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31. Juli 2012, 21:08 Kolumnen

Darf ich darüber lachen?

Marco Büsch - Meine Erlebnisse aus dem Zivildiensteinsatz in einem Altersheim: Klappe, die Zweite. Von lustigen Alten und Witzen über wenig erfreuliche Dinge. Oder: Darf man über alles lachen?

Nun arbeite ich schon seit ein paar Wochen meinen Zivildienst in einem Altersheim ab (siehe hier) und wie das so ist, man mag die einen besser als andere. Zum Beispiel die eine ältere Dame, welche immer einen kessen Spruch auf Lager hat und mich öfters mal „Burscht“ oder „Schatz“ nennt und mit mir versucht zu flirten. Gut, unsere Beziehung hat ein bisschen gelitten, seit sie mir gebeichtet hat, dass sie der abgelehnten Schwarzenbach-Initiative immer noch nachtrauere. Oder als sie mir riet, ich solle ja keine Ausländerfreundin aus den Ferien mit nach Hause mitnehmen, von denen hätte es hier schon genug. Aber sonst ist sie ganz okay, wirklich!

Manchmal ist aber auch einfach rührend, wie die eine Dame, welche intern in den Speisesaal anrufen wollte, aber leider die Ziffern vertauscht hat und so die Notfallnummer wählte, sich dort aber ganz normal für das Mittagessen abmeldete. Es wurde ihr dann nahegelegt, die eingegebene Telefonnummer nochmals zu überprüfen, es könnte ein Missverständnis vorliegen. Wobei manche ältere Personen einen solchen Stress um solche Dinge machen, dass man manchmal wirklich das Gefühl haben könnte, es handle sich um einen Notfall.

Mit was ich aber tatsächlich immer noch nicht richtig umgehen kann, ist dieser ewige Galgenhumor. Letztens musste ich nach dem Frühstück die Tische putzen und schnappte ein Gespräch zwei meiner Lieblingsalten auf und das ging ungefähr so:

Dame: „Du bist ja immer noch hier?!“

Herr: „Tja, Unkraut vergeht nicht.“

Dame: „Wird es nicht Zeit, dass du gehst, damit es wieder ein bisschen mehr Platz im Speisesaal hat? Dein Rollator versperrt mir immer den Weg!“

Herr: „Jaja, wenn ich dann mal tot bin, machen die bei der AHV einen Freudensprung und trinken einen Extrakaffee!“ (Das klingt mit seinem urchigen Berndütsch noch vil besser: „Wäni dänn mal tot bi, mache die bi dä AHV ä freudegump und trinked ä Extrakafi!“)

Das ging dann eine Weile so weiter und ich wusste nicht, ob ich mitlachen sollte oder nicht. Denn lustig war es durchaus, aber ich fühlte mich irgendwie nicht berechtigt dazu. Ich meine, ich mag diese Art mit dem Tod umzugehen um einiges mehr, als wenn manche der Alten mir mitteilen, dass sie nicht mehr wissen, warum sie überhaupt noch da sind und am Liebsten nicht mehr weiter leben würden. Was soll man da erwidern, wenn diese Person täglich Schmerzen hat und kaum mehr als ein paar Schritte gehen kann? Da weiss ich dann auch nichts zu erwidern als ein paar Floskeln und Phrasen. Mit den Witzen kann ich schon ein wenig besser umgehen, aber die Grundfrage bleibt: Darf ich darüber lachen? Ist es nicht ein bisschen vermessen so als junger Schnösel bei solchen Witzen mitzulachen, wenn die Angst vor dem nahenden Tod nicht gerade daily business ist?

Es ist interessant, dass ich mir diese Fragen stelle, denn sonst gehöre ich eher zur Fraktion von Menschen, welche der Meinung sind, dass man über alles und jeden lachen sollte und darf, solange es nicht bösartig wird und man auch mal über sich selbst lachen kann. Aber bei dieser Art von Humor bin ich mir da gar nicht mehr so sicher: Mit einer Person gemeinsam über ihren nahenden Tod zu lachen scheint dann sogar mir etwas zu krass und pietätlos.

Nun, es bleibt anzumerken, dass ich die Art und Weise bewundere, wie diese Personen teilweise mit ihrer Angst vor dem Tod umgehen. Was ich aber in erster Linie von meinem Einsatzmitnehmen werde, ist, dass die ganzen neumodischen Hipster mit ihrem YOLO-Schwachsinn tatsächlich recht haben, denn ich will am Ende des Tages nicht in einem Altersheim hocken mit dem Gefühl, etwas verpasst zu haben. Ich würde dann eigentlich lieber Witze über die AHV reissen. Wenn es die bis dann noch gibt.

Kolumne auf ronorp.ch

Kommentare
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Marco_Buesch
Marco_Buesch 04.08.2012 um 12:49
Danke, das freut mich zu lesen!