane, aber die Gewichtung der Figuren ist erfreulich ausgeglichen. Thor (Chris Hemsworth), der zwischen der Bruderliebe zu Loki und seiner Loyalität zur Erde schwankt, kommt ebenso zum Zug wie Bruce Banner (Mark Ruffalo), der versucht, den Hulk in sich unter Kontrolle zu halten, oder Captain America (Chris Evans), der sich als Relikt des Zweiten Weltkrieges stets ein wenig fehl am Platz fühlt. Nur die konfliktbeladene Liebesgeschichte zwischen Black Widow (Scarlett Johansson) und Hawkeye (Jeremy Renner) wirkt etwas aufgesetzt und Samuel L. Jackson hat als Nick Fury wenig mehr zu tun, als durch blosse Präsenz zu überzeugen.
Ein Film wie dieser steht und fällt naturgemäss mit dem Bösewicht. Tom Hiddleston als schmieriger Megalomane, der aber durchaus nachvollziehbare Motive hat, liefert genau den Gegner, den die Avengers benötigen, um wirklich zu glänzen.
The Avengers hat durchgehend einen leichtfüssigen, angenehm unangestrengten Tonfall. Er löst sich kaum von altbekannten Handlungsverläufen und Klischees und entwickelt sich sehr voraussehbar, aber das tut er auf eine äusserst ausgefeilte und unterhaltsame Art und Weise. Der Film ist sich seiner Comichaftigkeit stets bewusst und verleugnet sie nicht, sondern zelebriert den Spass am Schwarzweiss-Schema.
Das hat aber auch seine Schattenseiten. Der patriotische Unterton, der sich durch den Film zieht, schlimmer noch, der unkritische Militarismus von The Avengers hinterlässt einen faden Beigeschmack. Es braucht wenig Fantasie, um im anfänglichen Angriff Lokis einen verklausulierten Terrorakt zu erkennen. Die sich anschliessenden Gegenmassnahmen sind von militärischem Jargon und Kriegsrhetorik durchzogen:
"Man gewinnt einen Krieg nicht mit Gefühlen." – "Nein, man gewinnt ihn mit Soldaten."
Zwischendurch tauchen zwar Zweifel an der Armee auf, als sich herausstellt, dass S.H.I.E.L.D. eigene Pläne mit dem Tesserakt hat, und Nick Fury legt mitunter ein zwiespältiges Verhalten an den Tag – zum Schluss ist jedoch alles vergeben und vergessen. Die Amerikaner sind gut, die Amerikaner sind Helden und sie werden jede globale Bedrohung mit Waffengewalt niederringen.
Sehr entlarvend ist diesbezüglich eine zentrale, entsetzlich dumme Szene: Loki sprengt in Stuttgart eine Party der gehobenen Gesellschaft und zwingt die Anwesenden, vor ihm niederzuknien. Einzig ein alter Jude widersetzt sich dem Befehl. Loki will den Greis mit seinem Laserstab töten, doch im entscheidenden Moment wirft sich Captain America mit seinem Schild dazwischen. Einmal mehr haben die Amerikaner die rückgratlosen Deutschen von einem bösen Diktator befreit.
Auch die betonte Naivität des Filmes kann das nicht entschuldigen. Immerhin, man versteht, woher das kommt: In einer Realität, in der Gut und Böse kaum voneinander zu unterscheiden sind, in der sich politische Kräfte selbst dort heillos zerstreiten, wo sie eigentlich auf derselben Seite stehen, und in der die so gern heroisierten Soldaten an der Front immer wieder mit unmenschlichen Taten für Skandale sorgen, bietet The Avengers das Idealbild einer ungebrochen heilen Welt. Schwarz und Weiss sind klar getrennt, wenn es darauf ankommt, arbeiten alle zusammen, und die Soldaten an der Front tun immer das Richtige.
Vielleicht ist ein bisschen naive Realitätsflucht auch ganz in Ordnung. The Avengers behauptet nie, etwas anderes als ein simpler Comic, ein grosser Spass zu sein. Der Film nimmt sich zu keiner Sekunde ernst und sollte nicht allzu ernst genommen werden. Muss man denn gleich das Kind mit dem Bad ausschütten? Nein, muss man nicht. Aber bei all dem Spass und Spektakel trotzdem ein bisschen kritisch bleiben, das darf man.
Bewertung: 4 von 5
- Titel: The Avengers
- Land: USA
- Regie: Joss Whedon
- Darsteller: Robert Downey Jr., Scarlett Johansson, Samuel L. Jackson
- Start: 26. April 2012