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4. Februar 2014, 00:00 Music Interview

Von ABBA bis Zappa ... Sportfreunde Stiller

Patrick Holenstein - Die Sportfreunde Stiller halten ihr Wort. Schon auf der Unplugged-Tour wurde uns ein Blind Date versprochen. Jetzt hat Flo Musik gehört.

Von ABBA bis Zappa ist eine Zusammenarbeit mit Bäckstage.

Florian «Flo» Weber ist Schlagzeuger bei den Sportfreunden Stiller. Nach drei ausverkauften Konzerten in der Schweiz nahm er sich vor dem letzten und ebenfalls rappelvollen Konzert in Zürich Zeit, um unsere Playlist zu hören. Flo zeigte sich sehr aktiv und schien am Musikhören viel Spass zu haben.

  • Band: Helmet
  • Song: Milquetoast
  • Platte: Betty (1994)

Flo: (Nach zwei Akkorden) Helmet mit «Milquetoast».

Das ist eine deiner absoluten Lieblingsbands?

Ja. Auch dieses Betty-Album, das ja viele Helmet-Fans als Popalbum in Anführungsstrichen abtun, finde ich unglaublich toll, weil es melodiöser ist als die anderen. An was es genau liegt, dass Helmet meine Lieblingsband ist, weiss ich gar nicht. Aber ich habe bestimmt schon zehn Konzerte von ihnen gesehen und es ist dieses ganz klare riffartige, nicht überkandidelte, was mir gefällt. Grosse Band, die immer mal wieder Alben machen, die zwar nicht mehr an die alten heranreichen, aber ich bin trotzdem jedesmal froh, wenn wieder etwas Neues kommt. Die Band steht für mich natürlich auch für Aufbruch und Rebellion und für die Zeit, in der ich mich etwas gegen Zuhause auflehnen wollte. Da war das für mich der richtige Soundtrack dazu.

Du warst letztes Jahr mit Harmful auf Tour, die gelegentlich mit Helmet verglichen werden.

Ich habe mit denen das letzte Album eingespielt. Ganz tolle Typen. Stimmt schon, sie klingen manchmal ähnlich, ich finde aber den Vergleich nicht so passend. Auch wenn sie hin und wieder als die deutschen Helmet beschrieben werden. Ihre Musik ist noiserockiger, aber es gibt schon Anleihen. Mit denen zu spielen hat mir unglaublich Spass gemacht und hat mir neue Einblicke ins Schlagzeugspielen gebracht. Ich hatte in den Anfangsjahren in meiner Heimatstadt eine Crossover-Grungeband, aber jetzt hatte ich mit Harmful mal wieder die Gelegenheit andere und harte Musik zu spielen, die mir sehr aus dem Herzen spricht und das war sehr spannend. Schade, dass sich Harmful auflösen. Es wird noch eine Abschiedstournee geben, aber leider ohne mich. Aber es war schön, wieder mal die Art von Musik zu spielen, die ich als junger Kerl gehört habe.


  • Künstler: Udo Jürgens
  • Song: Ich war noch niemals in New York
  • Album: (1982)

(Beim ersten Ton) Udo Jürgens.

Das Lied habt ihr für MTV Unplugged gecovert. Warum Udo Jürgens?

Wir haben das Lied aus Jux bei einem Konzert angespielt. Das war nicht geplant, aber wir haben gemerkt, dass das ganz lustig war. Also haben wir uns ein bisschen damit beschäftigt, aber danach verschwand es wieder. Bei der Suche nach Coverliedern für die Unplugged-Aufnahmen ist uns der Song wieder in den Sinn gekommen. Es gab viele andere Ideen, über die man gar nicht sprechen will, aber an diesem Lied sind wir hängen geblieben, weil wir dachten, dass es ein ganz guter Kontrast sein könnte, wenn man es mit viel Streichern und Arrangements aufpäppelt. Wir haben dann den Udo auch kennen gelernt, weil er ja mitgesungen hat. Später waren wir bei ihm in Zürich für ein zweistündiges Printinterview. Dabei hat sich der als ganz toller Typ herausgestellt. Sehr helle, konnte alles gut abschätzen. Also seine Jugend, unsere Jugend, den Zustand der aktuellen Zeit, sowohl was die Musik betrifft als auch was die Menschen betrifft. Das hat sehr viel Spass gemacht. Der Song hat im Rahmen der Unplugged-Phase mit den Streichern, Bläsern und einem Chor sehr gewonnen. Zu dritt würden wir das auf keinen Fall spielen. Da war wirklich der Reiz, dass man einen anderen Musiker hinzuzieht. Aber zu dem Lied stehen wir total und der Inhalt ist auch ok. Er spricht, denke ich, vielen aus dem Herzen, die das Gefühl haben, nicht genug erlebt zu haben und etwas verpasst zu haben. Der Udo hat eh sehr gute Texte, was man oft nicht vermutet.

Und produziert hat Harold Faltermeyer, der später mit Soundtracks zu «Top Gun» und «Axel F.» bzw. «Beverly Hills Cop» zu Weltruhm kam.

Das ist auch interessant. «Axel F.» hätte ich gewusst, «Top Gun» nicht. Aber wie gesagt, man verkennt oft die Inhalte. Udo Jürgens wird besonders in unserem Umfeld gern als schlageresker Fuzzi dargestellt, was überhaupt nicht so ist. Der hat schon in frühen Zeiten richtig gesellschaftskritische Texte geschrieben, aber das wurde halt nur im Rahmen, in dem er sich bewegt hat, verkannt.

  • Künstlerin: Nelly Furtado
  • Song: All Good Things Comes To An End
  • Platte: Loose (2006)

Das ist ein weiterer Act, mit dem ihr gearbeitet habt.

Haben die mit uns zusammengearbeitet? Lass noch laufen. Ich kenne das Lied.

Du kennst auch die Künstlerin.

Ja, das ist Nelly Furtado.

Ihr seid mit ihr beim Comet aufgetreten. Wie kam das?

Das ging über die Plattenfirma. Die Auflage der Veranstaltung war, dass jeder Künstler, der auftritt, mit einem anderen Künstler zusammen ein Duett singt. Wir hätten jetzt Nelly Furtado, obwohl wir ihre Sachen gut finden, nicht ausgewählt. Als der Vorschlag kam, waren wir von der Dame natürlich schon angetan, sie ist ja eine hübsche Frau und dann haben wir «Ich, Roque!» zusammen gespielt und sie hat den Mittelteil gesungen.

Habt ihr das geprobt?

Wir haben das am gleichen Tag der Veranstaltung einmal geprobt. Sie ist ja Portugiesin und tat sich tatsächlich mit dem Spanisch etwas schwer. Sie hat uns gesagt, dass Spanisch nicht gleich Portugiesisch sei, aber sie hat es dann sauber hinbekommen. Sie hat uns dann auch noch verabschiedet als wir die Bühne dann verlassen mussten, weil sie noch einen ihrer Songs gesungen hat. Dabei hat sie sich charmant versprochen. Aber sie ist eine sehr aufmerksame Dame, die uns bei späteren Treffen immer sofort erkannt und begrüsst hat. Das finde ich sehr nett.


  • Band: Bastille
  • Song: Pompeii
  • Platte: Bad Blood (2013)

Das ist Bastille.

Die Band gefällt euch ziemlich gut.

Wenn du sagst, das ist ein musikalisches Pop-Album, dann wäre ich respektvoll. Aber dieses Album ist ja voller Hits. Ich weiss jetzt nicht mehr wie der Typ heisst, aber da kannst du jedes Lied als Single verwenden. Ich habe ja zuhause in München einmal im Monat eine Radio-Show und ich glaube, ich habe schon sieben Lieder von diesem Album gespielt, weil es so schön ist. Bastille schafft es so clever, tolle Melodien nicht kitschig zu verpacken und mit anspruchsvollem Popcharakter darzustellen. Wir sind alle drei der Meinung, dass das ein ganz wichtiges Album für die aktuelle Musik-Popwelt ist, die mir in letzter Zeit etwas fad vorkam. Aber an ihm orientieren sich wieder ein paar. Aktuell gibt es ja die Folkschiene mit Mumford & Sons. Ich finde gut, dass sich Bands wieder in dem Metier versuchen. Vor fünf Jahren noch hättest du mich mit Folk jagen können, aber gerade Mumford & Sons haben es geschafft, dass ich dem Folk mehr Gehör schenke, denn die sind ja herausragend. Und Bastille hat eben ein starkes Album mit ergreifenden Refrains gemacht.

Wie sehr lässt du dich von der zeitgenössischen Musikszene beeinflussen?

Ich glaube, dass Beeinflussung eher indirekt und unbewusst passiert. Ich bin jetzt keiner, der die aktuellen Lieder durchsucht und schaut, was gerade gemacht wird und was ankommt. Man findet etwas gut, verarbeitet es innerlich und es kommt dann automatisch wieder raus. Ich finde es wichtig, dass man seine Fühler ausstreckt und weiss, was grad angesagt ist, aber ob das dann direkt dazu verleiten lässt, sich daran zu orientieren, das kann ich gar nicht so genau sagen. Meistens ist es nur reines Interesse.

Wie geht ihr denn an ein Album? Schreibt ihr zu dritt oder jeder für sich?

Wir schreiben mittlerweile jeder einzeln und kommen dann zusammen. Auch weil wir mittlerweile weit auseinander wohnen und nicht mehr diesen Elan haben, in den Proberaum zu gehen und einfach mal anzufangen. Das kommt gelegentlich noch vor, wenn wir eh zusammen sind, aber eigentlich bringen wir unsere Ideen separat an. Es muss mindestens der Text des Refrains stehen, so ist inzwischen die Prämisse, sonst rentiert sich das nicht, weil man 150 Fragmente hätte, aber nichts Zielorientiertes. Danach gehen wir gemeinsam das Lied an, jemand bringt eine Bassline oder ein anderer hat eine textliche Idee. So arbeiten wir mittlerweile.


  • Band: Ash
  • Song: Starcrossed
  • Platte: Meltdown (2004)

Kenne ich definitiv, aber ich muss kurz die Stimme abwarten. Das ist etwas Amerikanisches aus den 90ern. (Überlegt lange) Klavier?

Es sind Ash.

Ach komm. Das ist ja schwach von mir. Auf welchem Album ist das denn?

Es ist auf «Meltdown».

Auf «Meltdown» ist dieses Lied? Ok. Ich bin äusserst enttäusch von mir selbst, dass ich unsere Kumpels nicht erkannt habe. Mit Ash hatten wir nämlich eine ganz tolle Zeit und wir haben eine richtige Freundschaft entwickelt, obwohl wir uns nicht so oft sehen. Als ich 2010 in New York war, habe ich den Tim getroffen und wenn er hier ist, kommt er auch immer vorbei. Sie waren Vorband bei uns, ich glaube, das war 2007.

Ihr wart auch zusammen mit Ash beim Geburtstagsfest zu 10 Jahren Abart.

Das stimmt. Aber sie waren auch mit dem Meltdown-Album auf Tour und Vorband von uns. Das sind nette Menschen. Da war ja die Charlotte noch dabei, die ja inzwischen ausgestiegen ist. Aber das ist auch interessant, der Tim wohnt in New York, der Mark, der Bassist, lebt in New Jersey und Nick, der Schlagzeuger, wohnt, meine ich, noch in Belfast. Frag die mal, wie die proben. Da trifft man sich dann wahrscheinlich in Blöcken und so läuft es bei uns auch. Irgendwann kommt wahrscheinlich eh das Proben via Skype (lacht). Aber ja, das gibt fast schon drei Minuspunkte, dass ich die nicht erkannt habe.

Aber nur fast. Stichwort: Abart. Ihr wart doch ein paar Mal im Abart. Inzwischen ist der Club ja geschlossen. Was hast du für Erinnerungen an das Abart?

Unser erstes Konzert war im Gaswerk in Winterthur vor einem zahlenden Gast, aber dann kam gleich das Abart. Das war ja ein superalternativer Schuppen. Ich glaube, wir waren viermal dort. Das 10-Jahre-Fest war in einem sehr schönen Theater, kann ich mich erinnern. (Es fand im Volkshaus Zürich statt, Anm. d. Red.). Schade, dass solche Läden, die für eine Szene stehen, die eine Subkultur aufgebaut haben, verschwinden müssen. Das gibt es auch bei uns in München. Ich weiss nicht warum das Abart zumachen musste.

Es wurden rund um den Club Bürogebäude und Wohnungen gebaut und der Ärger mit Lärmklagen wäre absehbar zu gross geworden. Auch konnten die Tourbusse immer schwerer zufahren.

Aber warum muss man denn gerade dort Häuser hinbauen? Das kennen wir in München leider auch. Da werden Leute von kulturellen Plätzen, Orten und Gebäuden vertrieben aufgrund von Spekulationsobjekten oder irgendwelchen Neubauwohnungen und das ist doch schade, dass man keinen anderen Platz für diese Häuser findet, wenn es sie schon geben muss, und diese Kultur bestehen lässt. Dafür sollte man eigentlich kämpfen. Da lob ich mir die Hamburger, die sich stark wehren, wenn die rote Flora (Alternatives Zentrum in Hamburg, Anm. d. Red.) angegriffen wird. Aber das steht dafür immer noch. Aber ja, schade, das Abart ist vergleichbar mit dem Backstage in München, wo wir auch immer hingegangen sind und so etwas muss bestehen bleiben. Sonst wird es schwierig, dass alternative Musik bestehen bleibt. Wenn diese Orte fehlen, gibt es bald keine Bands mehr, die auftreten, weil sich keiner mehr traut und nur noch die etablierten Schuppen Konzerte veranstalten. Das wäre schade. Erst gestern haben wir über das Abart gesprochen. Jemand wollte noch weg, aber ich konnte nicht und meinte, „vielleicht morgen, dann können wir ins Abart gehen und zwei, drei heben.“ Das geht jetzt leider nicht mehr.


  • Band: BAP
  • Song: Halv su wild
  • Platte: Halv su wild (2011)

Das sind BAP.

Ihr seid zusammen mit Wolfgang Niedecken zusammen aufgetreten. Wie ist das?

Ich war im Vorfeld skeptisch, muss ich ehrlich sagen, dabei war ich aber der Einzige. Es kam dazu, weil der Wolfgang Niedecken einen Ehrenpreis bei der Verleihung der 1-Live-Krone (Preisverleihung der Radiosenders 1 Live, Anm. d. Red.) bekommen. Früher hiess das ja Lebenswerk, aber dann wurden die zu Ehrenden immer jünger, deswegen haben sie es jetzt Ehrenpreis genannt. Weil wir eh die Hausband waren, kam die Idee, ob wir mit ihm ein Lied spielen wollen. Nachdem wir sehr lange nach einem passenden Songs gesucht haben, kam uns das Ableben von Lou Reed etwas entgegen, denn Wolfgang meinte, dass «Perfect Day» eh eines seiner Lieblingslieder sei. Also versuchten wir das. Der Rüdiger hat das dann am Klavier einstudiert und das hat supergut funktioniert und als ich Wolfgang persönlich kennengelernt habe und merkte, dass er ein Supertyp ist, war mir klar, dass die Kombination grossartig ist. Und es war ganz nett mit ihm zu musizieren. Wir haben ja dann für die Nummer auch noch Gentleman hinzugeholt und es wurde rundum ein gelungenes Lied.


  • Band: Spider Murphy Gang
  • Song: Skandal im Speerbezirk
  • Platte: (1981)

Spider Murphy Gang. Das sind nette Menschen. Die haben wir kennengelernt auf deren 25-jährigem Bühnenjubiläum. Wir spielten mit denen «Wo bist du?». Für uns aus München oder Bayern stammende Leute ist das natürlich Kulturgut. Das lief neben Nirvana und Hemlet halt auch immer mal wieder. Da kam «Skandal im Speerbezirk» und jeder flippte aus. Die haben aber auch eine interessante Vita. Eine Zeit lang lief es ganz gut, dann waren sie aber plötzlich im Keller und haben sich dann über Bierfeste wieder nach oben gespielt und jetzt läuft es wieder super. Vor allem der Günther, der Sänger und Bassist, ist ein ganz guter Typ. Der war total geerdet und inzwischen gibt es die Band ja auch schon seit über 30 Jahren. Ich weiss gar nicht, ob die noch Platten machen. Aber es war eine schöne Erfahrung, mal in diese Szene hineinzuschnuppern. Das Konzert war ja im Zirkus Krone und da siehst du Leute, von denen man es nie vermuten würde, komplett ausflippen.

Das ist ähnlich wie bei Udo Jürgens, um nochmals auf ihn zu kommen, er vereint ja inzwischen auch vier Generationen an seinen Konzerten.

Das ist so. Aber das erkennen wir sogar bei uns, dass es manchmal passiert, dass in unserem Publikum drei Generationen stehen.

Gestern in Bern war es auf alle Fälle so.

Wobei, das Publikum gestern fanden wir noch hip und hübsch. Ich will jetzt keine andere Stadt nennen, aber es ist noch nicht allzu lange her, da dachten wir, «Mensch sind heute alte Leute da.» Entweder sind die von Anfang an mit uns gewachsen oder sie sind über «Applaus, Applaus» zu uns gekommen und dachten sich, „das schauen wir uns mal an.“ So alte Leute hätte ich bei uns jetzt nicht vermutet, weil doch weiterhin eher die jungen auf den Putz hauen, aber das finde ich gar nicht schlecht. Ich will ja keineswegs massregeln, wer welche Musik hören soll, aber es ist spannend. Aber klar, beim Udo Jürgens stehen teilweise von Uroma bis Urenkel alle im Publikum.

Die weiteren Ausgaben: ABBA bis Zappa ...

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