Der dunkle Kristall der Stereophonics
Patrick Holenstein - Mit "Maybe Tomorrow" konnten die Stereophonics einen ziemlich grossen Hit landen. Zumindest ausserhalb Grossbritanniens, denn die Band aus Wales landet auf der Insel sowieso ein Hitalbum nach dem anderen. Am Donnerstag waren Kelly Jones und seine Bandkollegen wieder einmal in der Schweiz.
Wuchtig trifft einen der Eindruck, dass Stereophonics einfach eine brillante Liveband sind. Sie starten gemütlich in den Abend, tasten sich mit ein, zwei Songs an das Publikum heran, man beschnuppert sich gegenseitig, beäugt das Geschehen auf der Bühne und wird von der Bühne herab gemustert. Ein Prozess, der wie von selbst stattfindet und nur wenige Minuten dauert. Dann verstehen sich Band und Publikum blind.
"Graffiti on the Train" zeigt schon früh im Set erstmals das pointierte Gespür der Band für grosse Melodien, steigert sich vom leisen Einstieg gezielt zur veritablen Rock-Ballade und entlädt ich zum Schluss wieder in angenehm ruhigen Klängen. Tony Kirkham, der als Keyboarder jeweils mit auf Tour ist, setzt zurückhaltend, aber millimetergenau Akzente. Die vielschichtige Struktur des Songs bietet eine Plattform für zwei wichtige Markenzeichen der Band. Der Mut zum Pathos. Stereophonics trauen sich filmisch anmutende Epen zu komponieren und haben auch keine Angst, die richtige Menge Wasser aus den Quellen des Kitschs darüber zu giessen. Aber noch viel wichtiger: die Stimme von Kelly Jones. Das unverkennbare Organ des Waliser ist markant und wie gemacht für die Musik der Stereophonics. Quasi ein wichtiges Standbein.
Ähnlich wie auf dem aktuellen Album "Graffiti on the Train" ist der Song "In a Moment" auch am Konzert der dunkle Kristall im Reich der Band. Ein treibender Mix aus Depeche Mode und U2 in der "Achtung Baby"-Phase in den späten 80ern. Vor allem Depeche Mode sind durchaus ein Einfluss, wie Bassist Richard Jones im am Nachmittag im Interview gegenüber Students erklärte. Um das pulsierende Herzstück des Set bauen die vier Waliser eine Setlist, die perfekt funktioniert und natürlich nicht ohne den Hit "Maybe Tomorrow" auskommen darf.
Was also bleibt nach knapp 100 Minuten Konzert? Die Stereophonics zeigen sich im Komplex als stilistisch sehr breite Band, pendeln mühelos von Blues bis Rock und trumpfen mit grossen Melodien und schnörkellosem Rock. Die Mischung stimmt und so sind die Menschen im Komplex schnell im Bann der Band und feiern - inklusive dem Tanz zweier Frauen mit walisischer Fahne auf der Bar - eine ausgelassene Party.