Interview & Konzertreview IMPERIAL STATE ELECTRIC
Barbara Borowski - Wenn am Ende eines Konzertabends lauter verschwitzte und zufriedene Gesichter das Konzertlokal verlassen, dann haben die Bands alles richtig gemacht! Genau so war es vergangen Mittwoch als die schwedischen Bands DREGEN und IMPERIAL STATE ELECTRIC den Komplex Club rockten. Schwedenrock at its best!
Zuerst legten IMPERIAL STATE ELECTRIC mit einer energiegeladenen Show vor. Nicke Andersson, der die Band ursprünlich als Projekt mit wechselnden Musikern startete, gilt nicht grundlos als ein musikalisches Genie, er sprudelt vor Songideen und verkörpert pures Rock'n'Roll Feeling. Auch die anderen Bandmitglieder, darunter Dolf de Borst, Sänger der neuseeländischen Band The Datsuns, der beim Song ”Reptile Brain” den Gesangspart übernimmt, aber auch Schlagzeuger Thomas Eriksson und Gitarrist Tobias Egge sind geniale Musiker und spielen mit einer unglaublichen Leichtigkeit, die das Publikum wegfegt und mit offenen Mündern stehen lässt. Als Nicke in alter Keith Richards Manier mit dem Arm in der Luft kreisend die Gitarrensaiten wie eine Windmühle anschlägt, schnellen die Arme des Publikums in die Höhe und die Köpfe bewegen sich noch ekstatischer. Vor dem Konzert durfte ich Nicke Andersson von IMPERIAL STATE ELECTRIC interviewen, das Interview findet Ihr weiter unten.
DREGEN hatten die wohl schwerere Ausgangslage, waren sie so noch nie in dieser Combo auf Tour und obwohl Dregen aus den Hellacopters Zeiten und als Sänger der Backyard Babies eine grosse Fangemeinschaft hat, wusste man im Vorfeld nicht wirklich, was man erwarten durfte. Was dann kam, war ganz klar mehr als erwartet. DREGEN legten gleich mit Vollpower los. Schon nach zwei Songs sah Sänger Dregen total erschöpft aus und schwitzte aus jeder Pore, ein Musiker, der bei seinen Live-Auftritten wirklich alles gibt! Das Publikum dankte es ihm entsprechend und geht ab! Höflich wie es sich gehört, bedankt sich die Band mit einer Zugabe oder waren es zwei? Als zum Schluss Nicke Andersson die Bühne betritt, um gemeinsam mit Dregen einen Hellacopters Song anzustimmen, ist das Publikum wunschlos glücklich, was für ein Abschluss für einen grandiosen Abend! Schwedenrock as its best!
Hier das Interview mit Nicke Andersson von IMPERIAL STATE ELECTRIC
Hi Nicke. Im April diesen Jahres wart Ihr bereits auf Tour, ich sah Euch damals in Lugano. Jetz seid Ihr schon mit einem neuen Album im Gepäck zurück auf Tour. Seid Ihr Workaholics oder werdet Ihr depressiv, wenn Ihr nicht auf Tour seid?
Nein, weder noch. Du musst das so sehen, alles was ich in meinem Leben mache, ist Musik. Ich entschied mich schon sehr früh für die Musik, und brach die Schule nach der Primarschule ab, denn das Einzige, was ich machen wollte, war Musik. Ich kenne nichts anderes und ich möchte auch nichts anderes machen. Klingt komisch, aber ich gehe nicht mal gerne in die Ferien. Ich versuchte es zweimal und es ist einfach nicht mein Ding. Wenn ich unterwegs bin, möchte ich meine Gitarre dabei haben und Songs schreiben. Ich schreibe ständig Songs, und wir arbeiten hart. Früher in den 60er und 70er Jahren war es üblich, dass Bands ein Album im Jahr veröffentlichten. Warum auch nicht? Es ist für das Publikum doch cool, wenn die Band immer wieder neue Songs aufnimmt.
Sind andere Bands einfach fauler als Ihr?
Nicht unbedingt faul, aber es ist ein Zeichen unserer Zeit, dass man gleichzeitig mehrere Dinge macht und nichts so richtig. Ich mache nichts anderes als Musik. Wir bringen auch mehr Alben raus als andere, weil wir nur etwa zehn, elf Songs pro Album haben. In den 90ern als die CD den Markt eroberte, versuchte jede Band die CDs komplett zu füllen,weshalb die meisten Alben um die 70 Minuten lang waren, das ist extrem lang. Bis man als Band ein solches Album fertig produziert hat, dauert es sehr lange und das ist Bullshit. Zehn, elf Songs reichen meiner Meinung nach. Soundgarden veröffentlichte in den 90ern ein Album und nach etwa 40 Minuten konnte ich mich nicht mehr aufmerksam zuhören, it's too much information! Aber ja, ich denke, die Leute sollten allgemein härter arbeiten.
Euer neues Album erinnert mich in manchen Songs, z.B. “More than enough of your love” an Deine ehemalige Band The Solution. Andere Songs erinnern mich an den High-Energy Rock'n'Roll der Hellacopters und an Bands wie Led Zeppelin oder Black Sabbath. Gab es spezielle Elemente oder Ideen, die Du im neuen Album umsetzen wolltest?
Nein, nicht wirklich, die Musik entsteht einfach. Ich höre ständig Musik und diese beeinflusst mein Songwriting unbewusst. Manche Songs auf dem neuen Album sind neu, andere sind fünf, sechs Jahre alt. Zwei waren ursprünglich für die Hellacopters gedacht und kamen nun zum Zug. Ich schreibe sehr viele Songs, für das jetzige Album konnten wir aus etwa dreissig Songs auswählen.
Du entscheidest also nicht alleine, welche Songs aufs Album kommen?
Nein, ich habe zwar die meisten Songs geschrieben, aber die Auswahl machen wir als Band.
Wie kam es, dass Dolf de Borst von den Datsuns den Song Reptile Brain singt?
Bei Imperial State Electric können alle Bandmitglieder singen. Und ich will auch, dass alle in der Band singen, deshalb spiele ich mit diesen Jungs in der Band. Es macht uns als Band so mehr Spass und ich denke auch dem Publikum.
In einem Interview sagst Du, dass Du kein Teamplayer bist und immer Recht haben musst?
Nein, so schlimm ist es nicht. Irgendjemand muss halt der Chef sein und der Chef bin ich (lacht). Wenn es total demokratisch ablaufen würde, würde es nicht funktionieren, nicht in einer Band. Es braucht einen in der Band, der eine Vision hat. Bei Imperial State Electric war das von Anfang an allen klar und alle sind einverstanden, wir finden alle die gleiche Musik cool und wollen dasselbe. Wenn man mit 16 Jahren eine Band gründet gibt es viele Diskussionen und mindestens einer ist am Schluss beleidigt. Das ist das Gute am Älterwerden, man hat die nötige Erfahrung, das Schlechte daran ist, dass der Körper müder wird.
Wie alt bist Du denn und wie merkst Du das?
Ich bin jetzt 41. Eineinhalb Stunden auf der Bühne, das geht, aber es ist anstrengend (lacht).
Was machst Du nach so einer anstrengenden Show?
Im Glücksfall können wir nach der Show duschen, danach sitzen wir zusammen, trinken ein Bier und relaxen, wir versuchen nicht mehr so viel Party zu machen wie früher, aber wir machen immer noch Party (lacht). Irgendwie schon komisch, Musiker ist der einzige Beruf, den ich kenne, bei dem man betrunken sein darf.
Trinkst Du vor Deinen Auftritten Alkohol? Es gibt ja Musiker, die könnten sonst gar nicht auf die Bühne vor Nervosität.
Nein, ich kann vor dem Konzert nicht trinken, manchmal nehme ich einen Shot Whisky zum aufwärmen. Aber ich brauche das nicht. Ich bin zwar auch nervös, das war mit 16 so und ist heute noch so, dass ich manchmal am liebsten gar nicht auf die Bühne gehen würde. Aber nach einem gespielten Chord ist die Nervosität verflogen. Aber ich denke, Nervosität ist ein gutes Zeichen, es zeigt, dass mir der Auftritt etwas bedeutet.
Was bedeutet der Titel “Reptile Brain Music”?Wir alle haben ein Reptilienhirn (A.d.R. Stammhirn), das die primären Funktionen wie Atmung und unsere Instinkte steuert. Musik ist Instinkt und richtiger Rock'n'Roll sollte aus diesem Teil des Hirns kommen und dieses bei anderen stimulieren. Viele Bands nehmen sich zu wichtig und denken zu viel nach. Musik ist eine Kunstform, eine Realitätsflucht, Du gehst an eine Show und vergisst Deine Probleme um Dich herum. Musik muss man fühlen. Es ist OK verrückt und manchmal ein Idiot zu sein. Ich meine, schau uns an, wir gehen auf die Bühne und sehen aus wie Idioten, so muss es sein (lacht). Auch wenn wir unsere Sache ernsthaft machen, es geht immer auch um den Spass!
Dregen, der jetzt mit Euch auf Tour ist, hat zusammen mit Dir in den 90ern die Hellacopters gegründet. Nun ist es das erste Mal, dass Ihr beide gemeinsam tourt, wie kam es dazu?
Dregen hat vor ein paar Jahren mit seinem Solo-Album begonnen und mich gefragt, ob ich mit ihm ein paar Songs schreibe. Das machten wir und schrieben etwa fünf Songs zusammen. Dann kamen sein und unser in etwa Album gleichzeitig raus und er fragte mich, ob wir zusammen touren wollen. Ich fand das eine grossartige Idee. Wir sind seit wir uns zum ersten Mal 1993 trafen gute Freunde. Unsere Tour ist ein Co-Headline Ding, es gibt keine Vor- oder Hauptband, wer an einem Gig zuerst spielt, entscheidet jeweils die Münze.Am Schluss unserer Konzerte spielen wir sogar ein paar Songs zusammen. Wahrscheinlich kommt dies einer Hellacopters Reunion bislang am nähesten und ich denke, es ist Zeit der richtige Zeitpunkt dafür.
Hast Du jemals auf Schwedisch gesungen wie dies Ex-Hellacopter Robert in seiner Band Dundertaget macht?
Nicht wirklich, ich möchte, dass Leute ausserhalb Schwedens unsere Musik hören. Ich höre selber auch ausnahmslos englischsprachige Musik. Ausserdem könnten wir dann nur in Schweden touren, mehr wie zehn Konzerte im Jahr lägen nicht drin, das wäre langweilig. Aber wer weiss, wenn, dann wäre es eine einmalige Sache. Ich habe es auch schon probiert, bei den Hellacopters sang ich zwei Songs auf Schwedisch, that was fun! Ich könnte mir aber vorstellen einen Song auf französisch oder deutsch zu singen, das wäre cool. So wie dies die Beatles gemacht haben.
2004 sah ich Black Sabbath im Original Line-Up am Roskilde Festival, das Konzert haute mich um und ich erinnere mich heute noch sehr gerne daran. Hast Du ein ähnliches Erlebnis?
Ja, das Gefühl kenne ich. Bei mir war das bei der Reunion-Tour von KISS 1996. KISS war DIE Band in meiner Kindheit und die erste, die ich überhaupt hörte. Als sie auf die Bühne traten mit ihrem Make-Up und Kostümen, das war ein einzigartiges Erlebnis, unglaublich!
Wann hast Du KISS denn zum ersten Mal gesehen?
Schon sehr früh, 1980 als ich gerade mal 8 Jahre alt war. Mein Onkel nahm mich damals an das Konzert mit, es war grossartig, die Band mit ihrem Make-Up und Fox am Schlagzeug.
MC5 hatte einen grossen Einfluss auf viele Rockbands und wenn ich Deine Musik höre, offensichtlich auch auf Dich. Wie war es, als Du 2004 mit MC5 touren durftest?
Oh ja, es war unglaublich, als sie mich fragten mit ihnen zu touren. Als wir mit den Hellacopters starteten sprachen wir ständig über die MC5, wir trugen ihre Shirts und erwähnten sie in vielen Interviews. Daraufhin wurden in Schweden plötzlich mehr MC5-Platten verkauft. Dann trafen wir Wayne Kramer in L.A. als wir mit den Hellacopters auf Tour waren. Wayne wusste, dass ich ein riesiger Fan der MC5 bin und dass ich alle Songs spielen konnte, also fragte er mich, ob ich mit ihnen auf die DKT/MC5 Tour gehen möchte. Es war eine unglaubliche Zeit mit diesen Legenden auf der Bühne zu stehen.
Das glaube ich sofort, ich kann mich an Euer Konzert in Zürich noch gut erinnern. Sag mal, bald geht Ihr auf die Bühne, was macht Ihr in der letzten Stunde vor einem Auftritt, habt Ihr ein Ritual?
Oh, ich bin schlecht mit Ritualen und solchen Dingen. Wir ziehen unsere Bühnenkostüme an, Tomas der Drummer macht ein paar Stretching-Übungen und ja, kurz bevor wir auf die Bühne gehen, machen wir dieses alle Hände in die Mitte Ding.
Ja, kenne ich, das soll doch das Gruppengefühl stärken?
Ja, wir versuchen es. Weil bei den Hellacopters hatten wir nichts, wir sagten einfach OK, also dann, lasst uns auf die Bühne gehen. Und mit Imperial State Electric sagte ich zu den Jungs, kommt lass uns einfach irgendetwas machen.
Cool, danke Nicke für das Interview, viel Spass auf der Bühne und … Rock'n'Roll!
Webseite Imperial State Electric: www.imperialstateelectric.se
Hier geht's zum ganzen Interview auf Englisch.
Und hier seht Ihr Dregen und Nicke gemeinsam auf der Bühne