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31. Juli 2012, 00:00 Kultur Movie

Kino: Merida - Legende der Highlands

Gregor Schenker - Der neue Film von Pixar ist in vielerlei Hinsicht untypisch für das Studio. Was durchaus seine guten Seiten hat (aber nicht nur). Über weibliche Protagonisten, Familienwerte und Horror-Bären.

Pixar wirbt stolz damit, dass Merida - Legende der Highlands (Brave) der erste Film des Studios mit einer weiblichen Heldin ist. Das ist tatsächlich eine schöne Abwechslung, je nach Blickwinkel aber weniger eine Errungenschaft ist als symptomatisch für das Frauenproblem Hollywoods. Männliche (und weisse) Protagonisten bleiben die Norm, auf die Ausnahme muss extra hingewiesen werden.
(Übrigens sollte Merida auch der erste Pixarfilm einer Regisseurin werden, Brenda Chapman wurde aber während der Produktion durch Mark Andrews ersetzt.)

Dem Sonderfall ist nicht zuletzt die Geschichte untergeordnet. Merida kann nicht einfach so eine Heldin sein, ihr Frausein muss auch explizit thematisiert werden und ist Ausgangspunkt der Handlung: Im mittelalterlichen Schottland lebt Merida, die Tochter von König Fergus und Königin Elinor. Während die Königin das Mädchen darauf vorbereitet, selbst einmal die Rolle einer Regentin einzunehmen und ihr Stricken, Nähen und Tischmanieren beibringt, interessiert sich dieses mehr für Bogenschiessen, Reiten und Kämpfen.

Der Konflikt zwischen Mutter und Tochter eskaliert, als Merida verheiratet werden soll, und zu dem Zweck drei Lords mit ihren jeweiligen Söhnen an den Königshof reisen. In einem Wettkampf wird entschieden, wer ihr Gemahl wird. So verlangt es die Tradition. Die Königin will die junge Frau zur Ehe zwingen, diese sucht Hilfe bei einer Hexe, um ihre Mutter mittels Magie umzustimmen. Freilich hat der Hexenzauber einen Haken und stellt Merida erst recht vor gewaltige Probleme.

Rebellische Töchter

Die rebellische Prinzessin (im übertragenen und im wörtlichen Sinne), die lieber kämpft als heiratet, ist längst ein abgenudeltes Klischee und mehr eine Sackgasse für Frauenrollen als ein feministisches Statement. Merida steckt in einem Figurenkorsett, das ihr wenig Luft lässt.

Wenigstens vermeiden die Filmemacher konsequent, die Story doch noch zu einer Liebesgeschichte umzumodeln. Merida bleibt von Männern unabhängig. Und der Film konzentriert sich nicht allein auf die Frauenfrage, sondern erzählt auch von Eltern und Kindern. Merida rebelliert nicht nur gegen das Prinzessinnenleben, sondern auch gegen ihre Mutter. Der Freiheitsdrang des Teenagers trifft auf die Besorgnis der Eltern, die nur das Beste für ihr Kind wollen - und für das ganze Königreich.

Ehe und Krieg

Denn Meridas Wunsch, sich der Hochzeit zu entziehen, hat politische Sprengkraft. Von der Eheschliessung hängt der Frieden im Land ab, mit ihrem Egoismus riskiert sie einen Krieg. Als sei das nicht schlimm genug, belegt sie ihre Mutter aus Versehen mit einem Fluch, der nicht ohne weiteres zu brechen ist. Und schliesslich weckt sie die Aufmerksamkeit von Mor'du, einem dämonischen Riesenbären, der von Hass und Blutgier getrieben ist.

Mit anderen Worten: Aus jugendlichem Egoismus und weiblicher Selbstsucht heraus bringt sie Verdammnis über ihr ganzes Volk. Hätte sie lieber mal brav geheiratet!

Ganz so konservativ ist der Film dann aber doch nicht. Merida lernt zwar, dass sie nicht nur ihre eigenen Wünsche durchsetzen kann (und dass Nähen gar nicht sooo schlimm ist), aber auch ihre Mutter sieht ein, dass sie ihrer Tochter Freiheiten lassen und selbst althergebrachte Traditionen hinterfragen muss. Die Geschichte endet versöhnlich, alles löst sich in Wohlgefallen auf. Es soll ja schliesslich ein Familienfilm sein.

Und als Familienfilm verlangt Merida - Legende der Highlands dem Publikum wenig ab. Zu Geschlechterrollen und Familienwerten hat er nicht viel Tiefsinniges oder Originelles zu sagen, subtil ist der Film schon gar nicht: Konflikte und Botschaften werden stets explizit ausformuliert. Selbst Kindern dürfte man eigentlich mehr zutrauen.

Slapstick und Horror

Viel interessanter als die Diskussion um Geschlechterrollen und Familienwerte sind übrigens die düsteren Töne, die Merida - Legende der Highlands mitunter anschlägt. Die dunklen Wälder und alten Steinkreise dieses Fantasy-Schottlands bieten einen faszinierenden Hintergrund und der Dämonenbär Mor'du ist ein grandioses bösartiges Untier, das vielen jüngeren Zuschauern Albträume bescheren wird. Hätten die mal den ins Zentrum der Handlung gerückt!

Nicht, dass der Film als Komödie nicht toll wäre. Allein das kreative, karikierende Figurendesign macht immer wieder sehr viel Spass. Die drei Lords und ihre Söhne zum Beispiel gehören zu den coolsten Typen seit The Incredibles. Nur die Hexe ist etwas arg nervig und untergräbt das Drama der Handlung: Der böse Fluch existiert bloss, weil sie so zerstreut und inkompetent ist. Wie soll man da die Sorgen der Protagonisten ernst nehmen?

Zwischen Pixar und Disney

Merida - Legende der Highlands ist in vielerlei Hinsicht untypisch für Pixar. Er ist der erste Film des Studios, der in einem märchenhaften Umfeld spielt und eine weibliche Hauptfigur hat. Und er ist für überraschend düster. Innovativ ist er trotzdem nicht. Er löst sich zwar vom Pixar-Schema, klammert sich dafür aber ans klassische Disney-Muster. (Bis hin zu den Musical-Nummern. Nicht, dass die Protagonisten tatsächlich selbst singen würden, aber die begleitenden Filmsongs nehmen eine zentrale Stellung ein.)

Wären Andrews, Chapman und Co. doch etwas mutiger gewesen! Merida - Legende der Highlands hätte ruhig noch ein bisschen erwachsener, subtiler und gruseliger sein können. Hätte Familienwerte nicht derart plump ins Zentrum stellen müssen. Und hätte sich nicht auf seiner rebellischen Prinzessin ausruhen müssen, sondern hätte einen echten weiblichen Charakter schaffen können. Dann müsste ich jetzt nicht soviel an einem Film herummäkeln, der eigentlich ziemlich okay ist.


Bewertung: 3 von 5


Erfahre mehr über den Film auf der offiziellen Website.


  • Titel: Brave
  • Land: USA
  • Regie: Brenda Chapman, Mark Andrews
  • Darsteller: Kelly Macdonald, Emma Thompson, Billy Connolly
  • Verleih: Walt Disney Company
  • Start: 2. August 2012
Fotos von Disney Enterprises, Inc.
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