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30. Januar 2013, 22:11 Kultur Movie

Kino: Vergiss mein nicht

Gregor Schenker - Der Filmer David Sieveking hat die fortschreitende Alzheimer-Erkrankung seiner Mutter dokumentiert und zum Anlass genommen, sich mit ihrer Biographie zu beschäftigen. „Vergiss mein nicht“ ist das berührende Portrait einer starken Frau und einer schwierigen Ehe.

Der Regisseur David Sieveking, der sich vor zwei Jahren mit David Wants to Fly hervortat, hat die fortschreitende Alzheimererkrankung seiner Mutter Gretel dokumentiert. Was mit seltsam vielen Merkzetteln in der Küche und einem vergessenen Weihnachtsessen anfängt, geht bald in einen drastischen Zerfall von Körper und Geist über. Als David zu seinen Eltern reist, um bei der Pflege zu helfen, erkennt ihn seine Mutter schon kaum mehr. Während sein Vater Malte sich für einige Wochen eine Auszeit in der Schweiz nimmt, kümmert sich der Sohn allein um die Frau – und gerät nach anfänglichem Enthusiasmus bald an seine Grenzen.

Vergiss mein nicht pendelt ständig zwischen Witz und Traurigkeit. Das eine Mal lässt sich Gretel mit dem Versprechen von Butter in die Küche locken, ein andermal ist sie vom Besuch im Schwimmbad völlig überfordert. Wenn sie ihren Sohn immer wieder mit ihrem Ehemann verwechselt, möchte man gleichzeitig lachen und heulen.

Der Zustand der Mutter ist für David auch ein Anlass, sich mit ihrer Biographie auseinanderzusetzen. Er merkt schnell, dass er im Grunde wenig über seine Eltern weiss, und beginnt zu recherchieren, reist mit den beiden an die Orte ihrer Vergangenheit.
Gretel lernte ihren Mann, einen Mathematiker, vor über vierzig Jahren in Hamburg kennen. Zusammen reisten sie für einige Jahre in die Schweiz, wo Malte als Assistent an der Universität arbeitete, während Gretel sich in der Revolutionären Aufbauorganisation Zürich (raz) politisch betätigte – und unter anderem den heutigen Journalisten und Entwicklungspolitik-Experten Peter Niggli kennen lernte, mit dem sie eine Affäre hat. Gretel und Malte führen zwar eine offene Ehe, einfach ist das aber nicht immer.

Schon David Wants to Fly war ein sehr persönlicher Film, in Vergiss mein nicht legt Sieveking erst recht alles offen; sein Kameramann Adrian Stähli hält selbst die intimsten Momente fest. Manch ein Zuschauer mag sich als Voyeur vorkommen. Immerhin zeigt der Regisseur am Ende nur einen zeitlich begrenzten Ausschnitt: Der Film endet, bevor Gretel bettlägerig wird, die letzten Monate spart er aus. So bleibt Vergiss mein nicht ein berührendes Porträt, das nie ins Sensationalistische abdriftet.


Bewertung: 4 von 5


  • Titel: Vergiss mein nicht
  • Land: Deutschland
  • Regie: David Sieveking
  • Verleih: Look Now!
  • Start: 31. Januar 2013
Fotos von Look Now!
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