Heiris Bizeps, nein Papa und das Brötli
Michèle Ryatt - Wer kennt sie nicht? Die unmöglichen, kopfzermatternden, nervenaufreibenden Entscheidungen: Soll ich jetzt das Gipfeli oder das Brötli nehmen und sowieso hat Heiri den schöneren Bizeps als Hans?
Ja, die neuropsychologische Debatte über unseren Entscheidungsprozess ist reg, doch noch feuriger wird es, wenn sich die Frage dann zum damit verbundenen freien Willen wendet. Regelrecht Köpfe wurden eingeschlagen, als vor einigen Jahren eine Studie der Gehirnforschung publiziert wurde, welche meinte, dass die erworbenen Resultate auf einen determinierten Willen schliessen lassen. So würde dann die Vorliebe für Hans schlaffen Bizeps „freudisch“ unterbewusst, durch die kindheitslieben Schlabberarme von Papa vorbestimmt und der tröstende Griff zu Hans Gipfeli von dem frustrierenden Streit mit Mama determiniert. Eine betrübende, ja gar farblose Vorstellung, welche gemäss neuen Forschungsergebnisse auch als asozial bezeichnet wird!
Eine etwas aktuellere Studie von Baumeister RF befasst sich nämlich weniger mit der Frage über den freien, beziehungsweise determinierten Willen, sondern viel mehr mit der Auswirkung auf das Verhalten, welche die Überzeugung vom Einen oder Anderen mit sich bringt. Die Resultate waren dabei eindeutig und äusserst aufschlussreich, da in zwei unterschiedlichen Studien mittels zweier unterschiedlichen Methoden, die gleichen Erkenntnisse gewonnen wurden.So wurde in der ersteren Methode die Handlung von Personen beobachtet, welche bereits entweder vom freien oder determinierten Willen fest überzeugt waren. Während in der zweiten Angehensweise das Verhalten von Personen untersucht wurde, welche im Vorhinein der Studie spezifisch zu einer der beiden Überzeugungen über den Willen manipuliert wurden. Bei beiden Studien, obwohl mit unterschiedlicher Methodik, wurde gezielt die Bereitschaft zu sozialem Handlen erforscht. Dabei legten klar ersichtlich, die Kategorie der vom freien Willen Überzeugten, eine erhöhte Hilfsbereitschaft an den Tag. Interessant war jedoch auch die gesteigerte Aggressivität der Probanden, welche an einen determinierten Willen glaubten. Diese verpassten nämlich ihren Kollegen bei der im Experiment ermöglichten Gelegenheit weitaus mehr Chilisauce auf ihren HotDog, als die wohl ausgeglicheneren, vom freien Willen überzeugten Probanden!
So sehen wir, dass der Glaube an den determinierten oder an den freien Wille grossen Einfluss auf unsere Mitmenschen, wie auch uns, hat. Denn die Überzeugung vom Determinismus, also dass wir das Gipfeli und Hans, durch Mama plus Papa determiniert essen, macht uns hiermit zu agressiven „Asis“. Während der Standpunkt, dass wir schlichtweg mit genüsslicher, freiwilliger Freude Heiris schönen Bizeps geniessen, in uns sozial funktionierende und ausgeglichene Seiten hervorbringt. Schliesslich hat bereits Jesus mit höchstem Hilfsbereitschaftsideal gemeint, dass wir unseren Nächsten lieben sollen, während Gandhi seine Botschaft des nicht-agressiven Verhaltens verkündete. Somit sagen wir wohl ja zur Überzeugung des Freienwillen, nein zu Papa/Hans Bizeps und seinem Gipfeli und umarmen das Brötli!
Quelle: Baumeister RF, Masicampo EJ, DaWall N. Prosocial benefits of feeling free: Disbelief in free will increases aggression and reduces helpfullness.