Toilettenlektüre: Ja oder nein?
Marco Büsch - Die einen finden Toilettenlektüren eklig, andere können nicht sein ohne. Ich empfehle ein paar Werke für das tägliche Geschäft. Ob gross oder klein.
Das 1989 erschienene und oft kopierte „Handbuch des nutzlosen Wissens“ von Hanswilhelm Haefs ist in seiner Einfachheit und Genialität kaum zu überbieten. Auf 212 Seiten zählt Haefs Fakten auf, die verwundern, verblüffen, erstaunen und manchmal auch über alle Massen banal und langweilig sind. So erfährt man etwa Dinge wie, dass der Mensch als einziges Säugetier lachen kann, Cäsar Epileptiker war oder in Siena allen Frauen, die den Namen der Jungfrau Maria tragen, die Prostitution verboten ist. Oder dass die Leistung der männlichen Spermien auf der Reise zum weiblichen Ei ungefähr der Leistung eines Menschen entsprechen, der durch einen Sirupatlantik von Europa nach USA schwömme. Die Aufzählung könnte noch endlos fortgeführt werden, aber bevor ich vollends ins Schwärmen gerate, sei vor allem darauf hingewiesen, dass die Fakten sehr kurz gehalten sind und sich daher perfekt als Toilettenlektüre eignen, denn ob gross oder klein, man schlage einfach eine Seite auf und nehme ein bisschen nutzloses Wissen in sich auf. Zumindest an Studentenpartys kommt es immer gut an, wenn ich erzähle, dass Austern ihr Geschlecht während ihres Lebens viele Male ändern. Oder dass der Schraubenzieher vor der Schraube erfunden wurde. So nutzlos ist das Wissen dann eben doch nicht.
Eine weitere Empfehlung ist „Das Buch der verrückten Experimente“ von Reto U. Schneider, in welchem er ein paar der bekanntesten Experimente der Wissenschaftsgeschichte jeweils auf wenigen Seiten zusammenfasst. So erzählt er zum Beispiel die Geschichte des Stanford-Prison-Experiments oder erklärt, woher der pawlowsche Hund seinen Namen hat. Oder er klärt auf, dass der urban myth der Lenkung des Unterbewusstseins durch schnell eingeblendete Bilder in Kinofilmen, wie er in Filmen wie „Fight Club“ auftaucht, tatsächlich nur ein urban myth ist, der auf gefälschten Statistiken beruht. Schneiders Buch ist insgesamt eine schöne Ansammlung verschiedenster Forschungen, welche einmal mehr zeigen, wie interessant die Wissenschaft eigentlich sein kann. Diese Sichtweise geht manchmal ein wenig verloren, wenn man sich Woche für Woche durch Berge mehrheitlich eher faden Papers lesen muss. Grosse Wissenschaftlichkeit ist von solch einem Buch natürlich nicht zu erwarten, für den Toilettenbesuch indes genügt es jedoch vollkommen.
Man sieht, der Begriff der Toilettenlektüre ist keineswegs abschätzig gemeint, im Gegenteil: Es heisst doch im Grunde genommen nur, dass diese Autoren es verstehen, die Texte auf ein paar kurze, prägnante Sätze herunterzubrechen, welche sich für die Zeitspanne des Geschäfts problemlos lesen lassen. Diese Kolumne zum Beispiel ist fast schon wieder zu lange. Kolumnen sollten allgemein mit dem Ziel verfasst werden, toilettentauglich zu sein. Falls jemand übrigens seine Toilettenlektürentipps mitteilen will, nur zu! Die oben genannten Bücher habe ich seit Jahren ausgelesen und die Kolumnen im Tagimagi hat man nach einigen Geschäften auch durch. Aber vielleicht findet der geneigte Leser die Toilettenlektüre ja an sich schon eklig, dabei gehört sie zu einer der schönsten Nebensachen der Welt.
Weitere Kolumnen gibt es auf meinem Blog nachzulesen: Hier!