Magazin durchsuchen

Neuste Blogs

11. September 2012, 00:00 Kultur Movie

Kino: Ai Weiwei – Never Sorry

Gregor Schenker - Die Dokumentarfilmerin Alison Klayman hat den chinesischen Künstler und Aktivisten Ai Weiwei drei Jahre lang begleitet. Daraus ist ein spannendes Porträt nicht nur des Künstlers, sondern auch der politischen Situation in China geworden.

Die Journalistin und Jungfilmerin Alison Klayman hat den chinesischen Künstler Ai Weiwei drei Jahre lang begleitet – ungefähr seit dem Zeitpunkt, als dieser mit seinem Einsatz für die Opfer des Erdbebens in Sichuan von 2008 zu einer berühmten politischen Figur wird. Am Schluss steht seine überraschende Verhaftung im Frühjahr 2011. Sie zeigt den Arbeitsablauf in seiner Kunstfabrik, die Vorbereitung und Durchführung von Ausstellungen oder politischen Aktionen und führt Interviews – nicht nur mit dem Künstler, sondern auch mit Kollegen, Weggefährten und Journalisten. Dabei porträtiert sie nicht zuletzt den Menschen Ai Weiwei, der mit seiner besorgten Mutter spricht oder seine Geliebte und deren Sohn besucht (die Ehefrau weiss davon, nimmt es aber hin).

Nebenher rollt Klayman seine Biographie auf: Die Kindheit während der Kulturrevolution (sein Vater fällt als Poet in die Hände der Revolutionäre). Das Kunststudium in New York (er gehört zur ersten Generation von Studenten, die das kommunistische China verlassen dürfen). Seine Rückkehr nach Hause und sein Beitrag zu einer neuen chinesischen Kunstszene. Und schliesslich sein öffentlicher Einspruch gegen die Olympischen Sommerspiele von 2008 in China, die ihn schlagartig international bekannt machen (nicht zuletzt, weil er das „Vogelnest“-Stadion mitkonstruierte).

Der Dokumentarfilm vermittelt anschaulich, wie sich bei Ai Weiwei Künstlerisches, Politisches und Persönliches verbindet. Sein Prominentenstatus als international bekannter Künstler, der regelrechte Personenkult um ihn erlaubt ihm Aktionen, für die andere eingesperrt werden. Kollisionen mit den Behörden gibt es dennoch: Eines Abends wird er von einem Polizisten am Kopf schwer verletzt. Den schuldigen Beamten haftbar zu machen, wird zu einer Odyssee durch die Behördenstellen. Trotzdem, Ai Weiwei hält sich in seinem Kampf gegen die Ämter penibel an die gesetzlichen Vorgaben, um den Wahnwitz und die Willkür der chinesischen Justiz blosszustellen.

Ai Weiweis Werdegang der letzten Jahre wäre nicht denkbar ohne Soziale Medien. Nachdem sein Blog verboten wird, wendet er sich per Twitter an seine Fans. Jede politische Aktion wird sofort getwittert, inklusive Bilder. Es wird aber auch nicht verschwiegen, dass Ai Weiwei genau so von der politischen Öffnung der letzten Jahrzehnte profitiert. In den Achtzigern wäre sein jetziges Tun unmöglich gewesen.

Dennoch hat China noch einen langen, langen Weg vor sich: Schliesslich wird der Künstler doch noch verhaftet, unter anderem wegen angeblicher Steuerhinterziehung, Pornografie und Bigamie. Er wird zwar freigelassen, aber mit einem Redeverbot gestraft. Bis heute darf er das Land nicht verlassen. Ein bestürzendes Ende für den Film.


Bewertung: 4 von 5



  • Titel: Ai Weiwei: Never Sorry
  • Land: USA
  • Regie: Alison Klayman
  • Verleih: Look Now!
  • Start: 13. September 2012
Fotos von Look Now!
Kommentare
Login oder Registrieren