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4. Mai 2007, 00:00 Interview

Matthias Kälin und Laurin Merz

Christina Ruloff - Die Regisseure Matthias Kälin und Laurin Merz reden über ihren Dokumentarfilm „Josephsohn Bildhauer“, die Annäherung an den Künstler Hans Josephsohn und die Crux mit Künstlerporträts. 'Wir wollten es verstehen und zugleich den Zuschauer näher an Herrn Josephsohn und s...

Die Regisseure Matthias Kälin und Laurin Merz reden über ihren Dokumentarfilm „Josephsohn Bildhauer“, die Annäherung an den Künstler Hans Josephsohn und die Crux mit Künstlerporträts.

'Wir wollten es verstehen und zugleich den Zuschauer näher an Herrn Josephsohn und seine Kunst bringen.' (Matthias Kälin)

students.ch: Warum haben Sie sich entschlossen, jetzt einen Film über den Künstler Hans Josephsohn zu machen?

Merz: Das war eigentlich ein relativ spontaner Entscheid. Wir beide haben uns schon lange und intensiv mit Kunst auseinandergesetzt und waren der Meinung, dass es jetzt Zeit ist, für einen Film über Herrn Josephsohn.

Matthias Kälin: Wir wollten uns auch wirklich wieder und intensiv mit diesem Werk auseinandersetzen und zwar mit filmischen Mitteln. Wir wollten es verstehen und zugleich den Zuschauer näher an Herrn Josephsohn und seine Kunst bringen.

Sie schreiben, der Film erzähle Ihre „Sehschule“. Mussten Sie sich selbst – wie der Zuschauer im Film – diesem Werk annähern?

Kälin: Herrn Josephsohns Kunst ist sehr schwer zugänglich. Es gibt Dinge, die wir nicht entziffern konnten, weil es sich um eine Art Fremdsprache handelt. Aber in der Zeit, die wir mit Herrn Josephsohn. verbracht haben, in der wir ihn und seine Arbeit beobachtet und gefilmt haben, hat sich etwas geöffnet. Wir haben plötzlich begriffen, worum es eigentlich geht. Es war ein langer Prozess und es wäre vermessen zu behaupten, dass wir jetzt alles verstanden haben.

Merz: Herr Josephsohn. sagt: „Ich denke in Plastiken; das tun die meisten Leute ja nicht.“ Diese Art, den Verhältnissen in den Skulpturen auf die Schliche zu kommen, das ist schon sehr, sehr eindrücklich.

Hatten Sie schon von Beginn weg ein klares Konzept, wie die Annäherung an Herrn Josephsohns Werk auszusehen hat? Sie haben seine Arbeit ein Jahr lang begleitet.

Kälin: Natürlich hatten wir ein Konzept; man kann ja nicht einfach die Kamera nehmen und filmen gehen; (das Konzept ist ja nur schon für die Finanzierung notwendig). Im Zentrum stand klar die Auseinandersetzung und Annäherung mit der Kunst Und erstaunlicherweise sind wir sehr nahe an diesem Konzept drangeblieben.

Merz: Das war schon sehr überraschend. Wir haben immer wieder ein, zwei Tage mit Herrn Josephsohn verbracht, uns mit ihm unterhalten, manchmal gefilmt, manchmal nicht. Es herrschte eine sehr vertraute Atmosphäre. Wir waren ja auch nur zu zweit im Atelier und waren sozusagen ein Teil des Mobiliars. Die Dinge sind einfach passiert; natürlich gab es kein „Könnten Sie nochmals dies oder jenes machen?“ Wir haben beobachtet.

Kälin: Zu Beginn dachten wir, wir würden vielleicht die Vorbereitungen, das Anmachen von Gips, filmen und könnten später, also nach getaner Arbeit, wieder hinzustossen. Aber dann war der Bann plötzlich gebrochen und wir durften an dem kreativen Prozess teilnehmen. Das kam für uns sehr überraschend!

Es war also nicht geplant, dass Sie bei der kreativen Arbeit, beim Entstehen von Kunst, zusehen durften?

Kälin: Nein, das kam plötzlich! Herr Josephsohn hat uns vertraut und gemeint, wir würden das schon richtig machen.

Eine andere Art der Annäherung war nie geplant?

Merz: Nein, das hat vor allem damit zu tun, dass Herr Josephsohn ganz wie ein Arbeiter arbeitet. Morgens geht er in sein Atelier und arbeitet von früh bis spät. Am Wochenende wird hingegen nicht gearbeitet. Das ist sein Rhythmus und zwar seit 60 Jahren. Dieser Arbeitsrhythmus hat für uns die Art der Annäherung vorgegeben, etwas anderes ist gar nie in Frage gekommen.

Kälin: Diese Art von arbeiten, das ist ja auch eine Konstante in seinem Leben. Das Atelier ist das Zentrum, der Angelpunkt, sein Königreich.

Worauf haben Sie beim Abbilden der Werke [der Skulpturen] geachtet?

Merz: Die Distanz zu seinen Werken war uns sehr wichtig. Wir wollen nicht die Werke von nah zeigen, sie in ihre Strukturen auflösen, sondern eine Distanz zu den Skulpturen halten, damit die Verhältnisse richtig wahrgenommen werden. Wir wollten nicht bezugslos hier und dort rüberschwenken.

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Es gibt zwei Brüche im Film, die Ausflüge zu den Museen La Congiunta in Giornico (TI) und ins Kesselhaus St. Gallen. Warum?

Kälin: Wir wollten auch die fertigen, also gegossenen Skulpturen zeigen, so wie sie am Ende sind und wirken; und wirklich in Beziehung zueinander stehen sie ja nur im Museum.

Die Biographie von Herrn Josephsohn wird kurz erwähnt. Warum?

Merz: Wir wollten dem Werk auf die Schliche kommen, und zum Werk gehört natürlich die Biographie. Herr Josephsohn hat eine Wahnsinnsbiographie.

Kälin: Man kann Dinge ja auch unausgesprochen lassen, und sie sind dennoch da! Herr Josephsohn ist Künstler und nimmt sich als Künstler wahr. Und ein Künstler mit einer solchen Biographie wird häufig auf seine Biographie reduziert. Das kam für uns nie in Frage. Es bleibt natürlich offen, wie weit eine Biographie die Kunst beeinflusst. Herr Josephsohn selbst meint, das wisse man nicht.

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Wie sind Sie auf die Musik von Alfred Schnittke gekommen, die den Film untermalt?

Merz: Wir haben lange nach Musik gesucht. Musik ist ja etwa sehr Heikles; sie darf nicht zu illustrativ sein, aber auch kein Musikteppich. Es haben sehr viele Gründe für Schnittke gesprochen. Er ist ja – wie Josephsohn – zuerst sehr schwer zugänglich; diese Parallele hat uns gefallen. Und das Reduzierte, diese feine Nuancierung unterstützt das Werk.

Stille, keine Musik, stand nie zur Diskussion?

Merz: Keine Musik zu setzen, ist immer ein gewisses Risiko. Man hätte das als Heraufheben, Abheben des Werkes lesen können. Stille im Film ist sehr heikel. Das muss man wissen.

Was erwarten Sie für Publikum?

Kälin: Es gibt natürlich viele Leute, die von der Arbeit von Herrn Josephsohn begeistert sind, und diese werden sich diesen Film nicht entgehen lassen. Der Film spricht aber ein weites Publikum an. Er dreht sich ja nicht nur um Herrn Josephsohns Werk, sondern um Kunst an sich: Wie entsteht Kunst? Wie existiert ein Künstler mit einer derartigen Besessenheit? Was bedeutet Kunst für einen Künstler?

In Solothurn [an den Filmtagen] habe ich eine wunderbare Erfahrung gemacht. Eine Klasse war an der Vorpremiere und wir haben hinterher diskutiert und ihnen ist dann plötzlich aufgegangen, was Kunst und ein Leben für die Kunst und durch die Kunst bedeuten.

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Sie beide haben schon ein Vielzahl von Künstlerporträts gemacht; was fasziniert Sie an diesem Genre?

Kälin: Sich mit Film einer anderen Kunstform zu nähern, eine Art Dialog zu finden, das ist eine extrem spannende Herausforderung. Es besteht natürlich die Gefahr, sich auf bereits kanonisierte Kunst zu stürzen; gleichzeitig gibt es immer wieder neue Herangehensweisen und Perspektiven, das bereits Bekannte zu sehen. - Wir sind von Werk und Künstler jeweils absolut überzeugt. Das Werk spricht bei uns für sich selbst.

Was haben Sie für Zukunftspläne? Sind bereits weitere Künstlerporträts in Planung?

Merz: Dieser Film wird uns natürlich noch lange beschäftigen. Wir gehen mit Josephsohn Bildhauer auf Festivals. Wir sind zum Dokfestival München eingeladen worden! Dieses Festival hat einen hervorragenden Ruf und eine ziemlich strenge Auslese. Das hat uns natürlich enorm gefreut. Ich habe eine Produktionsfirma gegründet und wir sind dabei zwei weitere Filme zu produzieren, auch Künstlerporträts. Eines über Charlie Hayden und eines über Herbert Matter.

Kälin: Hauptberuflich bin ich ja Kameramann, aber die Arbeit an Josephsohn Bildhauer hat mich auf den Geschmack gebracht. Es gibt viele Projekte, die ich verwirklichen möchte.

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