Amazonia 3D @ Zurich Film Festival
Joel Walder - Der einzige 3D-Film des Festivals ist leider etwas eindimensional geraten: „Amazonia“ anthropomorphisiert ein Dschungeltier und lebt massgeblich von seinen Bildern, die zu selten vom Hocker hauen.
Verdruss bricht ein – der Anfang ist nun wirklich etwas lächerlich. Was darauf folgt, ist manchmal besser, manchmal schlechter, kann aber insgesamt nicht vollends überzeugen. Das Äffchen streift durch den Dschungel, macht Bekanntschaften mit Vogelspinnen und schönen Raupen, muss mal von einem Jaguar fliehen und stürzt gar einen kleinen Wasserfall hinunter. Nur in Bildern, ohne Voice-Over, erzählt der Film die Geschichte des Äffchens, das sich im weiten Urwald Brasiliens durchschlagen muss und irgendwann eine Sippe seiner Art findet und sich schliesslich, in dem es sein Halsband abstreift, von den Menschen emanzipiert und wieder ganz der Wildheit übergibt.
Auch der moralische Zeigefinger ist mit an Bord, wenn der kleine Protagonist plötzlich auf eine abgeholzte Einöde trifft. Es ist natürlich ein Aspekt, den ein Dokumentarfilm über den Urwald schlecht auslassen kann, doch bei Amazonia scheint es gar lieblos hinten angehängt. Ganz so, als sei es eher Pflichtgefühl als kreative Entscheidung.
Es fällt auch nicht ganz leicht, Amazonia als Dokumentarfilm zu akzeptieren. Er mag zwar eindrückliche Bilder des tiefen Dschungels liefern, doch wirkt er immer inszeniert. Der Film gibt eindrückliche und offensichtliche Lektionen darin, wie man zwei Einstellungen, die bei der Aufnahme weder örtlich noch zeitlich etwas miteinander zu tun hatten (zum Beispiel ein laufender Affe im einen und eine Schlange im anderen Bild) mit einem einfachen Schnitt zu einer Minigeschichte verschnipseln kann.
Das ist natürlich ein urfilmischer und nötiger Handgriff, doch wirkt er hier meist derart platt, dass man Mühe hat, die zusammengeknüpften Handlungen so richtig ernst zu nehmen. Ein wirkliches Gefühl für Bedrohung kommt so auch nicht auf. Im Gegenteil: Immer ist klar dass dem niedlichen Zeitgenossen nichts passieren wird. Spannender macht das den Film nicht.
Es ist zwar erfrischend, dass die Filmemacher auf eine didaktische Erzählstimme verzichten und die Bilder für sich sprechen lassen, doch da müsste Amazonia visuell spektakulärer sein, um wirklich zu überraschen. Kaum eine Einstellung, die einem nicht schon von irgendeiner Urwalddoku auf 3Sat oder Arte bekannt vorkommt. Natürlich ist es auf der grossen Leinwand eindrücklicher und auch das unaufdringliche 3D ist anständig eingebunden, doch der erwünschte „verdammt, sieht das toll aus“-Effekt stellt sich leider viel zu selten ein.
Was nicht heissen soll, dass Amazonia nicht auch einige erstaunliche Momente hat: Zwei wunderschöne Raupen gibt es zu bestaunen und die Albträume des Äffchen, nachdem es einige dubiose Pilze verspeist hat, sind toll inszeniert. Gerade letztere Sequenz vermag zu überzeugen, weil sich die Filmemacher Mühe gaben, dem speziellen Inhalt einen eigenen Stil zu verpassen. So setzen sie die Drogen-induzierten Träume mit Überblendungen und Bildverzerrungen kreativ in Szene. Etwas mehr Experimente dieser Art hätten den Film sicherlich interessanter gemacht.
Es ist ein seichter Film, der sich zu sehr auf seine niedlichen Momente verlässt und die Dschungelwelt schlussendlich etwas stark romantisiert. Das ist an sich nicht zu kritisieren, aber vielleicht geht man Amazonia besser mit seiner kleinen Cousine oder dem jüngeren Bruder schauen.
Der Film läuft als Gala Premiere
Spielzeit: Samstag, 5. Oktober, 18.30 Uhr im corso 1 (in Anwesenheit des Regisseurs)