7 Stunden Langeweile und ein neuer Präsident
Marco Büsch - Ich habe über sieben Stunden lang die US-Wahlen live mitverfolgt. Dabei war schon vorher alles klar. Was man nicht alles tut als Politologie-Student.
Man spielt Gemsch. Zu zehnt. Ein Riesenchaos, aber lustig. Man schaut den Mitstudenten zu, wie sie von «Schweiz Aktuell» interviewt werden und überlegt sich, was man selbst sagen würde. Zum Beispiel Dinge wie «Ich weiss gar nicht um was es geht, ich brauche einfach eine Gelegenheit um zu Übernachten. Und es gibt Bier.» Das wäre irgendwie total lustig. Aber irgendwie auch doof, wenn sich das Fernsehen schon mal für die Politologen interessiert. Also natürlich abgesehen vom Triumvirat Hermann/Longchamp/Stämpfli und wer sich sonst noch alles dazuzählen will. Man trinkt Kaffee. Und noch einen Kaffee. Und noch einen. Und dann hat man ein wenig Bauchweh, weil so viel Kaffee auf nüchternen Magen nicht sonderlich bekömmlich ist, aber die Hot Dogs leider schon seit Stunden ausverkauft sind. Man diskutiert. Aber eigentlich ist den Meisten schon klar, dass Obama gewinnen wird. Alle Zeichen sprechen für ihn, nur die Medien versuchen daraus noch eine Riesensache zu machen. Man langweilt sich, versucht sich aber trotzdem interessiert zu geben, weil ein Politologie-Student hat sich nun mal für die US-Präsidentschaftswahlen zu interessieren. Immer. Man diskutiert, ob man nicht vielleicht doch ins Hive gehen sollte. Niemals.
Natürlich werden auch politische Diskussionen geführt, Analysen ausgebreitet und Vermutungen angestellt. Man spricht zum Beispiel über die Grösse der Präsidenten und den Einfluss der Körpergrösse auf die Präsidentschaftswahlen (siehe hier). Die amerikanischen Wähler mögen grundsätzlich die grösseren Kandidaten lieber. Obama ist 185cm gross, Romney hingegen 188cm. Diese 3cm könnten schlussendlich noch match-entscheidend werden. Man lacht darüber. Politologen-Humor. Oder einfach nur die Müdigkeit. Dr. John Bendix hat am frühen Abend darauf hingewiesen, dass es auch Forschung bezüglich der Silbenanzahl der Kandidaten gibt (siehe hier): Wer mehr Silben in seinem Nachnamen vereinigt, besitzt eine grössere Wahrscheinlichkeit Präsident zu werden. Hier hat Obama klar die Nase vorn. Oder die Silbe. Ha ha. Es ist halb vier Uhr morgens und ich weiss mich nicht mehr wirklich zu unterhalten. Man lacht über den amtierenden Gouverneur von New Jersey Chris Christie, weil sein Name so lustig ist. Das ist kein Politologen-Humor, das ist einfach nur doof. Auf MSNBC laufen immer die gleichen Werbungen. Ich hätte nie gedacht, dass ich diesen Satz einmal schreiben würde, aber da lob ich mir unser Schweizer Fernsehen und seine abwechslungsreichen Werbungen. Ich würde gerne mal auf Fox umschalten, um die Gegenseite zu hören, aber mir fehlt die Kraft, die Mehrheit im Raum zum umschalten zu bewegen. Einfach die Fernbedienung zu schnappen und umzuschalten, wäre ein Frevel, weil Politologen grundsätzlich eher demokratiefreundlich gestimmt sind. Ich bin müde.
Es ist mittlerweile halb sechs Uhr morgens und Helmut Kohl würde sagen «Die Birne ist geschält». Sie war zwar schon im voraus grösstenteils geschält, aber nun ist es endgültig. Ich bin völlig übermüdet und habe Bauchweh vom vielen Kaffee. War es das wert? Jawohl! Würde ich es wieder tun? Jederzeit! Man muss die «Politologen-Weihnachten» nunmal feiern, wie sie fallen.
Weitere Kolumnen gibt es auf meinem Blog nachzulesen: Hier!
Four more beers!