Die Krux des städtischen Seins
Marco Büsch - Als waschechter Stadtzürcher habe ich mich eigentlich der Städtigkeit verschrieben, jedoch fällt mein Verhalten bei gewissen Begebenheiten manchmal aus diesem Rahmen. Eine kleine Auflistung.
– Starbucks-Besuche sind für mich häufig eine kleinere Tortur, aber nicht, weil so ziemlich das Meiste in diesen Läden überteuert ist oder weil man in der Zürcher Innenstadt keine 200 Meter gehen kann, ohne auf eine Filiale zu treffen, sondern wegen der Auswahl: Bei jedem Besuch schaue ich mir lange und konzentriert die Getränkeliste an, nur um dann doch einen grossen Cappuccino zu bestellen. Mir wurde auch schon ein Chai Latte Grüntee mit Sojamilch empfohlen, aber der schmeckt leider auch so wie der Name klingt: Eigen. Sehr eigen. Eher nichts für mich. Vielleicht bin ich einfach zu wenig offen für Neues. Oder mir wurde noch nicht das Richtige empfohlen. Oder ich sollte mich einfach mal durch das ganze Sortiment trinken und am Ende Privatinsolvenz anmelden.
– Es gibt Dinge, welche ich als Stadtzürcher aus Prinzip nicht tue. Dazu gehört unter anderem, dass ich nie einen Franken für die Bezahl-Toiletten am Hauptbahnhof aufwerfen werde. Oder besser: Aufwerfen wollte, denn letzte Woche habe ich dieses Prinzip leider kurzfristig über den Haufen geworfen und wurde bitter enttäuscht: Die Toilette war erstaunlich unsauber und das Personal ausserordentlich unfreundlich. Beim nächsten Mal bleibe ich wohl lieber wieder bei meinen Prinzipien und lasse mir im Burger King den Toiletten-Code geben; die Leistung wird wohl in etwa dieselbe sein.
– Ich habe immer noch lieber ein richtiges Flugticket in der Hand, hebe Geld vom Bankomaten ab, kaufe meine Zugtickets am Ticketautomaten, meine Konzerttickets in einer Ticketeria und mein Lieblingsmagazin am Kiosk, trotz meiner Städtigkeit und der damit eigentlich einhergehenden Verpflichtung, sich immer den Marotten der Moderne hinzugeben. Dennoch gebe ich zu: Wenn dann vor mir alle SBB-Automaten mit Bagpackern besetzt sind, welche nicht ein Wort deutsch oder englisch können, dann wünsche ich mir manchmal, dass ich mir das Ticket online besorgt hätte.
– Immer wenn ich in einem Quartier in Zürich bin, welches ich nicht wie meine Westentasche kenne, kommen Leute auf mich zu und fragen mich nach dem Weg. Ich gebe zu, dass ich in solchen Fällen auch schon so getan habe, als wäre ich ebenfalls ein Tourist, nur um mir die Schmach zu ersparen, als Hobby-Zürcher abgestempelt zu werden. Aber fragt mich doch mal in meinem Quartier, liebe Touristen, dann gebe ich euch gerne Auskunft!
– Letzten Monat war ich das erste Mal auf dem Karlsturm des Grossmünsters. Der Spass kostet zwar vier Franken (für Studenten nur zwei), aber das ist es eindeutig wert und ich bereue es, dass ich nicht schon früher einmal hinauf gestiegen bin. Als nächstes werde ich mich wahrscheinlich einer Führung durch die Altstadt anschliessen oder mich auf eine Limmat-Schiffsfahrt begeben: Zürich ist es allemal wert, neu entdeckt zu werden.
Nun, nach diesen Geständnissen fühle ich mich um einiges erleichtert; ein echt städtischer Stadtmensch zu sein ist halt doch nicht immer so einfach und erfordert häufig ein so weltmännisches Auftreten, dass solche Ausrutscher eigentlich keinen Platz in der eigenen Vita haben dürfen. Vielleicht fällt dem geneigten Leser ja auch noch eine Begebenheit ein, in welcher er sich weit weniger stadtzürcherisch gegeben hat als er es gerne gewesen wäre: Teilen hilft!
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