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29. Mai 2012, 20:04 Kolumnen

Wie eine Schachtel Pralinen

Marco Büsch - Eine Kolumne über Coldplay, Amélie und Forrest Gump. Aber in erster Linie geht es um meinen Balkon und die Nachbarin, die unter mir wohnt. Klingt komisch, ist aber so.

Letztes Wochenende sass ich auf dem Balkon und musste mir zwangsweise ein abendfüllendes Coldplay-Konzert anhören. Das kommt davon, wenn man in der Nähe des Letzigrund-Stadions wohnt. Wobei ich Coldplay jetzt nicht wirklich negativ gegenüberstehe, mehr so neutral. Ehrlich gesagt, habe ich mich nie ernsthaft mit dieser Band auseinander gesetzt. Dabei liegt bei mir seit Monaten eine Coldplay Live-DVD herum aus dem Jahre 2003, welche ich mir aber bis jetzt mangels Zeit noch nicht anschauen konnte. Zu solchen DVD’s kommt man, wenn man auf ricardo.ch ganze Packages ersteigert, obwohl man es eigentlich nur auf zwei der Filme abgesehen hat. Nichtsdestotrotz bin ich nun ja doch in den Genuss eines Coldplay-Livekonzerts gekommen und ich gebe zu: Sie sind ganz okay. Zumindest das, was ich so gehört habe.

Aber es soll hier nicht um Chris Martin und seine Truppe gehen, auch Herbert Grönemeyer oder AC/DC haben gute Konzerte abgeliefert, soweit ich es vom Balkon aus beurteilen konnte. Ich freue mich ohnehin immer ungemein über die verschiedenen Darbietungen, meistens nämlich bekomme ich nur die Klavierkünste der Nachbarin unter mir mit. Oder eher ihre Antikünste, denn seit geschätzten fünf Jahren spielt sie immer die gleichen zwei Lieder auf dem Klavier. Und immer macht sie die gleichen Fehler. Immer und immer wieder. Das ist manchmal zum Durchdrehen, wenn man zum Beispiel lernen sollte. Aber das Schlimmste ist gar nicht die musikalische Beschallung an sich, vielmehr stört mich die Wahl der Lieder: Es handelt sich nämlich um die Titelmelodien zu den Filmen „Forrest Gump“ von Alan Silvestri und „Die fabelhafte Welt der Amélie“ von Yann Tiersen. Beide Lieder sowie auch die dazugehörigen Filme gefallen mir sehr, umso schlimmer deshalb, dass mir diese beiden Melodien mittlerweile völlig verleidet sind, dank der Unkünste meiner Nachbarin. Ich verstehe grundsätzlich nicht so viel vom Klavierspiel, aber ich denke mir mal, diese Melodien sind nicht ganz einfach zu spielen, so dass es gut klingt. Aber wenn man seit fünf Jahren mindestens einmal pro Woche diese Lieder auf dem Klavier übt – und ich meine NUR diese Lieder –, dann sollte es doch möglich sein, sie auch mal fehlerfrei zu spielen! Einfach aus Respekt vor den Komponisten. Und vielleicht auch ein bisschen den Nachbarn zuliebe.

Naja, wie schon Forrest Gump’s Mutter immer zu sagen pflegte, ist das Leben wie eine Packung Pralinen: Man weiss nie, was man bekommt. Dem kann ich als Stadtmensch durchaus nur zustimmen: Das Wohnen in einem Mietshaus ist wie eine Schachtel Pralinen: Man weiss nie, ob man vielleicht Nachbarn bekommt, welche immer die gleichen zwei Melodien am Klavier üben und dabei regelmässig kläglich scheitern. Aber wie es wiederum in „Amélie“ heisst: "Wenn der Finger zum Himmel zeigt, schaut nur ein Dummkopf den Finger an." – Vielleicht sind die falsch gespielten Melodien ein unerwiderter Hilferuf meiner armen Nachbarin. Vielleicht ist sie aber auch nur total talentfrei im Bezug aufs Klavierspielen. Ich für meinen Teil setze mich nun wieder auf den Balkon und warte den nächsten Stadiongig ab; die haben wenigstens ein bisschen ein grösseres Repertoire, egal, wer uns beehrt.

Damit hier keine Missverständnisse entstehen bezüglich der beschriebenen Melodien, will ich hier noch beide verlinken:

Comptine d‘un autre été: Ach, hätte ich doch diesen Lucas als Nachbarn.

Forrest Gump Theme: Sieht nicht gerade einfach aus. Vielleicht sollte meine Nachbarin es einfach mal etwas langsamer angehen...

(Bildquelle: flickr.com, serge_bosshard)

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Kommentare
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Marco_Buesch
Marco_Buesch 05.06.2012 um 21:19
Durchaus, wenn sie nur nicht so falsch spielen würde
sunkissedmelon 05.06.2012 um 14:54
Wenn sie es spät am Abend spielt- Ideal zum Einschlafen