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9. April 2013, 10:55 Movie

Kino: Paradies: Liebe

Marco Peter - Wie sich weisse Frauen schwarze Liebe kaufen, das erzählt „Paradies: Liebe“. Das Drama ist der erste von drei Paradies-Filmen des österreichischen Regisseurs Ulrich Seidl. Es erzählt die Geschichte von Teresa, die nach Kenia verreist und nicht das findet, was sie sucht.

Als sogenannte Sugermama sucht sie nach Abwechslung, neuen Reizen und Liebe. Nach körperlicher, doch auch nach der echten Liebe, auch wenn sie dies nie direkt zugibt. Teresa ist 50, alleinerziehend, mollig. Sie ist eine von vielen, denn der Sextourismus in Kenia boomt.

Die Geschäftsmässigkeit, mit der die kenianischen Beachboys an den Stränden auf Touristinnen warten, lassen erahnen, dass dieser Film keine stereotypische Liebesschnulze mit rosaroter Schleife ist.
In Mombasa angekommen, lässt sich Teresa von ihren Freundinnen zeigen, wie man sich einen Beachboy angelt. Sie lässt sich auf das Spiel ein und verliebt sich in Munga, einen jungen Kenianer. Die ersten Tage geht alles gut, bis Munga Teresa mitnimmt zu seiner vermeintlichen Schwester. Munga erklärt Teresa, dass der Mann einfach abgehauen sei und sie mit ihrem Baby alleine stehen liess. Der Schwester fehle das Geld für wichtige Medikamente, erklärt er weiter und bittet Teresa, ihr mit umgerechnet 200 Euros unter die Arme zu greifen. Im kleinen Wohnraum der alleinerziehenden Mutter greift Teresa natürlich nach ihrer Brieftasche. Ähnlich verläuft der Besuch in einer regionalen Schule am gleichen Tag. Und plötzlich kann Teresa Munga nirgends mehr finden.

Paradies: Liebe vom österreichischen Regisseur Ulrich Seidl fühlt sich wie eine Ohrfeige an. Nicht umsonst bezeichnet etwa Spiegel Online ihn auch als „Meister des unbarmherzigen Blicks“. Seidl erzählt die Geschichte von Teresa ungeschönt und direkt. Die Kamera folgt den Protagonisten auf Schritt und Tritt, während diese auf das unausweichliche Desaster zusteuern. Effekte sucht man vergebens. Diese Trockenheit und der gänzliche Verzicht auf Kompromisse, der sich über 120 Minuten hinzieht, fordert vom Kinopublikum auch ein gewisses Durchhaltevermögen.
Paradies: Liebe rüttelt auf und beschäftigt auch über den Kinobesuch hinaus.

Seidl legt grossen Wert auf die Auswahl seiner Darstellerinnen und Darsteller. In die Endauswahl für die Hauptrolle von Paradies: Liebe kamen vier Frauen. Mit jeder von ihnen flog er für je eine Woche nach Kenia und testete, ob sie für die pikanten Szenen mit viel nackter heller und dunkler Haut geschaffen sind. Schliesslich entschied er sich für Margarethe Tiesel. Für ihre Rolle als Teresa wurde sie 2013 mit dem Österreichischen Filmpreis geehrt. Peter Kazungu gab als Munga sein Schauspiel-Debut. Auch im echten Leben hatte er eine Sugermama.

Teresa mit ihrem Beachboy Munga

Es ist der erste Film aus der Paradies-Trilogie. Drei Filme, die drei Frauen der gleichen Familie in ihren Ferien begleiten. Der zweite Film, Paradies: Glaube, zeigt, wie Anna Maria (Teresas Schwester) den christlichen Glauben in mittelalterlicher Manier lebt. Teil drei, Paradies: Hoffnung, gewährt Einblicke ins Leben von Teresas Tochter und ihren Kampf gegen das eigene Körpergewicht in einem Diätcamp.


Kinostarts in der Schweiz:

Paradies: Liebe: 11.04.2013
Paradies: Glaube: 09.05.2013
Paradies: Hoffnung: 20.06.2013

Bewertung: 4.5 von 5


  • Titel: Paradies: Liebe
  • Land: Österreich
  • Regie: Ulrich Seidl
  • Drehbuch: Ulrich Seidl, Veronika Franz
  • Darsteller: Margarethe Tiesel (Teresa), Peter Kazungu (Munga)
  • Verleih: Präsens-Film AG
Fotos von Präsens-Film AG
Kommentare
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dollarhyde 09.04.2013 um 22:30
Sehr schön finde ich übrigens auch das Titelbild - eine Weisse schaut sich auf dem "Sklavenmarkt" um und wird umschwärmt.

Ich muss zugeben, noch keinen Seidl-Film gesehen zu haben, aber irgendwie kommt er mir wie die Regisseur-Variante von Deix vor.
raphaelrueck89 09.04.2013 um 18:50
Ich bin froh "Paradies: Liebe" und "Paradies: Hoffnung" gesehen zu haben und doch würde ich sie nicht weiterempfehlen.
Man sollte den Herrn Seidel nicht zu sehr mit Lorbeeren schmücken. Dieser „Meister des unbarmherzigen Blicks“ benutzt nämlich wie alle anderen Regisseure auch Schaueffekte. Seine Protagonisten filmt er in den unangenehmsten Situationen und zeigt sie fast ausschliesslich von ihrer hässlichen und schlechten Seite.
Schon in der Eröffnungsszene stehen symmetrisch angeordnet, still posierende Mongoloiden und andere Behinderte in Putschautos vor der Kamera – kleiner Vorgeschmack des Seidl'schen Stils.
Später schaut man dicken Österreicherinen dabei zu, wie sie einen Schwarzafrikaner für Sex bezahlen und jammern, weil er keinen Steifen bekommt. Im letzten Teil der Trilogie, "Paradies: Hoffnung", macht ein 50-jähriger Doktor ein 13-jähriges Mädchen an und übergewichtige Kinder singen: "If you're happy and you know it clap your fat!"
Wohlgemeinte Provokation nach bester "österreichischer Manier" möchte man sagen. Doch dem liegt m.E. auch ein gewisser Voyeurismus zugrunde, den ich verwerflich finde.