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1. Oktober 2012, 00:34 Kultur Movie Zurich Film Festival

Paul Bowles: The Cage Door is Always Open @ ZFF

Gregor Schenker - David Youngs Dokumentarfilm „Paul Bowles: The Cage Door is Always Open” erzählt von einem Künstler, der heutzutage kaum bekannt ist, aber ein faszinierendes Werk und eine nicht weniger faszinierende Biographie hinterlassen hat.

1998 besuchte Daniel Young den gesundheitlich angeschlagenen Schriftsteller Paul Bowles in Tanger und interviewte ihn. Die Möglichkeit ergab sich zufällig über eine Bekannte, nachdem der junge Filmemacher The Sheltering Sky gelesen hatte. Bowles starb im Jahr darauf, Young hingegen verbrachte 14 Jahre damit, das Leben des Künstlers zu recherchieren und Leute wie Gore Vidal, Bernardo Bertolucci und John Waters vor die Kamera zu holen (natürlich kommt neben den Künstler-Kollegen auch die übliche Mischpoke an Experten zu Wort). Als Young davon erzählt, hört man ihm an, wie viel Kraft die jahrelange Arbeit dem amerikanisch-schweizerischen Doppelbürger gekostet hat.

In eher konventioneller, aber nichtsdestotrotz spannender Art rollt sein Dokumentarfilm die Biographie Bowles auf: 1910 geboren und in strengem Hause aufgewachsen, flüchtet er in die Künstlerszene New Yorks, wo er sich in den 1930ern einen Namen als Komponisten macht. Er reist nach Europa und in der halben Welt herum, bis er sich auf Empfehlung seiner Mentorin Gertrude Stein Tanger ansieht. Dort lässt er sich schliesslich mit seiner Frau Jane dauerhaft nieder, schreibt mit The Sheltering Sky seinen ersten (und sofort immens erfolgreichen) Roman und beschäftigt sich eingehend mit der marokkanischen Kultur.
Truman Capote, William S. Burroughs oder Allen Ginsberg besuchen ihn in Afrika. Tanger wird zum Geheimtipp für Beatniks, schliesslich folgen Massen von Hippies. Derweil dokumentiert Bowles in Marokko Geschichten und Musik, erhält sie für die Nachwelt.

Die trockenen Fakten, Fotos, Archivaufnahmen und Interviews werden aufgelockert durch Ausschnitte aus Bertoluccis Verfilmung von The Sheltering Sky (mit John Malkovich in der Hauptrolle) und aus David Cronenbergs Kultfilm Naked Lunch (in dieser freien Adaption des Burrough-Romans spielt das Ehepaar Bowles eine Nebenrolle). Zahlreich sind zudem die Beispiele aus Bowles’ musikalischem Schaffen.

Besonders spannend sind die animierten Zwischensequenzen, die Robin Bushell und William Crook in gerade mal sechs Wochen zustande gebracht haben, wie Young erzählt. Die wilde Mischung aus Knetgummi-Stop-Motion, Zeichentrick und Fotocollage (mitunter frech und obszön) sprüht vor Einfallsreichtum.

Paul Bowles: The Cage Door is Always Open kann naturgemäss keine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Werk des Künstlers bieten, auch nicht mit seiner Person oder der schmerzhaften Beziehung zu seiner Frau. Der Film bleibt in vielerlei Hinsicht an der Oberfläche. Aber man gewinnt einen handlichen Überblick und wird auf einen Schriftsteller aufmerksam gemacht, der heutzutage wenig bekannt ist, es jedoch verdient hat, dass man sich weitergehend mit ihm beschäftigt.


Paul Bowles: The Cage Door is Always Open lief im deutschsprachigen Dokumentarfilmwettbewerb. (Obwohl die Doku auf Englisch ist. Immerhin ist es eine Schweizer Produktion.)

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