Von ABBA bis Zappa ... Fettes Brot
Patrick Holenstein - Ein etwas verkürztes Blind Date konnten wir mit Fettes Brot kurz vor dem ausverkauften Konzert im Komplex machen.
Als Dr. Renz und Björn Beton von Fettes Brot den Catering-Bereich im Komplex betreten, sieht man ihnen die Müdigkeit noch an. Am Vorabend hatten sie in Wien noch ein DJ-Set gespielt und dann ging es direkt nach Zürich. Als der erste Song gespielt wurde, waren aber beide hellwach und zwei Stunden später war auf der Bühne von Müdigkeit gar nichts mehr zu spüren. Fettes Brot haben im Komplex zwei Stunden lang kräftig eingeheizt.
- Künstler: Falco
- Song: Jeanny
- Album: Falco 3 (1985)
Dr. Renz: Das ist «Jeanny» von Falco.
Björn Beton: Wir kommen gerade aus Wien und haben gestern quasi in der Heimatstadt von Falco gespielt. Diesen Song haben wir ja in «An Tagen wie diesen» gesampelt. Da ist natürlich so ein grosser Welthit, den man nicht einfach mal eben so wegsampeln kann, wie einem das beliebt. Wir haben natürlich bei der Band von Falco und dem Verlag nachgefragt, ob wir das dürfen und die fanden das Lied auch gut.
Habt ihr das Sample ausgewählt, bevor der Song geschrieben war?
Dr. Renz: Ja, Björn hatte die Idee, das zu benutzen. Er hatte eine RTL-Chartshow-CD, wo das drauf war, benutzt.
Björn Beton: Extra deswegen gekauft. (Lacht)
Dr. Renz: Also hat er es ausprobiert. Das war glaube ich die Zeit, in der Kanye West gerade beeindruckende Instrumentals mit hochgepitchten Soulvocals gebastelt hat und dadurch, dass das «Jeanny» sehr langsam ist, kam, glaube ich, die Idee zustande, dass das hochgepitscht auch sehr geil klingen könnten, denn wir spielen es in unserem Song um einiges schneller. Im Refrain hört man tatsächlich Falco mitsingen. Wer ganz genau hinhört, bemerkt den Schrei, kurz vor dem Ende, wo er nochmals so richtig in die Vollen geht. Das Lied ist uns dadurch noch mehr ans Herz gewachsen. Ich mochte es eh schon immer und ich bin seit meiner Kindheit ein grosser Falco-Fan. Es war eine meiner ersten CDs, die ich hatte. Damals noch auf Kassette, also als MC. Die «Falco 3», wo der Song drauf ist. Guter Künstler. Ich habe mir kürzlich wieder einmal Interviews mit ihm bei Youtube angeschaut und der war schon eine sehr interessante Persönlichkeit, irgendwo zwischen sehr arrogant, aber auch sympathisch. Ich glaube, mit dem hätten wir uns verstehen können.
- Band: Die Ärzte
- Song: FaFaFa
- Album: Die Bestie in Menschengestalt (1993)
Dr. Renz: Das ist Farin Urlaub, der rappt. Ärzte-Rap? (Refrain setzt ein.) Ach, das.
Den Song habt ihr zusammen mit den Ärzten schon live gespielt.
Björn Beton: Richtig. Da haben sie uns immer öffentlich demütigen dürfen. Wir waren 2006, würde ich mal behaupten, mit denen auf Tour und das war toll. Hervorragende Gastgeber. Wir haben zum ersten Mal in eine richtig fette Riesenproduktion reinblicken dürfen und ein Teil davon zu sein, war eine grosse Ehre. Die Ärzte sind natürlich absolute Jugendhelden von uns und in Sachen ironische deutsche Texte mit Witz und Aussage, sind sie absolute ...
Dr. Renz: ... Superhelden.
Björn Beton: ... absolute Superhelden. Und man sagt nicht umsonst zu uns, wir seien die Deutschen Ärzte.
Dr. Renz: (grinst) Der ist nicht schlecht.
- Künstler: Casper
- Song: Im Ascheregen
- Album: Hinterland (2013)
Dr. Renz: (Beginnt zu kommentieren) Geraschel. Fussschritte. Da schleicht jemand ans Mikro.
Björn Beton: Im Hintergrund spielt ein Vampir an der Orgel. Oder ein Psychopath.
Dr. Renz: Wie im Film. Leute, die in Filmen Orgel spielen, sind immer Psychopathen.
Björn Beton:: Ein Klavier ist es geworden. Klavier spielende Leute trinken dagegen gerne Bier. (Beide lachen)
Dr. Renz: Was ist denn das? Macklemore?
Nein, es ist deutsche Musik.
Dr. Renz: Ach, dann ist es Casper.
Genau. Und zwar ist der Song aus einem bestimmten Grund gewählt. Casper bezieht sich im Song ja auf Slime. Das macht ihr auch in einem Song. Das Original von Slime wurde eben auf den Index gesetzt. Wie steht ihr zu Zensur?
Dr. Renz: Wenn ich ehrlich sein soll ... ich glaube, dass das total sinnloser Quatsch ist, die Band Slime zu zensieren. Oder die eben gespielten Ärzte wurden ja auch schon zensiert. Das habe ich immer für sehr grossen Unsinn gehalten. Es gibt natürlich aber auch Äusserungen auf Platten, die ich so sehr ablehne, dass es mich freuen würde, wenn man sie zensiert. Ich glaube aber nicht, dass man sie dadurch verhindern kann, sondern gerade mit den technischen Möglichkeiten über das Internet, macht es den Song eher noch interessanter, als dass es ihn wegmacht.
Björn Beton: Es gibt ja die Phase im Leben jedes jungen Menschen in der er sich durch die Musik, die er hört, von seinem Elternhaus und vielleicht etwas langweiligen Freunden abgrenzen will und da ist natürlich jede Musik willkommen, die auf möglichst viel Argwohn stösst bei den anderen. Eine Platte, die zensiert ist, hat natürlich einen extrem grossen Reiz. So war es ja bei uns auch. Als ich damals von meinem Schulfreund Blume die Ärzte «Ab 18» auf Kassette überspielt bekommen habe, war ich richtig stolz, dass ich verbotene Musik hatte. Ich habe mir immer vorgestellt, wie das irgendwo unter dem Ladentisch verkauft wird. Insofern ist Zensur ein Kontrollmedium des Staates. Ich finde schon, dass sich eine Gesellschaft in Form bestimmter Regeln positionieren gegenüber Musik, die menschenverachtend ist. Aber wer das entscheidet, ist dann höchste Fragwürdig. Die Ärzte haben ja dazu einen guten Song dazu gemacht. Ich habe eben bei uns im Regal eine CD entdeckt, die sich gegen Zensur wendet und da ist ein Song von uns drauf, nämlich «Schocktherapie». Das ist ein Sampler mit verschiedenen Künstlern, die sich gegen Zensur wenden und mit einem tollen Bild von Ralph König, dem schwulen Comiczeichner, vorn drauf.
Stimmt es, dass ihr «Nordisch By Nature» selbst aus dem Verkauf genommen habt? Quasi selbst zensuriert?
Dr. Renz: Das war keine Zensur in dem Sinne, dass wir es den Leuten nicht mehr zugänglich machen wollen. Das ist jetzt auch schon ein paar Jahre her. Das war 1995. Wir hatten die Single grade rausgebracht. Ich glaube, wir haben das gemacht, damit wir für die nächsten hundert Jahre immer wieder von Journalisten danach gefragt werden. Wir hatten vielleicht damals die Befürchtung, dass, wenn die Leute alle nur «Nordisch By Nature“ hören würden, wären wir ein einfaches One-Hit-Wonder. Dem wollten wir entgegenwirken. Ich glaube, das hat ein wenig mit der Überraschung und den Sorgen zu tun, wenn man auf einmal in den Charts erfolgreich ist. Das kann einen jungen Menschen dann ja auch gerne mal etwas erschrecken. Ich glaube, wir wollen bloss etwas vorsichtig sein und heute würden wir nicht mehr so darauf reagieren.
- Künstler: James Last
- Song: Biscaya
- Album: Biscaya (1982)
Björn Beton: (Nach wenigen Tönen) «Biscaya»
Dr. Renz: Nicht schlecht. Ist natürlich auch einer seiner grössten Hits, wenn nicht sein grösster. Ein vollendeter Gentleman und toller Musik. Bester deutscher Jazzbassist der Jahre 58 – 64 glaube ich. Kommt aus Bremen, heisst eigentlich Hans und wir durften ihn 1999 kennenlernen. Damals hat er uns via Plattenfirma gefragt, ob wir Lust hätten, zu seinem siebzigsten Geburtstag einen Song zusammen aufzunehmen. Wir haben uns dann getroffen, denn Fettes Brot funktioniert über die persönliche Ebene. Also haben wir zusammen einen Whiskey unseres Geburtsjahrgangs in der Bar des Reichhofshotel am Hamburger Hauptbahnhof getrunken und waren uns sympathisch. Es ist immer toll, wenn man Menschen kennenlernt, die den gleichen Beruf haben, aber schon eines älteren Semesters sind. Er hat dann gefragt, ob wir den Song gerne im regnerischen Hamburg oder im sonnigen Florida aufnehmen wollen. Wenn letzteres, dann würde er uns zu sich nach Hause einladen. Also haben wir einfach mal ja gesagt. Das war toll. Der gefühlte Höhepunkt war ein Konzert, einen Tag vor seinem siebzigsten Geburtstag, in London, wo er nach wie vor sehr viele Fans hat und die Royal Albert Hall mühelos ausverkauft. Und wir waren ein Teil dieser Show. Wir haben in dieser sagenumwobenen Halle gespielt. Und danach in seinen Geburtstag reingefeiert, wo er mit Boxhandschuhen und nacktem Oberkörper hinter dem Tresen stand …
Björn Beton: … und Gin ausgeschenkt hat.
- Künstler: Thees Uhlmann
- Song: Am 7. März
- Album: #2 (2013)
Björn Beton: (Sofort) Thees Uhlmann.
Genau. Wie steht ihr zu Thees? Ihr habt ja ihn ja im Video zum BundesVisionSongContest unterstützt.
Björn Beton: Genau. Er ist ein Freund von uns.
Dr. Renz: Er ist ja auch Plattenfirmabetreiber mit Grand Hotel Van Cleef ...
Und ihr habt mit ihm und Die Sterne zusammen gesungen.
Bjön Beton: Stimmt, du hast gut recherchiert und weißt Sachen, die wir längst vergessen haben. Aber ja, man kennt sich natürlich, auch wenn er inzwischen seit ein paar Jahren in Berlin wohnt und wir freuen uns, wenn man ihn auf Festivals trifft.
Dr. Renz: Beim Fussball sehen wir uns ab und zu.
Björn Beton: Genau, weil wir alle glühende St. Pauli-Fans sind. Wir sind ein bisschen neidisch, dass er die St.-Pauli-Hymne gespielt hat, die die Mannschaft in der Kabine hört. Das hat Fabian Boll, der Kapitän von St. Pauli nämlich mal erzählt, dass sie das Lied von Thees in der Kabine hören, um in Fahrt zu kommen.
Dr. Renz: Dafür singen die Fans unser Lied. Die haben nämlich eine abgewandelte Version von «Schwule Mädchen», die sie jeweils singen.
Fettes Brot - Für immer Immer
Die weiteren Ausgaben: ABBA bis Zappa ...