"Kein Bock auf Ebli-Zeug"
Patrick Timmann - Heute ist World Vegan Day. Fleischlose Ernährung ist buchstäblich in aller Munde. An der Unimensa Basel sorgt ein Vorstoss für Wirbel, der das Fleischangebot vom Speiseplan streichen will. Wie denken die zürcher Unistudenten? Ein Befragungsversuch.
Martin ist fast fertig, nur noch der ist Salat übrig. Ein günstiger Moment. Ich trete zu ihm an den Tisch und stelle mich als angehenden Journalisten vor, der sein erstes Opfer sucht. Martin ist sofort einverstanden und bittet mich, ihm gegenüber Platz zu nehmen. Dankbar setze ich mich zu ihm und hole meinen vorbereiteten Interviewleitfaden aus dem Rucksack. Ein Blick auf die erste Frage genügt und ich werfe meinen Plan über den Haufen. Verdammt, das hier ist nicht Sozialwissenschaft sondern Journalismus! Scheiss auf die Reihenfolge der Fragen, am Ende soll was Lesbares dabei herauskommen.
„Eine der Besten“ antwortet der Masterstudent in Computational Biology auf meine Frage, was er denn von der Unimensa halte. Als ETH Student komme er deshalb regelmässig hierher. Aha, denke ich mir, einer von denen, die „uns“ immer die Plätze wegnehmen und für die Überbevölkerung der Mensa mitverantwortlich sind. Vegetarier ist Martin zwar nicht, aber wenn es gut aussehe, nehme er ab und zu das Vegimenü. Heute sei es allerdings ein Reinfall, „viel zu fettig“, sagt er und deutet auf die grüne Ölpfütze in seinem Teller. Auch an anderen Tagen sei das Vegimenü nicht über jeden Zweifel erhaben. „Kein Bock auf dieses Ebli-Zeug“. Wir reissen ein paar Witze und fangen an zu plaudern. Ich merke, wie wir abschweifen.
Von einem Fleischverbot in der Mensa hält der 24-Jährige nichts. Einen Ausbau des vegetarischen Angebots fände er hingegen gut. Aus ökologischer Sicht hege er durchaus Sympathien für die Anliegen der Vegetarier. Ein komplett fleischlose Mensa entspreche jedoch nicht dem Konsumverhalten und den Ansprüchen der Studenten. Viele hätten Angst, ohne Fleisch nicht richtig satt zu werden.
Wir verabschieden uns per Handschlag. Ich hätte meinen Job gut gemacht, gibt er mir mit auf den Weg. Ich freue mich über das Kompliment, bin allerdings skeptisch. Plaudern kann ich offenbar, aber ich muss die Informationen gezielter herauslocken.
Ich schlendere durch die Gänge hinauf in den Lichthof. Auch hier herrscht Hochbetrieb. Viele arbeiten während des Essens. Ich sehe niemanden, der in mein journalistisches Opferschema passt. Zwei Studentinnen sollen es diesmal sein. Zurück auf der Mensaterasse werde ich fündig. Anna*, Erasmus-Studentin aus Spanien, erlaubt mir, mich zu ihnen zu setzen. Ihre Kollegin spricht kein Deutsch. Als ich sie frage, ob sie von der Sache mit der Unimensa Basel gehört haben, reagieren die beiden 21-Jährigen ratlos. Sie seien erst seit einigen Wochen in der Schweiz. Die Kollegin vermisst Fisch. Anna dagegen will in der Schweiz keinen Fisch essen, hier sei man zu weit weg von der Küste.
Das war wohl nichts. Nach wenigen Minuten bedanke und verabschiede ich mich. Ich brauche Leute, die hier regelmässig essen.
Meine nächsten beiden Versuche verlaufen auch nicht besonders erfolgreich. Ich entdecke ein Muster: Je jünger die Befragten, desto schüchterner reagieren sie auf mich. Werde ich langsam alt oder fürchten sie den „Journalisten“? Ich bemühe mich, von Anfang an zu beruhigen, erkläre, ich hätte weder Kamera noch Mikrofon im Gepäck. Bloss Stift und Papier. Trotzdem verlaufen die Gespräche harzig. Nach jeder Frage werden nervöse Blicke ausgetauscht. Die Antworten sind oft einsilbig und ich muss nachhaken. Ich stelle zu viele Suggestivfragen und merke, dass die Statements eher meine Meinung widerspiegeln, als die der Befragten.
Es ist gegen 14 Uhr, die Mensa leert sich allmählich. Ich setze mich zu Catarina und Fridolin. Sie studieren Anglistik im 13. bzw. Germanistik im 12. Semester. Mit Freude stelle ich fest, dass Beide eine eigene Meinung haben und diese auch ausdrücken können. Catarina ist zufrieden mit dem Essensangebot, findet jedoch das Vegimenü nicht überragend, und der Salat sei zu teuer. Die 25-Jährige hätte nichts dagegen, wenn die Mensa kein Fleisch mehr anbieten würde. Sie habe Fleisch ohnehin nicht gerne und sei fleischlos erzogen worden. Ganz anders Fridolin, der auf einem Landbetrieb aufwuchs. Von einer Vegimensa will er nichts wissen. „Ich will mein Fleisch. Das gehört für mich dazu“. Er wehrt sich gegen Bevormundung und Bestrafung der Fleischesser.
Die Mittagszeit ist vorbei, all meine Fragebogen sind aufgebraucht. Zufrieden trete ich hinaus in den grauen Nachmittag. Wie die Mehrheit der Studierenden über eine mögliche Vegimensa denkt, weiss ich zwar immer noch nicht, dafür habe ich heute einiges über das journalistische Handwerk gelernt.
*Name geändert