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1. Mai 2012, 23:48 Kolumnen

Mein Kampf mit Tolstoi

Marco Büsch - Eine kurze Kolumne darüber, warum man die grossen Klassiker der Weltliteratur lesen sollte. Oder zumindest versuchen sollte, sie zu lesen. Oder sie sich wenigstens auf DVD ansehen. Insbesondere Tolstois "Krieg und Frieden".

Ich habe mir vorgenommen die grossen Klassiker der Weltliteratur zu lesen. Zumindest ein paar. Damit ich bei biederen Vernissagen mit einem Cüpli in der Hand über die seitenlangen Ausschweifungen Tolstois in „Krieg und Frieden“ referieren kann. Oder um eine Kolumne darüber zu schreiben, dass ich in meiner Freizeit die grossen Klassiker lese, um auf überaus subtile Weise meinen Marktwert beim anderen Geschlecht zu erhöhen. Aber eigentlich lese ich die Klassiker, weil ich dann keine Angst haben muss, meine Zeit an ein schlechtes Buch zu verschwenden. Es ist also schlussendlich reine Bequemlichkeit. Die ewige Rationalität des Minimalisten.

„Krieg und Frieden“ zu lesen war zu Anfang wahrlich kein Vergnügen. Das Buch hatte unendliche 700 Seiten und begann ohne auch nur den Hauch einer Einleitung. Es gab an die hundert Hauptpersonen, welche alle einfach in die Szenen traten, ohne dass sie gross vorgestellt wurden. Und dann hiessen sie alle ungefähr gleich: Rostow, Kutusow, Irgendwasow. Das Ganze war eine äusserst schwierige Angelegenheit. Bis ich nach zweihundert Seiten herausfand, dass ich den zweiten Band von „Krieg und Frieden“ las und vielleicht besser mit dem ersten begonnen hätte. Denn das Buch hatte nicht 700, sondern 1400 Seiten. Ich fühlte mich ein bisschen dumm. Da liest man die grossen Klassiker der Weltliteratur und man müsste sich dabei eigentlich besonders schlau vorkommen und dann so etwas. Wer liest schon freiwillig „Krieg und Frieden“ in Zeiten der mehrteiligen Fernsehfilme und Wikipedia-Zusammenfassungen? Aber so ist es halt: Man versucht sich an einem Klassiker der Weltliteratur und wird vom Leben gnadenlos dafür bestraft. Das letzte Mal hatte ich mich beim Lesen so blöd gefühlt, als ich ein japanisches Manga von links nach rechts zu lesen versucht habe. Da hatte ich lange gedacht, es sei vielleicht eine Eigenart der Japaner, dass sich die Geschichten rückwärts abspielen. Aber das hat grosse Literatur so an sich: Man wächst an ihr.

Nun habe ich begonnen Dostojewskis „Schuld und Sühne“ zu lesen, nicht ohne vorher genauestens nachzuforschen, ob es nicht doch ein Mehrbänder sei. Ist es nicht. 700 Seiten ohne Falltüren oder doppeltem Boden. Dafür mit einer grässlich unsympathischen Hauptperson. Vielleicht beginne ich doch wieder mit dem zweiten Band von „Krieg und Frieden“. Da wusste man zwar nicht, wer genau wer war, dafür war aber die Auswahl an Hauptpersonen um einiges grösser.

Kommentare
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sunkissedmelon 05.06.2012 um 15:03
Ich persönlich tendiere zu Hörbüchern wenn ich nicht in der Lage bin zu lesen, wie zum Beispiel beim Autofahren. Aber sonst veruche ich schon die Bücher selbst zu lesen und zu verstehen. Tolstoi, Kafka etc. sind schon schwierig... man muss aber auch bereit sein -für solche Bücher... hab auch schon ein Buch nach ein paar Seiten weggelegt und erst nach einem Jahr wieder begonnen es zu lesen... wo es wesentlich einfacher war .
Marco_Buesch
Marco_Buesch 03.05.2012 um 20:50
@shabadibaa: dankeschön! ja hörbücher wären wirklich was, wobei das dann wieder sehr vom vorlesenden abhängig ist, da musste ich auch schon schlimme erfahrngen machen

@dollarhyde: danke, mal schauen wie erfolgreich dieses unterfangen wird, bis jetzt hat sich jedenfalls noch nicht viel getan
dollarhyde 03.05.2012 um 11:45
"Oder um eine Kolumne darüber zu schreiben, dass ich in meiner Freizeit die grossen Klassiker lese, um auf überaus subtile Weise meinen Marktwert beim anderen Geschlecht zu erhöhen."

Na, viel Glück damit.
shabadibaa
shabadibaa 02.05.2012 um 18:57
haha lustiger artikel und hat was, warum tut man sich das an? Kafka ist auch so ein Falll... Jedenfalls: Probiers mal mit Hörbüchern im Auto, macht viel mehr Spass.