12. Februar 2014, 23:41 Kultur Movie

David O. Russell behandelt in seinen Filmen Figuren, die von der Realität, der „normalen Welt“ entrückt sind. Am Rand lebend, möglicherweise verdrängt, verloren sie die Hoheit über ihr eigenes Leben, und versuchen wieder in einen selbstkontrollierten Alltag einzurasten. Dabei ist es ihm immer gelungen, seinen Charakteren eine eindringliche Fassbarkeit und Tiefe zu verleihen. Dazu gehören ein sorgfältiges, inspiriertes Drehbuch und geschliffene Schauspielkunst. Ersteres scheint O. Russell einfach im Griff zu haben, zu Letzterer kann er seine Mimen zuverlässig hinführen.

Nachdem in The Fighter und Silver Linigs Playbook jeweils zwei Figuren zentral waren, versammelt sich nun in American Hustle deren ein gesamtes Kabinett mit Teilnehmer verschiedenster Couleur: Eigenbrötler, Überlebenskünstler, Gesetzeshüter und - brecher – ein Kaleidoskop an interessanten, lebendigen Persönlichkeiten, die sich im vibrierenden New York der 70er Jahre gegenseitig an der Nase herumführen oder aus dem Sumpf ziehen.

Irving Rosenfeld (Bale) hat schon als Kind den Geschäften seines Vaters – ein Glaser – Aufschwung gegeben, indem er benachbarte Schaufenster einschlug. Als mittlerweile erwachsener und eigenständiger Trickbetrüger hat er es mit seiner Partnerin Sydney Prosser (Amy Adams) zu einem beachtlichen Vermögen geschafft.
Ein Fehler aber droht ihnen alles zunichte zu machen. Dem übereifrigen FBI-Agenten Richie DiMaso (Bradley Cooper) gelingt es, sie zu überführen, und er schliesst mit Ihnen einen Kuhhandel ab: Sie sollen die Politprominenz New Jerseys der Korruption überführen, allen voran Carmine Polito, Bürgermeister von Camden (Jeremy Renner), und DiMaso zu etwas dringlich verlangter Anerkennung verhelfen. Vom Umstand, dass der beim Volk sehr beliebte Polito dafür erst korrumpiert werden muss, will sich DiMaso nicht abhalten lassen.

Natürlich verkompliziert sich die Sache zusehends, und DiMaso und Gefolgschaft scheinen zu den Architekten ihres eigenen Unglücks zu werden, als sie die anfänglich vermuteten Mafiaverbindung Politos plötzlich selbst provozieren, und das kaum zu ihrem eigenen Vorteil. Der Plan, ursprünglich riskant aber simpel, wird zusehends lebensgefährlich und unüberschaubar verworren.

Was den Film wahrhaft grossartig macht, sind seine Figuren, toll gespielt von einem bis in die kleinste Nebenrolle beeindruckend besetzten Cast. Die Akteure der Geschichte, die ständig im Spannungsfeld zwischen Aberwitz und bitterem Ernst schwebt, sind zwar manchmal schamlos überzeichnet und scheinen alle ein Quäntchen wahnsinnig, bleiben aber immer fassbar, glaubwürdig und auch echt.
So beispielsweise Rosenfeld, der mit aufgeklebten Scheitel, Geniesserbauch und eklektischer Garderobe aussehen mag wie eine Witzfigur, hinter dessen Fassade aber eine unerhört interessante Person steckt, zum Leben erweckt von einem überwältigenden Christian Bale.
Oder der hinreissende Carmine Polito, ausgestattet mit Rüschenhemd und Elvistolle und von Jeremy Renner mit grandiosem Verve gespielt, der nicht nur beliebter Politiker, sondern auch mitreissender Entertainer ist.

Der Film bietet nicht simplen Klamauk, sondern feine, hinterhältige Komik, die nie die grundlegende Tragik der Geschichte – gefüllt mit verlorenen Seelen, wie sie ist – erdrückt. So gelingt auch im eigentlich bittersten Moment etwas subtile Situationskomik: Ein Auge lacht, eines weint, beide staunen (auch über die tolle, pompöse Ausstattung, nebenbei gesagt). American Hustle ist wunderbar geschriebenes – hallo, Oscar für bestes Drehbuch! – Schauspielerkino erster Güteklasse.

Bewertung: 5 von 5

• Titel: American Hustle
• Land: USA
• Regie: David O. Russell
• Drehbuch: Eric Warren Singer, David O. Russell
• Darsteller: Christian Bale, Amy Adams, Bradley Cooper, Jennifer Lawrence, Jeremy Renner, Jack Huston, Michael Peña, Louis C.K.
• Verleih: Ascot Elite
• Start: 13. Februar 2014

Fotos von Ascot Elite