Magazin durchsuchen

Neuste Blogs

16. Juli 2013, 22:55 Movie

Kino: Only God Forgives

Gregor Schenker - „Only God Forgives“ ist ein Werk von biblischem Pathos und altgriechischer Tragik. In seiner Variante des Ödipus-Mythos stellt der dänische Regisseur Nicolas Winding Refn einen Ryan Gosling ins Zentrum, der sich gegen seine Mutter und Gott persönlich auflehnt.

Drive war die Überraschung des Jahres 2011, eine knallharte, kühle und doch traumhaft schöne Hommage an den Film Noir. Jetzt haben sich Nicolas Winding Refn und Ryan Gosling erneut zusammengetan, für Only God Forgives nämlich. Der Film greift die zentralen Elemente des Arthouse-Thrillers noch einmal auf, treibt jedoch dessen Tendenz zur stilistischen Reduktion auf die Spitze.

Wo Drive ein Film der betonten Langsamkeit war, steht Only God Forgives beinahe still. War Drive ein Werk von neongreller Buntheit, so beansprucht jedes Rot oder Blau in Only God Forgives den Raum für sich. Die Filmmusik von Drive bestand hauptsächlich aus unterkühlten Pop-Songs, in Only God Forgives hört man nur noch die Minimal-Elektronik von Cliff Martinez. Goslings Schauspiel war bereits in Drive stark zurückgenommen, in Only God Forgives sind kurze, aber heftige Gewaltausbrüche seine einzigen Gefühlsregungen.

Gosling spielt Julian, der zusammen mit seinem Bruder Billy in Bangkok einen Thaibox-Club führt – allerdings ist der Laden nur eine Fassade fürs Drogengeschäft. Als der perverse Billy eine minderjährige Prostituierte ermordet, schlägt ihn deren Vater tot. Das ruft Crystal auf den Plan, Mutter der Brüder und Chefin des Drogenrings (eine grandios obszöne Kristin Scott Thomas mit blonder Mähne). Sie sinnt auf blutige Rache für ihren Lieblingssohn. Ihr Hass gilt Polizei-Leutnant Chang, der mit eiserner Faust über sein Viertel herrscht und Billys Tod veranlasst hat. Julian gerät zwischen die Fronten einer tödlichen Fehde.

Nahm sich Refn in Drive dem Genre des Film Noir an, so spielt er in Only God Forgives mit den Konventionen des asiatischen Martial-Arts-Kinos, wie das auch Wong Kar-Wai in seinem aktuellen Werk The Grandmaster tut. Während der chinesische Autorenfilmer aber das Genre zu einem überwältigenden Bilderrausch überhöht, geht der Däne genau in die andere Richtung und komprimiert es auf knappe Zitate. In seinem Film gibt es beispielsweise nur eine einzelne, sehr nüchtern inszenierte Kampfszene, die sich darüber hinaus in kürzester Zeit entscheidet.

Denn der eigentliche Kampf findet in Julians Gewissen statt. Wie der tragische Held einer antiken Tragödie steht er vor einem unlösbaren Dilemma. Er ist seiner monströsen Mutter hörig, hasst sie aber dafür, dass sie ihn gnadenlos tyrannisiert und abkanzelt (indem sie ihn zum Beispiel vorhält, dass Billy den grösseren Penis hatte).
Das Tun von Chang wiederum kann er nachvollziehen – war denn Billys Tod nicht verdient? Der Polizei-Leutnant ist kein Bösewicht, er ist ein alttestamentarischer Gott, der über die Menschen richtet und sie ihrer gerechten Bestrafung zuführt. Die Loyalität Julians seiner Familie gegenüber verlangt jedoch, dass er ihn tötet.

Im Vergleich dazu erscheint Drive als familienfreundliches Entertainment, als sentimentale Schnulze. Der Driver war einfach einen Mann, der eine Familie beschützen will. Julian hingegen ist ein ein zutiefst gestörter Charakter, getrieben von inzestuösem Verlangen, unkontrollierbarer Wut und beängstigenden Albträumen. Der psychologische Konflikt explodiert in brutaler Gewalt, eine Erlösung ist ohne Blutzoll nicht zu haben. Keine Geschichte für Zartbesaitete.


Bewertung: 5 von 5


  • Titel: Only God Forgives
  • Land: Frankreich/Thailand/USA/Schweden
  • Regie & Drehbuch: Nicolas Winding Refn
  • Darsteller: Ryan Gosling, Vithaya Pansringarm, Kristin Scott Thomas
  • Verleih: Frenetic Films
  • Start: 18. Juli 2013
Fotos von Frenetic Films
Kommentare
Login oder Registrieren
dollarhyde 21.07.2013 um 00:21
Die Leute gucken einfach zuwenig richtige Splatterfilme.
JoelWalder
JoelWalder 20.07.2013 um 17:38
Die werte Frau Ostwald von der NZZ war wohl zu zart besaitet, sie gönnte dem Film keinen Punkt von fünf und rauf und runtergeleiert, wie brutal alles sei. Ich freu mich.