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22. September 2012, 00:00 Kultur Movie Zurich Film Festival

Kapringen @ Zurich Film Festival

Gregor Schenker - Sein erster Film war ein knallharter Gefängnisthriller. Der Zweitling handelt von dänischen Matrosen, deren Frachter von somalischen Piraten gekapert wird. Tobias Lindholm stellt erneut ein Werk vor, das einem Fausthieb in die Magengrube gleicht.

Vergangenes Jahr präsentierte der Däne Tobias Lindholm am Zurich Film Festival den knallharten Gefängnisthriller R. Den hatte er zusammen mit Michael Noer inszeniert. Inzwischen bewegt er sich auf Solopfaden und kommt mit seinen zweiten Spielfilm Kapringen nach Zürich. Dieser handelt von Mikkel (Johan Philip Asbæk), einem dänischen Schiffkoch an Bord eines Frachters, der von somalischen Piraten gekapert wird. Er wird gezwungen, für die Entführer zu kochen, ständig der Lauf eines Maschinengewehrs im Rücken.

Im dänischen Hauptsitz der Firma Orion Seaways entdecken die Bosse derweil, dass die Rozen (so der Name des Kutters) gekapert wurde. Der CEO Peter Ludvigsen (Søren Malling), ein unnachgiebiger Geschäftsmann, besteht gegen die Empfehlungen des hinzugezogenen Experten darauf, selbst mit den Piraten zu verhandeln. Der Prozess zieht sich über Tage, Wochen und Monate hin. Über Telefon und Fax geht es in kleinsten Schritten voran. Die Piraten werden ungeduldig. Den Gefangenen geht es immer schlechter. Die Familienangehörigen quälen sich ob der ungewissen Situation. Der Druck setzt Peter psychisch zu.

Wie schon in R ist Kapringen im Grunde ein Genrefilm, der sich bei Hollywood’schen Vorbildern bedient, gleichzeitig legt Lindholm aber Wert auf grösstmöglichen Realismus. Den groben Handlungsverlauf und zentrale Szenen hat er zwar vorgegeben, letztlich wurden aber grosse Teile des Filmes improvisiert. Unter den Darstellern befinden sich einige Laien, die zum Teil selbst schon Schiffsentführungen durchgemacht haben. Geprobt wurde nicht, die Kamera bewegt sich wie bei einem Dokumentarfilm. Was gezeigt wird, basiert auf ausführlichen Recherchen und Zeugenbefragungen.

Über weite Strecken passiert nicht mehr, als dass Leute beieinander sitzen, aufs Meer hinausschauen oder auf ein Fax warten. Währenddessen wartet der Zuschauer zitternd darauf, dass eine Katastrophe eintritt, dass Leute sterben. Lindholm spielt mit den Publikumserwartungen und zeigt nur das, was er unbedingt zeigen muss. Der Rest spielt sich im Kopf des Beobachters ab. Auch die Aufteilung der Handlung auf Mikkels und Peters Perspektive ist clever: Die beiden wissen kaum, was auf der anderen Seite vor sich geht. Nur das Publikum hat den Überblick – bis dieser Überblick in einem entscheidenden Moment auch ihm verwehrt wird. Lindholm manipuliert den Zuschauer skrupellos und meisterhaft. Da bleibt niemand ruhig sitzen.


Weitere Vorstellungen:

  • Sa, 22. Sept, 16:00, corso 2
  • Di, 25. Sept, 18:30, corso 2

Kapringen läuft im internationalen Spielfilmwettbewerb.

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