Colin Nutley und Helena Bergström
Christina Ruloff - Regisseur Colin Nutley und die Schauspielerin Helena Bergström diskutieren, warum Frauen über vierzig attraktiv, im Film aber selten sind, lästern über Männer und erzählen von ihrem neuen Film 'Heartbreak Hotel'. 'Eigentlich beginnt das Leben mit vierzig erst richtig', Hel...
'Eigentlich beginnt das Leben mit vierzig erst richtig', Helena Bergstörm links mit Maria Lundqvist.
Students.ch: Wie bist Du auf die Idee gekommen, Heartbreak Hotel zu machen? Vierzigjährige, geschiedene Frauen sind ja im Film nicht gerade populär.
Colin Nutley: Da waren verschiedene Punkte: Zum einen haben Helena (Bergström, Colin Nutleys Ehefrau) und ich schon eine Menge Filme zusammen gemacht. Und wenn man mit einer Schauspielerin verheiratet ist und diese – wie jede Frau – jedes Jahr ein Jahr älter wird, spricht man eben über dieses Thema: Frauen und Kino. Wann erreicht eine Frau im Kino ihr Verfallsdatum?
Eine Frau hat mit vierzig im Kino ihren Zenit überschritten?
Nutley: Wenn eine Frau vierzig wird, kommt sie in dieses Stadium, wo es einfach nicht mehr leicht ist, Rollen zu kriegen.
Woran glaubst Du, liegt das?
Nutley: Männer sind eben so. Wir haben also mit diesem Gedanken im Hinterkopf über die Filme gesprochen, die wir wirklich realisieren wollen. Und per Zufall habe ich dann bei einem Abendessen eine Frau getroffen, die gerade von ihrem Ehemann sitzengelassen worden ist, vor gerade mal zwei Wochen. Es ging ihr wirklich nicht gut. Sie fragte sich ständig: „Was werde ich anfangen? Alles wieder von vorne beginnen?“ Ich habe noch eine Reihe anderer Frauen gesprochen, die geschieden und Mitte, Ende vierzig sind. Und ich habe sie gefragt: „Wie ist es, Mitte vierzig und geschieden zu sein?“ Und ich kann sagen, es ist verdammt hart, viel härter für eine Frau, als für einen Mann.
)
Wie ist das Leben über vierzig wirklich? Du hast ja Erfahrung.
Bergström: Eigentlich beginnt das Leben erst richtig. Es macht grossen Spass in diesem Alter zu sein, wirklich grossen Spass, finde ich (lächelt). „It’s very much fun!“, weil du endlich Erfahrung hast.
Diese Ansicht hat sich aber noch nicht durchgesetzt...
Bergström: Nein, Sean Connery wird älter, aber wechselt ständig seine Frauen aus – Sie bleiben jung. Wenn wir dieses Bild im Film, in den Medien ändern könnten! Aber ich glaube, dass sich zurzeit gerade ein solcher Wandel vollzieht. Es gibt viel mehr ältere Schauspielerinnen, wie zum Beispiel Helen Mirren. Und es ist doch interessant und grossartig, solchen Frauen zuzusehen. Wenn man damit fertig wird, dass sich der Körper etwas verändert hat, dass man nicht wie mit zwanzig aussieht, wenn man auf die „bloody surgery“ verzichtet und diesen Prozess einfach akzeptiert als Teil vom unserer Existenz... dann kann man riesig Spass haben.
Nutley: Helen Mirren zum Beispiel ist, glaube ich, die älteste Frau, die je einen Oscar gewonnen hat. Und gerade das hat viel Bewegung in die Diskussion gebracht, wie Frauen im Film zu sein haben, und was eigentlich attraktiv ist. Ich würde also viel lieber Helen Mirren zusehen, als irgendeinem dieser jungen Mädchen, und zwar wegen dem, was sich im Kopf der Frau abspielt. Und natürlich hat Mirren da viel mehr zu bieten. Je mehr Frauen ins Kino gehen und sich solche Frauen ansehen wollen, umso mehr wird sich die Situation ändern.
)
Heartbreak Hotel ist also ein progressiver Frauen-über-vierzig Film?
Nutley: Ja, denn in Heartbreak Hotel geht es um zwei Frauen, über vierzig. Er dreht sich aber um die genau gleichen Dinge, wie wenn er von zwei zwanzigjährigen Frauen handeln würde: Sich verlieben, unglücklich lieben, seinem Leben eine andere Richtung geben... solche Dinge.
Bergström: Freundschaft zwischen Frauen!
Nutley: Natürlich.
Bergström: Freundschaft zwischen Frauen ist hier wirklich das Hauptthema. Viele Leute, vor allem Männer, hatten den Verdacht, die beiden würden lesbisch. Aber nur weil eine solche Freundschaft sehr intim ist und man kann wirklich über alles reden, muss man doch nicht lesbisch sein. Ich denke, es ist eine Art Thelma & Louise, aber im Jahr 2006/2007 und daher müssen die beiden nicht sterben.
Wie unterschieden sich denn eure Heldinnen von Thelma & Louise? Was ist denn typisch für 2006/2007?
Bergström: Das ganze Moralische fällt bei uns weg. Uns war es wichtig, nicht zu urteilen, nicht zu verurteilen. Lasst sie doch einfach mal falsch haben, Fehler machen! Wir sagen nicht: „Geh sieben Mal die Woche in eine Disco und sei glücklich!“, aber wir sagen: „Du darf auch Fehler machen, aber Du brauchst dich deswegen nicht schlecht oder gar schuldig zu fühlen!“ Der Film ist also überhaupt nicht moralisierend oder moralisch.
Der Schluss des Films kam doch ziemlich überraschend... Hattest Du den so geplant?
Nutley: Überraschend? Ich meine, es stellt sich doch immer die Frage, wo man einen Film jetzt enden lassen soll. Das Ende ist doch ziemlich simpel. Man wirft die Charaktere immer zurück, also dorthin, wo sie zu Beginn waren. Gudrun hat also diese Schwäche für ihren Ehemann. Elisabeth hält das für falsch und versucht sie zu beschützen. Man glaubt also, das sei’s gewesen. Die eine geht weg, die andere zum Ehemann. Aber Gudrun denkt natürlich nach, herrje, was mache ich hier?
Die Rückkehr zum Ehemann wäre also falsch?
Nutley: Ich bitte dich: „If a guy fucks around once, he’s gonna fuck around again.“ Es ist ganz einfach so. Und wenn wir hören, wie sich Gudrun zuvor über ihren Mann geäussert hat, dann ist die Sache doch eigentlich ziemlich klar.
Bergström: Also Colin würde niemals eine Geschichte erzählen, wo eine Frau zu ihrem Ehemann zurückkehrt!
Nutley: Das wäre ja totales Versagen!
Bergström: Er wollte diese Freundschaft stark wirken lassen, kraftvoll, wichtig.
Nutley: Man gibt so den Frauen die Macht und das ist ja irgendwo auch der Sinn des Films: Frauen im Film und im realen Leben Macht verleihen. Ich meine, warum sollte Gudrun auch zu diesem Volltrottel zurückkehren!
Gudruns Mann ist ein absoluter Klassiker: Er verlässt seine Frau und kommt irgendwann zurück... entweder weil es nicht geklappt hat, oder weil die andere Frau „Nein, danke“ gesagt hat. Das zeigt einfach, wie schwach Männer sind. Das sind Männer, Ende der Geschichte.
)
Hast Du in Schweden Reaktionen von Frauen gekriegt?
Nutley: Ja. Sehr viele vierzig- und fünfzigjährige Frauen sind wild auf mich zugekommen und haben mir erzählt: Puhh, ich habe genau das durchgemacht! Ich habe genau die gleiche Reise hinter mir
Sind eure Charaktere also eine Art Vorbilder?
Bergström: Ich denke schon. Wir nehmen den Frauen ihre Ängste und zeigen ihnen, dass es auch anders geht. Und daher steht die Freundschaft der Frauen im Zentrum. Aber es ist ein lockerer Film, für alle Arten von Menschen. Daher war er auch sehr, sehr lange die Nummer eins in Schweden.
Nutley: Ich sage nur: „Live your life, have fun, living your way, find what you find!“ Und wenn das eben ein Typ für zwei Monate ist, und dann wieder ein anderer, gut. Wenn Du einen neuen Ehemann findest, auch gut. Man hat noch so viel Zeit im Leben und man kann mit vierzig, fünfzig, sechzig, ja siebzig genau dasselbe machen, wie mit achtzehn. In England gibt es diesen berühmten Spruch: „Life begins at forty.“ Und wir haben den abgewandelt in „Life may not begin at forty, but it certainly doesn’t end!“ Und Frauen gibt dieser Film eine Art Kick, genau wie Die Hard Männern einen idiotischen Kick gibt.
Die Hard… Schwedische Filme sind – im positiven Sinne – sehr anders als amerikanische Film, oder deutsche Filme.
Nutley: Die haben einfach eine ganz andere Industrie. Hollywood, aber auch Deutschland, England, Indien, China haben das Geld, die filmisch fantastischen Filme zu machen, die aber oftmals ziemlich schäbige Inhalte haben. Die Schweden hingegen können hervorragend Geschichten erzählen: Einfache Geschichten über normale Menschen. Und wir haben hervorragende Kameraleute, aber natürlich nicht das Geld für Kräne und solches Zeugs. Also machen wir Filme mit guten Geschichten und starken, interessanten Charakteren.